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Der große Stier

Der große Stier

Titel: Der große Stier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Sanborn
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Außer dem normalen Tageslicht, das durch kreisförmige, dünne Glasscheiben im Dach hereindrang, war keine Lichtquelle zu sehen.
    »Schneekinder mit rote Perl’n«, sagte Winnie und zeigte nach links, »arbeiten da drüb’n mit Magdelaine.«
    Auf einer Reihe roher Holztische lagen Instrumente aus Metall, Glas und Porzellan verstreut. Einige sahen aus wie übliche Retorten und Gefäße, aber die meisten hatten eine sonderbare Gestalt und Größe, sie enthielten Substanzen, die Paul bisher noch nie gesehen hatte. Eine sorgfältige Konstruktion von Spiegeln vereinigte das Tageslicht genau in einem Kelch aus Bergkristall, der bis zum Rand mit einer bläulich-schwarzen Flüssigkeit angefüllt war. Am hinteren Ende schürten drei Schneekinder geduldig das Feuer in einem gedrungenen Schmelztiegel aus Messing.
    »Wenn Mrs. Chen hier is, arbeitetse mitte Schnee kinder, die gelbe Perlen ha’m, drüb’n auffe andere Seite …«
    Die Fläche, auf die sie zeigte, war dunkel, aber als sie näher herangingen, sah Paul Schneekinder im Kreis sitzend und schweigend meditieren. Auf ein unhörbares Signal hin hoben sie alle ihre Handflächen an die Nase und inhalierten, ohne dabei die Augen zu öffnen. »Riechen sie Lehm?«
    »Kannste annehmen, mein Lieber. Bloß der Lehm, den die haben, is was Besondres.«
    »Ich kann es kaum abwarten, bis ich sehe, wo du deine Sache machst, Winnie. Es muß eine Orgie sein, bei der alle anderen Orgien enden. Oder bei der alle Orgien anfangen.«
    »’s is überhaupt nich sowas. Komm, das kannste bald sehn, wenn wer de Treppe da halb rauf sin.«
    Paul stocherte mit den Fingern durch den Vorhang aus der Luft, die an beiden Seiten der Treppe aufschoß. Es kitzelte.
    »Nich viele da drin heute, die meist’n sin draußen, den Schnee zu fühl’n.«
    Dicke Dunstschichten hatten bis jetzt seinen Blick nach links abgeschirmt, doch als er hinter Winnie die Treppe hinaufging, konnte er das riesige überdachte Schwimmbecken sehen. Das Wasser bedeckte mehr als einen Morgen Fläche. In jeder der vier Ecken wuchsen Bäume und Gras, und in der Mitte war eine große, durch einen schmalen Kanal geteilte Insel. Als er genauer hinsah, stiegen zwei nackte Mädchen auf die Felsen und fingen an, sich gegenseitig zu bespritzen. Es war eine Miniaturwelt, vollständig mit kleinen Wolken, die sich gerade unter dem Kuppeldach durch die Dünste bildeten, die von den Wänden aufstiegen.
    »Erkennste ’s?« sagte Winnie stolz.
    »Erwartest du das von mir?«
    »’s is Atlantis, Baby Siehste da drüb’n? Die Ecke is Kusmin, die da hint’n is Lyonesse. Tipraolti is gleich unter uns, un das da is Chebrexi. Un die Insel inner Mitte –«
    »Das muß Ruta sein«, unterbrach Paul.
    »Hinter ’m Kanal, ja. Davor heißt ’s Daitya.«
    »Ich bin sehr beeindruckt.«
    »Du müßtest ’s mal sehn, wenn ’ne ganze Menge Schneekinder hier sin.«
    »Woher kommt all der Dampf?«
    »’s Becken is von unt’n geheizt. Magdelaine kontrolliert die Mischung.«
    »Was für eine Mischung?«
    »Weiß nich, was es heute is. Wenn du siehst, wie die zwei weiß’n Kük’n auf’nander losgehn, danach muß es ne sehr gute sein.«
    Paul schaute wieder in die Richtung von Daitya und sah die beiden nackten Mädchen kopfüber und einander prügelnd. Die Szene erinnerte ihn an jene Nacht auf dem Tamalpais, und er wandte sich ab.
    »Wo ist Terhikki?«
    »Hier die Treppe rauf, ob’n in der Sternwarte. Da wird dir ’s gefall’n, da kannste beinah alles ringsrum seh’n.«
    Paul warf einen Blick auf die Insel zurück, auf der die beiden erschöpften Mädchen sich gegenseitig weg stießen und wieder in das Wasser rollten. »Ja«, sagte er, »ich wette, du hast recht.«
     
    »Ich muß versuchen, es Ihnen zu erklären, Sie als Logiker werden es verstehen …« Terhikki ergriff eine Metallkugel und stieß sie in den Händen vor und zurück wie einen Basketball. »Nein, ich kann es Ihnen besser so erklären …« Sie ging zur Tafel und zeichnete mit einem kurzen Kreidestück ein Diagramm.
    »Ich weiß, daß es nicht genau gezeichnet ist, aber ich will versuchen, Ihnen zu sagen, was es bedeutet.« Sie besprenkelte eine Kante der Tafel mit Kreidetupfen, eine sinnlose Übung, die offenbar dazu dienen sollte, ihren Geist in Bewegung zu bringen. »Im vierten Akt von Iliyu, erinnern Sie sich? Als er den Kreislauf von Anziehung und Abstoßung entdeckt? Ich glaube, das könnte die Antriebskraft bei den sogenannten fliegenden Untertassen sein.«
     

     
    Paul

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