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Der große Stier

Der große Stier

Titel: Der große Stier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Sanborn
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erläuterte die vier Akte von Iliyu im einzelnen. Der zweite war eine Abhandlung über Logik, der dritte eine Sammlung von Essays, die unter anderem die Göttlichkeit Christi, die Mutterschaft, »den Krieg« und die Autos angriffen.
    Letzteres war eine gekürzte Fassung seines Essays über die Autos, das auf der Rückseite von Stier Nr. 12 erschienen war.
     
    Wißt ihr, daß die Füße eurer Eltern noch nie den Boden berührt haben? Buchstäblich, Sie frühstücken in Hausschuhen, bedecken ihre Zehen mit Socken und mit Leder, erheben ihre Beine, um in ein Auto zu steigen, das sie über Teer und Beton fortbewegt, sehr häufig in den Tod.
    Wißt ihr, daß die meisten von uns noch nie reine Luft eingeatmet haben? Unsere Lungen sind nichts anderes mehr als Vergaser für General Motors. Wir sind in der Tat die einzige Einrichtung zur Rauchkontrolle.
    Wißt ihr, warum eine Asphaltkruste das Gras bedeckt? Warum Eicheln auf den Boden aufprallen und verfaulen? Warum hungrige Eichhörnchen vergessen haben, wie man gräbt?
    Künftige Generationen werden sich über unsere heiligen Kühe wundern – über das Automobil.
    Euer Herz wiegt weniger als ein halbes Pfund, und es bewegt euch. Braucht ihr wirklich zwei Tonnen Chrom und Gummi?
    Wir bauen heute Städte nicht für Menschen, sondern für Kraftwagen. Es ist nicht so, daß ihr einen Wagen braucht, um dahin zu kommen, wohin ihr gehen müßt; ihr müßt einfach dort hingehen, weil ihr einen Wagen habt.
    Sicherheitsprogramme? Es gibt nicht eines, das ihr nicht mit den Fingernägeln zerpflücken könntet.
    Machen wir doch diesem Wahnsinn ein Ende. Rettet einen Chevrolet für die Smithsonian Institution, laßt Petroleum darin, um die Achse zu schmieren, zieht eure Schuhe aus und tanzt!
    Im April werden wir Blumen auf die Straßen pflanzen.
     
     
    Trotz der Tabak- und Alkohol-Lobby hatte der Kongreß den weißen Lehm noch nicht zu einem gefährli chen Narkotikum erklärt. Trotz der Berichte über Orgi en an den Ufern amerikanischer Flüsse hatte die Polizei nur wenige Verhaftungen vorgenommen. Die Vorstellung einer Wiedergeburt und die okkulte Faszination der Schneekinder durch den Himmel wurden als sonderbare, aber harmlose Zeichen ihrer Jugendlichkeit betrachtet.
    Angriffe auf das Automobil jedoch konnten nicht geduldet werden.
    So geschah es, daß ein makellos gekleideter Agent der C.I.A. an Pauls Tür anklopfte.
    »Ja?« Paul zog den Gürtel seines Bademantels enger und machte die Tür weit auf.
    »Hallo, da sind Sie ja! Sie müssen Paul Odeon sein.«
    »Muß ich.«
    »Macht es Ihnen was aus, wenn ich zu einem kleinen Schwatz reinkomme?« Der Mann wölbte eine Hand anmutig auf seinem Hinterkopf und tätschelte das dünne braune Haar, das eine kahle Stelle bedeckte.
    »Wer Sind Sie?«
    »Hier an der Westküste werde ich Walter genannt …« Er ging ins Wohnzimmer, warf einen verstohlenen Blick in die Küche und setzte sich dann in den Schreibtischstuhl, sofort die Beine übereinanderschlagend. »Ich könnte Ihnen meine übliche dumme Geschichte erzählen, daß ich ein Versicherungsvertreter wäre; aber wissen Sie, das bin ich in Wirklichkeit gar nicht. Ich bin das, was Leute wie Sie als ›Bundesdetektiv‹ bezeichnen würden.«
    »F.B.I.?«
    »C.I.A.«
    »Oh je!«
    »Wette, das überrascht Sie.«
    »Ja, Sir.«
    »Nennen Sie mich Walter.« Er zog einen kleinen silbernen Nagelknipser aus der Tasche seiner Sportjacke und fing an, einen Daumennagel zu bearbeiten. »Die Menschen sehen nicht immer so aus wie man es erwarten würde – ihrer Beschäftigung nach zu schließen. Wir werden deshalb ausgesucht, weil wir durchschnittlich aussehen. Meinen Sie nicht, daß ich aussehe wie – na, Sie wissen schon – Durchschnitt?«
    »Sehr durchschnittlich.« Paul saß auf dem Stuhl am Fenster und zündete sich eine Zigarette an.
    »Und Sie … Sie sehen viel besser aus, als ich es von einem Schallplattenvertreter erwarten würde.« Er unterstrich das Gesagte mit einem hörbaren Knipsen, das ein Daumennagel-Schrapnell über den Schreibtisch jagte. »Darf ich dich Paul nennen? Ich habe einen Haufen Fragen zu stellen, und es ist so viel einfacher, wenn wir in einer lässigen Beziehung zueinander stehen.«
    Paul wand sich auf seinem Stuhl und zog seinen Bademantel über die Knie herunter. »Sicher, nenne mich Paul.«
    »Wunderbar! Fangen wir doch damit an, daß du mir sagst, wo Stier sich aufhält.«
    »Wenn ich das nur wüßte!«
    »Du weißt es nicht?«
    »Nein.«
    »Aber bist du nicht sein

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