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Der große Trip: Tausend Meilen durch die Wildnis zu mir selbst (German Edition)

Der große Trip: Tausend Meilen durch die Wildnis zu mir selbst (German Edition)

Titel: Der große Trip: Tausend Meilen durch die Wildnis zu mir selbst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cheryl Strayed
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draußen im Wald in einer mobilen Toilettenkabine eine Kugel in den Kopf gejagt hatte.
    »Ich meine, das Gehirn klebte einfach überall«, sagte er hinter dem Geschirrtuch hervor. »Mehr als Sie sich vorstellen können. Denken Sie an das Widerlichste, was Ihnen einfällt, dann haben Sie eine ungefähre Vorstellung.« Er stand da und sah nur mich an, als wären die drei jungen Draufgänger Luft. »Und nicht nur Gehirn. Auch Blut und Knochensplitter vom Schädel und Fleisch. Einfach überall. Die ganzen Wände in dem Ding waren vollgespritzt.«
    »Ich kann mir das nicht vorstellen«, sagte ich und schüttelte das Eis in meinem Becher. Jetzt, wo er leer war, hatten ihn die Draufgänger in meine alleinige Obhut gegeben.
    »Wollen Sie noch einen, Süße?«, fragte Guy. Ich gab ihm den Becher, und er verschwand damit in der Küche. Ich wandte mich den Draufgängern zu. Wir tauschten bedeutungsvolle Blicke und brachen dann so leise, wie wir konnten, in Lachen aus, während wir uns in der Wärme des Feuers aalten.
    »Jetzt muss ich Ihnen von diesem anderen Fall erzählen«, sagte Guy, als er mit meinem Drink zurückkam. »Nur dass es diesmal Mord war. Richtiger Mord. Und da war kein Gehirn, sondern Blut. Literweise Blut. Ach, was sage ich, eimerweise Blut, Cheryl.«
    Und so ging es den ganzen Abend weiter.
    Anschließend kehrten wir in unser Lager zurück und standen halb betrunken neben unseren Zelten im Dunkeln und redeten, bis es wieder zu regnen anfing und uns nichts anderes übrig blieb, als die Party aufzulösen und gute Nacht zu sagen. Als ich in mein Zelt kroch, sah ich, dass sich ganz hinten eine Pfütze gebildet hatte. Am Morgen war sie zu einem kleinen See angewachsen, und mein Schlafsack war durchnässt. Ich wrang ihn aus und suchte in der Umgebung nach einer Stelle, wo ich ihn aufhängen konnte, aber es war sinnlos. Er würde nur noch nasser werden, wenn es weiter so schüttete. Ich nahm ihn mit, als ich mit den drei Draufgängern zum Laden ging, und hielt ihn an den Kohleofen, während wir Kaffee tranken.
    »Wir haben uns auf einen Trail-Namen für dich geeinigt«, sagte Josh.
    »Wie lautet er?«, fragte ich widerwillig hinter meinem durchweichten blauen Schlafsack hervor, als könnte er mich davor schützen, was sie nun sagen würden.
    »Die Königin des PCT«, antwortete Josh.
    »Weil die Leute dir ständig etwas schenken und etwas für dich tun wollen«, setzte Rick hinzu. »Uns schenken sie nie etwas. Genau genommen tun sie einen Dreck für uns.«
    Ich ließ den Schlafsack sinken und sah sie an, und wir brachen alle in Lachen aus. Wie oft war ich unterwegs gefragt worden, ob ich nicht Angst hätte als Frau so ganz allein – weil die Leute annahmen, dass eine allein reisende Frau Freiwild wäre –, und dabei war mir die ganze Zeit eine Gefälligkeit nach der anderen erwiesen worden. Abgesehen von der gruseligen Erfahrung mit dem blonden Typen, der meinen Wasserfilter verstopft hatte, und dem Paar, das mich von dem Campingplatz in Kalifornien vertrieben hatte, konnte ich nur über Großzügigkeit berichten. Die Welt und ihre Bewohner hatten mich überall mit offenen Armen empfangen.
    Wie aufs Stichwort lehnte sich der alte Mann über die Kasse. »Junge Dame, was ich Ihnen noch sagen wollte: Falls Sie noch eine Nacht bleiben und Ihre Sachen trocknen wollen, können Sie für einen Apfel und ein Ei eine von unseren Hütten haben.«
    Mit fragendem Blick wandte ich mich an die drei Draufgänger.
    Innerhalb von fünfzehn Minuten hatten wir die Hütte bezogen und unsere nassen Schlafsäcke an die staubigen Deckenbalken gehängt. Die Hütte bestand aus einem einzigen holzgetäfelten Raum, der fast vollständig von zwei großen Doppelbetten mit vorsintflutlichen Metallrahmen eingenommen wurde, die quietschten, wenn man sich nur dranlehnte.
    Als wir uns häuslich eingerichtet hatten, ging ich durch den Regen zum Laden zurück, um Snacks zu kaufen. Als ich eintrat, stand Lisa am Holzofen. Lisa, die in Portland lebte. Lisa, die mir den ganzen Sommer über meine Versorgungspakete geschickt hatte. Lisa, bei der ich in einer Woche einziehen wollte.
    »Hallo«, schrie sie förmlich, und wir fielen uns um den Hals. »Ich hab gewusst, dass du jetzt hier bist«, sagte sie, als wir uns wieder einigermaßen gefasst hatten. »Wir sind spontan hergefahren, um dich zu besuchen.« Sie drehte sich zu ihrem Freund Jason um, und ich gab ihm die Hand. Ich hatte ihn in den Tagen, bevor ich Portland in Richtung PCT verließ,

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