Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der große Stier

Der große Stier

Titel: Der große Stier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Sanborn
Vom Netzwerk:
Verlangen danach, El Reno in Oklahoma zu sehen.«
    »Du Teufel , du!« Walter kicherte und räusperte sich dann vernehmlich. »Was wir vorhaben, ist folgendes: Ich möchte, daß du mich augenblicklich anrufst, sobald Stier in Sausalito ankommt. Ich gebe dir eine Nummer, über die du mich immer erreichen kannst. Die Oper ist übermorgen, das heißt, daß er höchstwahrscheinlich irgendwann morgen ankommen wird …«
    Paul richtete seinen Blick auf Walters dünnes Fußgelenk, das jetzt sachte herauf und herunter wackelte. Seine blauen Socken waren faltenlos, sie lagen der spitz zulaufenden Knochenwölbung glatt an. Ein geschlechtsloser Knochen war das, weder männlich noch weiblich.
    »Wir haben das Haus natürlich unter Bewachung, aber es kann sein, daß er gleich zum Mount Tamalpais geht. Auf jeden Fall setzt er sich bestimmt mit dir in Verbindung.«
    »Ihr werdet ihn doch nicht umbringen, oder?«
    »Du meine Güte, nein! Wir wollen ihn bloß nach Washington zurückbringen. Um Himmels willen, begreifst du gar nicht, wie wertvoll er ist? Bei der Art, wie die jungen Leute hierzulande ihn geradezu verehren? Na, ein einziges Wort von ihm könnte die Wahl garantieren.«
    »Für welchen Kandidaten?«
    »Tschüs …« Walter drohte ihm mit dem Finger. »Mußt mich nicht auffordern, aus der Schule zu plaudern. Also, hier ist meine Nummer. Ich erwarte deinen Anruf.«
    Paul nahm die Karte und starrte auf die Nummer. »Was springt für mich bei der ganzen Sache heraus?«
    »Deine Freiheit, guter Junge.« Walters rundes Gesicht glühte mit einem Lächeln auf. »Und das befriedigende Gefühl, daß du weißt, du hast deinem Lande einen guten Dienst getan.«
    Um das Telefon nachzuprüfen, wählte er den Wetterbericht; es gab ein deutliches Klicken von sich, und die durchgesagte Nachricht erklang mit einem Echo. Er legte sorgfältig den Hörer wieder auf und riß das Telefonkabel aus der Wand.
    Länger als eine Stunde ging er auf und ab; dabei trank er aus einem Krug frischen Weißwein.
    Als er sich an Walters verweichlichtes Fußgelenk erinnerte, machte er sich endlich seinen Plan. Er warf sich aufs Bett und lachte unbändig.
     
    Am nächsten Tage ging Paul auf den Gipfel des Mount Tamalpais. Dort herrschte einige Aufregung, aber durchaus keine Verwirrung, als die indianischen Arbei ter (zwanzig waren auf einer rechtmäßigen Fluglinie aus Kanada gekommen) die Bühnenfläche fertigstellten. Drei große, flache Felsblöcke bildeten eine natürliche Bühne, und Girlanden aus weißen Blumen, die mit den Zweigen einer Reihe verkümmerter Kiefern verflochten wurden, bildeten einen Vorhang als Hintergrund.
    Am Fuße eines natürlichen Abhangs stimmten die Musiker, die in einem großen Halbkreis saßen, ihre Instrumente; sie schwatzten aufgeregt miteinander, als sie ihre dicken Partituren von Iliyu durchblätterten.
    Aus Batterien gespeiste Lampen mit kreisenden roten, gelben und blauen Kapseln waren auf beiden Seiten der Bühne unsichtbar angebracht; und weiter links, in einem Büschel hohen Grases, waren Kameraleute vom Fernsehen eifrig dabei, ihre Geräte aufzubauen.
    Um die Töne auf den Abhang herunter zu übertragen, auf dem die Zuschauer sitzen würden, war ein ausgezeichnetes Verstärkersystem eingerichtet worden. Einzelne Lautsprecher waren in regelmäßigen Abständen vom Gipfel bis zur Basis des Berges in Bäumen installiert worden – die Töne der Stiermusik, die durch den Wald erklangen, würden die Pilgernden hinaufführen.
    Paul redete kurz mit einem Mann von Newsweek , der einen Bericht über »Die Untergrundpublikation ›Die Vergöttlichung der Null‹« bringen wollte; dann verbrachte er fast zwei Stunden mit dem Stab zur Förderung des Unternehmens; dabei prüfte er wieder und wieder die Einzelheiten der Zulassung, der Sitzordnung, der Sicht und der Verbreitung durch die Presse.
    Von Sir Alex Kirsten, der auch bei der Uraufführung von Iliyu in Stratford das Orchester geleitet hatte, erfuhr Paul, daß Stier irgendwann während der Aufführung herkommen würde und sich am Schluß des vierten Aktes auf der Bühne zeigen wollte.
    Paul ging nach Sausalito zurück und am Abend zum Pier Fünf, um mit Crimp zu sprechen.
     
    Am Morgen des neunten Tages im neunten Monat wachte Paul früh auf, duschte schnell und zog sich mit der Sorgfalt und kühlen Präzision eines Revolverhelden an; weißes Hemd, weißer Schlips, weißer Anzug, weiße Schuhe, die er zunächst in den Händen hielt, um ihr Gleichgewicht nachzuprüfen, ehe er

Weitere Kostenlose Bücher