Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der große Trip: Tausend Meilen durch die Wildnis zu mir selbst (German Edition)

Der große Trip: Tausend Meilen durch die Wildnis zu mir selbst (German Edition)

Titel: Der große Trip: Tausend Meilen durch die Wildnis zu mir selbst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cheryl Strayed
Vom Netzwerk:
Abend zuvor bei lauter Musik ins Ohr gebrüllt hatte. Und er hatte nicht gefragt.
    »Ich weiß nicht, wieso«, sagte Jonathan. »Aber als ich dich gesehen habe, wusste ich sofort, dass ich zu dir gehen und dich ansprechen muss. Ich wusste, dass du total klasse bist.«
    »Du bist auch klasse«, sagte ich, obwohl ich das Wort »klasse«sonst niebenutzte.
    Er beugte sich vor und küsste mich noch mal, und ich erwiderte den Kuss mit mehr Leidenschaft als zuvor, und so standen wir da und küssten und küssten uns zwischen seinem Zelt und seinem Wagen, um uns herum der Mais und die Blumen, der Mond und die Sterne, und ich konnte mir in diesem Augenblick nichts Schöneres auf der Welt vorstellen. Meine Hände wanderten langsam hinauf zu seinen lockigen Haaren, dann über seine kräftigen Schultern, an seinen starken Armen entlang und um seinen muskulösen Rücken herum. Ich zog seinen schönen männlichen Körper an mich. Es hat nie eine Zeit gegeben, in der ich so etwas getan habe und mir nicht von Neuem bewusst geworden wäre, wie sehr ich Männer liebte.
    »Willst du mit rein?«, fragte Jonathan.
    Ich nickte, und er bat mich, draußen zu warten, bis er Licht gemacht und die Heizung angestellt hatte. Einen Augenblick später kam er wieder, hielt mir die Türklappen des Zelts auf, und ich trat ein.
    Es war kein Zelt wie die, in denen ich immer kampiert hatte. Es war eine Luxussuite. Erwärmt von einem kleinen Heizgerät, so hoch, dass man darin stehen konnte, und so geräumig, dass man in dem Bereich, der nicht von dem großen, in der Mitte stehenden Doppelbett vereinnahmt wurde, herumlaufen konnte. Das Bett wurde flankiert von kleinen Kommoden aus Pappe, auf denen jeweils eine batteriebetriebene Lampe stand, die wie eine Kerze aussah.
    »Nett«, sagte ich, während ich neben ihm zwischen Eingang und Bettende stand. Dann zog er mich an sich, und wir küssten uns wieder.
    »Es ist mir peinlich zu fragen«, sagte er nach einer Weile. »Ich möchte nicht anmaßend erscheinen, denn es wäre auch völlig in Ordnung, wenn wir einfach nur rumhängen, verstehst du – was total klasse wäre –, oder wenn du lieber in die Jugendherberge zurück willst –, sogar jetzt gleich, wenn du willst, obwohl ich das natürlich nicht hoffe. Aber … bevor wir … ich meine, nicht dass wir es unbedingt tun müssen … nur für den Fall … ich meine, ich habe nichts, also keine Krankheit oder so, nur falls wir … Hast du zufällig ein Kondom dabei?«
    »Hast du denn keins?«, fragte ich.
    Er schüttelte den Kopf.
    » Ich habe kein Kondom«, sagte ich, und das war der absolute Witz. Da hatte ich die ganze Zeit ein Kondom mitgeschleppt, durch sengende Wüsten und Wälder, über Berge, vereiste Steilhänge und Flüsse, durch qualvolle, eintönige und beglückende Tage, und jetzt stand ich hier, in einem beheizten Luxuszelt mit Doppelbett und batteriebetriebenen Kerzenleuchten, sah einem attraktiven, coolen, ziemlich von sich eingenommenen Mann in die Augen, der auf Michelle Shocked stand, und hatte dieses Kondom nicht dabei, nur weil zwei handtellergroße, peinlich raue Hautpartien meine Hüften verunstalteten und ich mir so fest vorgenommen hatte, auf gar keinen Fall meinen Slip auszuziehen, dass ich es absichtlich in meinem Erste-Hilfe-Set in der Stadt gelassen hatte, anstatt das einzig Vernünftige, Sinnvolle und Realistische zu tun und es in meine kleine, nach Benzin riechende Ersatzhandtasche zu stecken.
    »Ist schon okay«, flüsterte er und ergriff meine Hände. »Wir können auch einfach nur rumhängen. Wir können viel zusammen tun.«
    Und so knutschten wir wieder. Knutschten und knutschten und knutschen, und seine Hände wanderten über meine Kleider, und meine wanderten über seine.
    »Willst du dein Shirt ausziehen?«, flüsterte er nach einer Weile und löste sich von mir, und ich lachte, denn ich wollte mein Shirt tatsächlich ausziehen, und dann zog ich es aus, und er stand da und betrachtete mich in meinem schwarzen Spitzen-BH, den ich Monate zuvor eingepackt hatte, weil ich mir dachte, ich könnte ihn vielleicht tragen, wenn ich nach Ashland kam. Bei dem Gedanken musste ich wieder lachen.
    »Was ist denn so komisch?«, fragte er.
    »Es ist nur … gefällt dir mein BH?« Ich machte mit den Händen eine schwungvolle Bewegung, als wollte ich in der Luft seine Form nachzeichnen. »Er ist weit gereist.«
    »Ich bin froh, dass er den Weg hierher gefunden hat«, sagte er und legte ganz sanft einen Finger auf den Träger neben meinem

Weitere Kostenlose Bücher