Der große Stier
abgeblasen. Das heißt, keine nächtlichen Szenen mehr mit Lagerfeuern und kein Knospenkauen mit anschließendem Übelsein. Die Indianer berauschen sich jetzt ganz anders. Sunshine und Stierplatten auf transportablen Plattenspielern. An den Fingern riechen. Du verstehst, den ganzen Kram. Ich bin bloß gespannt, wann die Polizei dahinterkommt.«
»Wieso? Lehm ist nicht illegal.«
»Das kommt noch.« Sie zeigte auf eine Reihe Whiskyflaschen. »Die Bosse, die das Zeug herstellen, werden ein Gesetz durchbringen, wie sie’s beim Gras auch geschafft haben. – Möchtest du einen Kaffee?«
»Nein, ich muß mich beeilen. Um achtzehn Uhr fliege ich nach Los Angeles.«
»Um Stier kennenzulernen?«
»Ich hoffe. Ich habe die Adresse einer weiteren Tänzerin. Akt drei in meinem Adventus.«
»Bei Gott, er ist ein fabelhafter Mann. Wenn ich seine Musik höre …« Sie sah zu dem bunten Glasfenster hinüber, das im Schein der Nachmittagssonne auf einmal hell wurde. »Der Nebel steigt.«
»Ja«, sagte Paul und langte nach seiner Reisetasche. »Es sieht ganz so aus.«
Drei Wodka-Martinis machten ihm den Flug angenehmer.
Sie landeten in der Dunkelheit, die Lichter von Los Angeles waren durch eine dicke Schicht bläulich-braunen Smogs gedampft. Auch der Flugplatz war von beißendem Rauch eingehüllt; er trieb dünne, stechende Tränen aus Pauls Augenwinkeln, als er die Rolltreppe verließ und sich zum Taxistand begab.
Er glitt in den Rücksitz des ersten Taxi in der Reihe und gab die Adresse auf der 103. Straße an.
»Sie machen wohl Spaß«, sagte der Fahrer.
»Wirklich?«
»Dort hinaus fahre ich Sie nicht.«
»Wieso nicht?«
»Ich bin kein Nigger.«
»Das hab’ ich gesehen.«
»Hören Sie mal, mein Lieber, ich weiß schon, Sie sind wahrscheinlich gerade aus einem Flugzeug ausgestiegen; aber lesen Sie keine Zeitung? Das Gebiet da unten ist gesperrt.«
»Ich muß dort aber hin.«
»Ohne mich.«
»Sie wollen mich nicht hinbringen?«
»Da wetten Sie ruhig um Ihren Hintern.«
Paul seufzte, öffnete die Tür und stieg aus. Er ging die Reihe der Taxis entlang, bis er zu einem kam, dessen Fahrer ein Neger war.
»Ich möchte zur 103. Straße«, sagte Paul.
»Haben Sie ’n Passierschein?«
»Was ist ein Passierschein?«
»Ohne Passierschein kommen Sie nicht rein, die Polizei will da unten keine Weißen haben. Um diese Zeit sind die Aufstände, Mann.«
»Ich verspreche, keinen anzufangen.«
Der Fahrer grinste.
»Wie krieg ich einen Passierschein? Für Geld?«
»Kann sein. Wenn wir ’n weißen Polizisten finden. Wieviel haben Sie?«
»Massenhaft.«
»Dann also rein.«
»Klasse!«
Die Luft schmeckte nach Kohlenstoff und Benzin, als sie die Straße hinunterfuhren. Aufstrahlende Neonlampen, von den Fenstern reflektiert, zeichneten meterlange »Hot Dogs«, umkreisten Bierzeichen, wurden zu den Gesichtern von Gebrauchtwagenhändlern, schrie ben unmögliche Nachrichten wie beispielsweise »Ocean Spray Manor« und »Bei Air View Motel«.
Eine schräge Rampe führte in einer Rundung durch ein Bauprojekt der Regierung bis an die Grenze von Watts. Dort war aus Metallstangen und Stacheldraht ein kunstloses Tor errichtet worden, unterhalb dessen zwei behelmte Beamte des Polizeidepartments von Los Angeles standen. Der eine hatte ein leichtes Maschinengewehr, dessen Kolben auf seiner Hüfte ruhte, der andere zog mit seiner Taschenlampe kleine Halbkreise, als das Taxi auf einen Halteplatz zufuhr.
»Machen Sie’s in Ruhe ab«, sagte der Fahrer.
Paul griff eben nach seiner Reisetasche, als der Polizist mit der Taschenlampe, ein Weißer, den Strahl auf den Rücksitz richtete.
»Wohin?« fragte der Polizeibeamte.
»Da rein«, zeigte Paul.
»Warum?«
»Jemanden besuchen.«
»Passierschein?«
»Nein.«
»Dann, bei allen Teufeln, machen Sie sich hier aus dem Staube.«
»Ich dachte, ich könnte einen kaufen …« Paul öffnete seine Reisetasche und fing an, Zwanzig-Dollar-Scheine herauszufächern.
»Ist Ihr Leben sechzig Dollar wert?«
»So ungefähr.«
»Ich sage, es ist achtzig wert.«
»Einverstanden.« Paul faltete vier Zwanzigerscheine zusammen und gab sie dem Beamten, der ihm dafür ein Blatt gelbes Papier hinhielt.
»Unterschreiben Sie das«, sagte er.
»Was ist das?«
»Da steht drauf, daß Sie auf eigene Gefahr reinge hen. Viele Nigger sind gewaltig auf eine weiße Haut aus, die sie vor ihren Kamin legen können.«
Paul warf einen kurzen Blick auf den dünnen Aufdruck oben auf dem Blatt, etwas über das
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