Der große Trip: Tausend Meilen durch die Wildnis zu mir selbst (German Edition)
Tiere rutschte mir das Herz in die Hose, aber keines kam in meine Richtung. Sie hielten nur im Grasen inne, hoben die Köpfe und sahen zu, wie ich vorbeiging und ihnen dabei »brave Kühe, brave Kühe« zurief.
Der Landstrich, durch den die Straße führte, war an manchen Stellen erstaunlich grün, an anderen trocken und felsig, und zweimal kam ich an Traktoren vorbei, die einsam und gespenstisch am Straßenrand parkten. Voller Staunen über die Schönheit und die Stille ging ich weiter, aber am späten Nachmittag beschlich mich ein beklommenes Gefühl.
Ich befand mich auf einer Straße, war aber seit acht Tagen keiner Menschenseele mehr begegnet. Die Zivilisation hatte mich wieder, aber außer den freilaufenden Kühen, den beiden Traktoren und der Straße selbst war nichts von ihr zu sehen. Ich kam mir vor wie in einem Science-Fiction-Film, in dem ich der einzige Mensch auf einem Planeten war. Zum ersten Mal auf dieser Reise war mir nach Weinen zumute. Ich atmete tief durch, um die Tränen zu unterdrücken, nahm den Rucksack ab und stellte ihn auf die Erde. Ein Stück voraus machte die Straße eine Kurve, und ich ging ohne Rucksack hin, um nachzusehen, was hinter der Kurve war.
Was ich sah, war ein gelber Kleinlaster, in dessen Führerhaus drei Männer saßen.
Ein Weißer, ein Schwarzer und ein Latino.
Ich brauchte vielleicht sechzig Sekunden, bis ich bei ihnen war. Sie machten das gleiche Gesicht wie ich beim Anblick den Longhorn-Bullen am Tag zuvor. Als könnten sie jeden Moment »Ein Elch!« brüllen. Meine Erleichterung war riesengroß. Doch während ich auf sie zuging, begann ich plötzlich am ganzen Leib zu zittern, denn ich begriff, dass ich nicht mehr allein auf einem unbewohnten Planeten war. Ich war jetzt in einem Film ganz anderer Art: Ich war eine Frau, die von drei Männern, über deren Absichten, Charakter und Herkunft sie nichts wusste, aus dem Schatten eines gelben Kleinlasters heraus beobachtet wurde.
Ich schilderte ihnen meine Situation durchs offene Fahrerfenster. Sie sagten nichts und glotzten mich nur an, zunächst erschrocken, dann verwundert und schließlich spöttisch, ehe alle drei in Lachen ausbrachen.
»Wissen Sie, wo Sie hier langlaufen, junge Frau?«, fragte der Weiße, als er sich wieder eingekriegt hatte. Ich schüttelte den Kopf. Er und der Schwarze sahen aus wie über sechzig, der Latino war noch ein halber Teenager.
»Sehen Sie den Berg dahinten?«, fragte er und deutete von seinem Platz hinter dem Lenkrad durch die Windschutzscheibe nach vorn. »Wir bereiten gerade seine Sprengung vor.« Er erklärte mir, dass ein Bergbauunternehmen die Rechte an dem Stück Land gekauft habe und dort dekorative Natursteine abbaue, die Leute in ihre Gärten setzten.
»Ich heiße Frank«, sagte er und tippte an die Krempe seines Cowboyhuts. »Und streng genommen sind Sie unbefugt hier eingedrungen, junge Frau, aber das sehen wir Ihnen nach.« Er zwinkerte mich an. »Wir sind nur Bergmänner. Das Land gehört nicht uns, sonst müssten wir Sie erschießen.«
Er lachte erneut, und dann deutete er auf den Latino in der Mitte und stellte ihn mir als Carlos vor.
»Und ich bin Walter«, sagte der Schwarze, der drüben am Beifahrerfenster saß.
Sie waren die ersten Menschen, denen ich begegnete, seit mich die beiden Männer in dem Van aus Colorado vor über einer Woche am Straßenrand abgesetzt hatten. Beim Reden kam mir meine Stimme komisch vor, höher und hektischer, als ich sie in Erinnerung hatte, wie etwas, das ich nicht richtig zu fassen bekam, als sei jedes Wort ein kleiner Vogel, der davonflatterte. Sie forderten mich auf, hinten auf den Laster zu steigen, und Frank fuhr die kurze Strecke um die Kurve herum. Neben meinem Rucksack hielt er an, und alle stiegen aus. Walter hob den Rucksack hoch und war entsetzt über sein Gewicht.
»Ich war in Korea«, sagte er, nachdem er ihn unter beträchtlicher Mühe auf die Ladepritsche gewuchtet hatte. »Da haben wir nie so schwere Rucksäcke getragen. Außer vielleicht ein einziges Mal, aber das war zur Strafe.«
Ohne dass ich viel dazu sagen konnte, wurde kurzerhand beschlossen, dass mich Frank mit zu sich nach Hause nehmen sollte, wo seine Frau mir etwas zu essen machen könnte. Außerdem könnte ich dort duschen und in einem Bett schlafen. Und am nächsten Morgen würde er mich irgendwohin fahren, wo ich den Kocher reparieren lassen konnte.
»Könnten Sie mir das alles noch mal erklären?«, fragte Frank immer wieder, und jedes Mal hörten mir
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