Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der große Trip: Tausend Meilen durch die Wildnis zu mir selbst (German Edition)

Der große Trip: Tausend Meilen durch die Wildnis zu mir selbst (German Edition)

Titel: Der große Trip: Tausend Meilen durch die Wildnis zu mir selbst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cheryl Strayed
Vom Netzwerk:
Gesprächspartner, aber verdammt gut im Bett war. Und ich hatte noch gar nicht mit ihm geschlafen.
    Wortlos zog er eine Schachtel Kondome aus der Tüte und riss sie auf. Er erhob sich, nahm mich bei der Hand und zog mich ebenfalls hoch. Ich ließ mich von ihm durch den Sand zu den Felsen führen, die unsere kleine Bucht umschlossen, und wir suchten uns eine Stelle, die an einem öffentlichen Strand als abgeschieden durchgehen konnte – ein Versteck zwischen den dunklen Felsen. Normalerweise war so etwas nicht mein Ding, Sex unter freiem Himmel. Ich bin mir sicher, dass es auf dem Planeten Frauen gibt, die die freie Natur jeder Unterkunft vorziehen, nur bin ich noch keiner begegnet. Doch an diesem Tag kam ich zu dem Ergebnis, dass die Felsen genug Schutz boten. Schließlich hatte ich in den letzten Monaten alles im Freien gemacht. Wir zogen uns gegenseitig aus. Ich lehnte mein nacktes Hinterteil an einen schrägen Felsen und schlang die Beine um Jonathan, bis er mich herumdrehte und ich in die Felsen griff. Zu den Honigresten gesellte sich der mineralische Geruch nach Salz und Sand, der modrige Geruch nach Moos und Plankton. Bald hatte ich vergessen, dass ich draußen war. Bald hatte ich auch den Honig vergessen oder ob Jonathan mir auch nur eine einzige Frage gestellt hatte.
    Auf der langen Rückfahrt nach Ashland gab es nicht viel zu sagen. Aber ich war so müde vom Sex und vom Schlafmangel, von Sonne, Sand und Honig, dass ich ohnehin kaum sprechen konnte. Wir schwiegen einträchtig und ließen auf der gesamten Strecke Neil Young laufen, bis wir vor der Jugendherberge unser Vierundzwanzigstunden-Date ohne viel Trara beendeten.
    »Danke für alles«, sagte ich und küsste ihn. Es war bereits dunkel, neun Uhr abends und Sonntag. Die Stadt war ruhiger als am Abend zuvor, als hätte sie die Bürgersteige hochgeklappt,jetzt, wo die Hälfte der Touristen nach Hause gefahrenwar .
    »Deine Adresse«, sagte er und reichte mir einen Zettel und einen Stift. Während ich Lisas Adresse aufschrieb, stieg ein Gefühl in mir hoch, das keine richtige Trauer, keine richtige Wehmut und keine richtige Sehnsucht war, sondern eine Mischung aus allem. Wir hatten unbestreitbar eine schöne Zeit zusammen gehabt, aber jetzt fühlte ich mich leer. Als wäre da etwas, von dem ich nicht einmal wusste, dass ich es wollte, bis ich es nicht bekam.
    Ich gab ihm den Zettel zurück.
    »Vergiss deine Tasche nicht«, sagte er und griff zu dem kleinen roten Kocherbeutel.
    »Bye«, sagte ich, nahm ihm den Beutel ab und fasste nach der Tür.
    »Nicht so schnell«, sagte er und zog mich an sich. Er küsste mich fest, und ich küsste ihn noch fester, als wäre dies das Ende einer Ära, die mein ganzes bisheriges Leben gedauert hatte.
    Am nächsten Morgen zog ich meine Wandersachen an – denselben fleckigen Sport-BH und dieselben abgewetzten marineblauen Wander-Shorts, die ich seit dem ersten Tag trug, dazu ein neues Paar Wollsocken und das letzte frische T-Shirt für die restliche Strecke bis zum Ziel, ein hellgraues Shirt mit dem gelben Schriftzug UNIVERSITY OF CALIFORNIA BERKELEY vorn auf der Brust. Das Monster auf dem Rücken, den Skistock am Handgelenk und einen Karton unterm Arm ging ich in den Bioladen, nahm in der Feinkostabteilung einen Tisch in Beschlag und sortierte mein Gepäck.
    Als ich fertig war, stand das Monster ordentlich gepackt neben dem kleinen Karton, der meine Jeans, meinen BH und meine Slips enthielt und an Lisa zurückgehen sollte, und einer Plastiktüte mit Wanderkost, die ich nicht mehr sehen konnte und auf dem Weg aus der Stadt in der Umsonstkiste für PCT-Hiker am Postamt zurückzulassen gedachte. Mein nächster Stopp war der Crater Lake National Park. Bis dorthin waren es ungefähr hundertachtzig Trail-Kilometer. Ich musste zurück auf den PCT, und dennoch verließ ich Ashland nur widerstrebend. Ich wühlte im Rucksack, fand die STRAYED-Halskette und legte sie um. Ich strich über die Rabenfeder, die mir Doug geschenkt hatte. Sie klemmte noch an derselben Stelle am Rucksack wie am ersten Tag, war inzwischen allerdings zerzaust. Ich zog den Reißverschluss der Seitentasche auf, entnahm ihr das Erste-Hilfe-Set und öffnete es. Das Kondom, das ich von Mojave bis hierher bei mir getragen hatte, war noch da und wie neu. Ich nahm es heraus und warf es in die Plastiktüte mit den Lebensmitteln, die ich nicht mehr wollte, dann schulterte ich das Monster, ergriff den Karton und die Plastiktüte und verließ den Laden.
    Ich war noch

Weitere Kostenlose Bücher