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Der große Trip: Tausend Meilen durch die Wildnis zu mir selbst (German Edition)

Der große Trip: Tausend Meilen durch die Wildnis zu mir selbst (German Edition)

Titel: Der große Trip: Tausend Meilen durch die Wildnis zu mir selbst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cheryl Strayed
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Erleichterung, dass ich, als ich fertig war, beinahe nach hinten in meinen eigenen warmen Haufen gepurzelt wäre.
    Anschließend humpelte ich umher, sammelte Steine und begrub das Corpus Delicti unter einem Steinhaufen, ehe ich meinen Weg fortsetzte.
    Ich glaubte, mich den Golden Oak Springs zu nähern, aber um sieben Uhr abends waren sie immer noch nicht in Sicht. Es war mir egal. Zu müde, um hungrig zu sein, ließ ich das Abendessen erneut ausfallen und sparte so das Wasser, das ich zur Zubereitung gebraucht hätte. Ich fand eine leidlich ebene Stelle und baute das Zelt auf. Das kleine Thermometer, das seitlich an meinem Rucksack baumelte, zeigte 5,6 Grad Celsius. Ich schälte mich aus den verschwitzten Kleidern und hängte sie zum Trocknen über einen Busch, bevor ich ins Zelt kroch.
    Am andern Morgen musste ich mich in die Kleider hineinzwängen. Sie waren über Nacht gefroren und steif wie ein Brett.
    Ich erreichte die Golden Oak Springs nach ein paar Stunden an meinem dritten Tag. Beim Anblick des viereckigen Betonbeckens stieg meine Stimmung gewaltig, und nicht nur, weil es Wasser enthielt, sondern weil es eindeutig von Menschen gebaut war. Ich tauchte die Hände ins kühle Nass und störte dabei ein paar Insekten, die an der Oberfläche schwammen. Ich packte den Wasserfilter aus, steckte den Ansaugschlauch ins Wasser und pumpte los, so wie ich es in meiner Küchenspüle in Minneapolis geübt hatte. Es war mühsamer, als ich es in Erinnerung hatte, vielleicht weil ich beim Üben immer nur ein paarmal gepumpt hatte. Jetzt schien zum Drücken der Pumpe mehr Muskelkraft erforderlich. Und wenn ich es schaffte, sie zu drücken, flutschte der Ansaugschlauch aus dem Wasser und saugte nur Luft an. Ich pumpte und pumpte, bis ich nicht mehr konnte und eine Verschnaufpause einlegen musste. Dann pumpte ich weiter, bis die beiden Flaschen und der Wassersack voll waren. Ich brauchte fast eine Stunde dazu, aber es musste sein. Bis zu meiner nächsten Wasseraufnahmestelle waren es beängstigende dreißig Kilometer.
    Ich hatte durchaus die Absicht gehabt, an diesem Tag zu wandern, doch stattdessen blieb ich in meinem Campingstuhl neben der Quelle sitzen. Es war endlich warm geworden, und die Sonne schien auf meine nackten Arme und Beine. Ich zog das T-Shirt aus, ließ die Shorts herunter, lag mit geschlossenen Augen da und erhoffte mir von der Sonne Linderung für die Hautpartien am Oberkörper, die ich mir am Rucksack aufgescheuert hatte. Als ich die Augen aufschlug, erspähte ich auf einem Stein neben mir eine kleine Eidechse. Beim Liegestützmachen, wie es aussah.
    »Hallo, Eidechse«, grüßte ich, und sie hörte mit den Liegestützen auf und verharrte einen Moment völlig reglos, ehe sie blitzschnell verschwand.
    Eigentlich hätte ich Zeit gutmachen müssen, denn ich war schon jetzt mit meinem Plan in Verzug, aber ich konnte mich einfach nicht dazu aufraffen, die Golden Oak Springs und die kleine grüne Oase aus Lebenseichen gleich wieder zu verlassen. Zusätzlich zu den wunden Stellen taten mir sämtliche Muskeln und Knochen weh, und meine Füße waren mit einer wachsenden Zahl von Blasen übersät. Ich setzte mich auf die Erde und untersuchte sie, obwohl ich wenig tun konnte, um zu verhindern, dass sie schlimmer wurden. Ich betastete sie vorsichtig und dann weiter oben den etwa vier Zentimeter großen blauen Fleck, der an meinem Knöchel prangte – keine Verletzung, die ich mir auf dem Trail zugezogen hatte, sondern das sichtbare Zeichen einer Dummheit, die ich vor der Wanderung begangen hatte.
    Dieser blaue Fleck war der Grund, warum ich darauf verzichtet hatte, Paul anzurufen, als ich mich in dem Motel in Mojave so einsam gefühlt hatte. Der blaue Fleckstand im Mittelpunkt der Geschichte, die er aus meiner Stimme herausgehört hätte. Ich hatte mir fest vorgenommen, mich in den zwei Tagen, die ich vor dem Flug nach Los Angeles in Portland verbrachte, von Joe fernzuhalten, diesen Vorsatz aber nicht befolgt. Und das Ganze hatte damit geendet, dass wir uns wieder zusammen Heroin spritzten, obwohl ich das Zeug seit seinem Besuch in Minneapolis sechs Monate davor nicht mehr angerührt hatte.
    »Jetzt bin ich dran«, hatte ich ihn in Portland gedrängt, nachdem ich zugesehen hatte, wie er sich einen Schuss setzte. Der PCT erschien mir in diesem Augenblick so weit weg in der Zukunft, obwohl es nur noch zwei Tage bis dahin waren.
    »Gib mir deinen Fuß«, hatte Joe gesagt, als er an meinem Arm keine Vene fand.
    Ich brachte

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