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Der große Stier

Der große Stier

Titel: Der große Stier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Sanborn
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Privathaus sich in schlechtem baulichen Zustand befand, wurde es von den Schneekindern »getüncht«, innen und außen gesäubert, die Fenster wurden geputzt, daß sie wie glänzendes Kristall wirkten, und außen wurden die Hauswände mit mehreren Schichten weißer Farbe aufgefrischt.
    Obwohl die Schneekinder zunächst nur durch die gemeinsame Begeisterung für Stiermusik miteinander verbunden waren, schlossen sie sich doch bald zu ihren eigenen, einzigartigen Gesellschaftsgruppen zusam men, deren Struktur Paul unabsichtlich geschaffen hat te. Da er weder die Zeit noch die Möglichkeit besaß, die Tausende von Briefen zu beantworten, die er täglich von Schneekindern aus dem ganzen Land erhielt, löste er das Problem, ihnen etwas mitzuteilen, dadurch, daß er die Rückseite der Stierplatten-Hüllen gewissermaßen als »schwarzes Brett« benutzte, auf dem er die Stierphilosophie erklären konnte. Die vier ersten Ausgaben waren kurzen Erläuterungen zu Iliyu gewidmet; auf späteren Plattenhüllen standen Essays, in Wirklichkeit Auszüge aus seiner fast vollendeten »Vergöttlichung der Null«.
    Die übliche Einheit bestand aus neun Schneekindern, fünf Jungen und vier Mädchen. Dem Mädchen, das rote Perlen am Halse trug, war die Verantwortung übergeben, weißen Lehm zu besorgen und an die anderen Mitglieder der Gruppe auszuteilen.
    Das Mädchen mit den gelben Perlen leitete Diskussionen über die Wiedergeburt und einfache Meditationsübungen.
    Schwarze Perlen trug das Mädchen, das in der Kunst des Liebe-Machens erfahren war. Und während jedes Mitglied ihrer Gruppe vollkommene Freiheit hat te, mit jedem anderen Mitglied Liebe zu machen, spezialisierte sie sich auf gewisse Feinheiten, die sie im Umgang mit Mitgliedern anderer Gruppen lernte und vervollkommnete. Alles sexuelle Tun, ob privat oder in der Gruppe, wurde nur bei hellem Tageslicht und gewöhnlich im Freien vollzogen.
    Astronomie, Astrologie und das Studium der besonderen Einzelheiten von »Unidentifizierten Fliegenden Objekten« waren die Hauptbeschäftigung des Schneekindes mit weißen Perlen. Es arbeitete oft eng mit dem Schneekind zusammen, das rote Perlen trug, wenn die Gruppe in der Nacht zusammenkam, um mit Augen, die durch den weißen Lehm klar geworden waren, den Himmel zu betrachten.
    Zu jedem der vier Mädchen gehörte ein Junge; wenn er von seiner Maitresse so viel gelernt hatte, wie er nur konnte, bekam er eine Perle aus ihrem Halsband. Er verließ sodann die Gruppe, um in einer anderen Einheit von Schneekindern zu lehren und zu lernen.
    Der fünfte Junge, gewöhnlich das älteste Gruppenmitglied, blieb da als Verwahrer der Schallplatten; sein Titel lautete allerdings »Beschützer der Stiermusik«.
    Sauberkeit? Meditation? Freie Liebe? Betrachtung der Sterne? Nichts konnte gefährlicher sein, nichts zerstörerischer für das Establishment. Die Menschen über vierzig sahen voller Schrecken zu, wie die Bewegung sich ausbreitete, wie fröhliche Schneekinder sich mit gekreuzten Handgelenken und offenen Handflächen grüßten – mit einer Geste, die das gegenseitige Sich-Erkennen durch den Hauch des weißen Lehms symbolisierte.
    Von den schwarzen Kräften kamen düstere Voraussagen und finstere Warnungen. Geistliche erhoben Anklagen wegen Blasphemie. Polizisten in dunklen Uniformen agierten für eine Gesetzgebung, die häufigere Verhaftungen zuließ. Richter in schwarzen Talaren stimmten ihnen zu. Und in Washington wurden Männer in dunklen Geschäftsanzügen zum »Speziellen Untersuchungskomitee« des Senats ernannt.
    Paul verbrachte den ganzen Sommer in seinem Apartment und arbeitete dort an der »Vergöttlichung der Null«. Seine einzigen Verbindungen zur Außenwelt waren Telefongespräche mit Jerry Miller über die Buchführung für das Konto der Ahornblatt-Schallplatten und ein paar Besuche mit Magdelaine, Mrs. Chen, Terhikki und Winnie in Stiers Haus auf dem Wolfback Ridge, um den Fortschritt der Proben für Iliyu nachzuprüfen.
    Der versprochene vierte Adventus mit Terhikki kam nicht zustande, teils weil sie nie allein zusammen waren – das Stierhaus war zum Klassenraum für Schneekinder geworden –, aber hauptsächlich, weil Paul seine Schreibmaschine nur verließ, wenn er seinen Vorrat an Salami, Roggenbrot oder Weißweinergänzen wollte.
    Wenige Tage vor der Aufführung von Iliyu vollendete er »Die Vergöttlichung derNull« und bezahlte den Privatdruck von zweitausend Exemplaren. Das Buch war in drei Teile gegliedert. Der erste

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