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Der große Stier

Der große Stier

Titel: Der große Stier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Sanborn
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vor mir auf den Fußboden, bitte. Bei Gott, soweit Ich weiß, könnte ein großer, kräftiger Kerl wie du versuchen, seinen Vorteil gegen mich auszunützen!«
    Paul zog sein Taschentuch heraus und ließ es vor Walter auf den Boden fallen.
    »Vielen Dank …« Walter hob es auf und hielt es sich ans Kinn.
    Paul verschränkte die Arme auf seiner Brust. »Na, Walter, ich glaube, so hört es auf.«
    »Hmm? Was hört so auf?«
    »Alles. Stier ist mit seiner Frau oben im Yukon-Territorium. Jerry wird hiergelassen und sitzt da mit lächelndem Gericht …«
    »Mit welch einem Krach die Flasche mich getroffen hat, als er das gemacht hat!«
    »Kann ich mir denken.«
    Walter ließ den Revolver auf den Boden fallen und hielt sich das Taschentuch mit beiden Händen an die Nase.
    »Ein fabelhaftes Zeug, nicht, Walter? Versuch dir’s mal in die Nasenlöcher zu stecken.« Paul bückte sich und hob den Revolver auf.
    »… war Zeit zu kommen mit mir und rausgehn und runter …«
    Paul putzte nachdenklich den Griff ab und steckte den Revolver in Walters Jackentasche. Dann ging er ans Fenster, machte es auf und sah gerade hinunter auf die Felsen und Mülltonnen.
    »Walter, kannst du mich hören?«
    »… im Gehn – im Gehn – im Gehn – im Gehn …«
    »Das ist richtig. Ich gehe jetzt, aber ich muß dir noch was sagen. Wenn ich zur Tür hinausgegangen bin, werde ich sie hinter mir zumachen, verstehst du? Das heißt, du kannst nicht hinter mir hergehen …«
    Walter nickte.
    »Wenn du hinter mir hergehen willst, mußt du durch das Fenster da hinausgehen; siehst du’s?«
    Walter nickte.
    »Die Entscheidung liegt bei dir …«
    Walter ging zwei Schritte auf das Fenster zu, doch Paul hielt ihn zurück.
    »Jetzt noch nicht, Walter. Erst wenn ich die Tür zugemacht habe.«
    Walter nickte, drückte das Taschentuch fester gegen seine Nase und lächelte.
    Paul ging hinaus und knallte die Tür hinter sich zu.
     
    R ICHARD S TIER
    W HITEHORSE
    Y UKON -T ERRITORIUM
    A NKOMME MORGEN FRÜH SECHS U HR FÜNFZEHN K A NANDA -P AZIFIK F LUGLINIE VIERHUNDERTDREIUNDSECHZIG – S TOP M USS S IE SPRECHEN – S TOP – F RAGE VON L EBEN ODER T OD – S TOP – F ÜR MICH ODER S IE ODER BEIDE – S TOP
    P AUL O DEON
     
    Der harmlose Flug von Vancouver nach Whitehorse war die nördliche Entsprechung zu einer Party in Neuengland oder dem gemeinschaftlichen Maispalen in Iova. Jeder kannte jeden; auf jedem Flugplatz drängten sich rundliche Ehefrauen heran, um die Schürfer, die ihre Ehemänner waren, zu küssen; Ingenieure und Geologen boten sich gegenseitig aus silbrigen Umhän ge flaschen Schlucke von scharfen Getränken an, India nerkinder tanzten rechts und links von der Rollbahn und warteten auf den Abflug, bei dem die Propeller ihnen Schnee ins Gesicht wirbelten.
    In Prince Rupert wurden einige Sitze ausgebaut, um einer Tragbahre Platz zu machen. Ein sich in der Ausbildung befindlicher Mountie hatte sich selbst in den Fuß geschossen – die Kugel sollte in Whitehorse herausoperiert werden.
    In Watson Lake stieg nur ein einziger Fahrgast zu, ein Pelzjäger, der etwas Ähnlichkeit mit dem Nikolaus hatte. Er trug einen Ballen frischabgezogener Fuchsfel le mit sich; an dem glänzenden Pelz klebten noch dünne Blättchen gefrorenen Blutes wie ein brauner Schorf. Er warf die Felle mitten auf den Gang, legte sich selbst darauf, stieß seine Stiefel von sich und schlief ein.
    Paul wurde langsam zu Eis. Das Flugzeug war geheizt, wenigstens glaubte er es, aber sein Mantel, der ihm in Toronto gute Dienste geleistet hatte, war kein Schutz gegen die Windstöße frostiger Luft, die jedesmal durch den Gang pfiffen, wenn die Luke geöffnet wurde. Es war dunkel. Es war Nacht. Oder es war Morgen, Das hatte nichts zu sagen. Es war kalt.
    Er versuchte, an etwas Warmes zu denken. An einen Ofen. An die Sonne. An die Oberschenkel einer dicken Frau. Dadurch wurde ihm aber noch kälter. Er erinner te sich daran, daß erfrierende Menschen sich, kurz ehe sie sterben, wärmer fühlen. Das war das einzige Tröstli che, was er erwartete.
    Die arktische Nacht wirkte sogar noch dunkler, als das Flugzeug um sieben Uhr fünfzehn in Whitehorse landete, dem Fahrplan nach mit einer Stunde Verspätung. Paul sprang über den schlafenden Pelzjäger auf einen Hügel von Fellen, stieg als erster aus dem Flugzeug aus, überquerte den eisigen Landeplatz, kam als erster in den fast siedend heißen Warteraum.
    Als er sich über den Ofen voll glühender Kohle beugte, der in einer Ecke des

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