Der große Trip: Tausend Meilen durch die Wildnis zu mir selbst (German Edition)
Tatsache, dass ich lächerlich langsam vorankam, keine einzige Zeile von Ray Jardine kannte und es für sinnvoll gehalten hatte, eine Klappsäge mitzunehmen, irgendwie gar nicht wirklich vom Tehachapi Pass nach Kennedy Meadows gewandert, sondern getragen worden.
Aber ich war hierhergewandert, und ich war nicht gewillt aufzugeben, ohne die High Sierra gesehen zu haben. Auf diesen Abschnitt des Trails hatte ich mich am meisten gefreut, auf die Schönheit seiner unberührten Natur, von der das Autorenquartett von The Pacific Crest Trail, Volume I: California in den höchsten Tönen schwärmte und der John Muir vor hundert Jahren mit seinen Büchern ein Denkmal gesetzt hatte. Der Naturforscher hatte diesen Teil der Bergkette das »Gebirge des Lichts« genannt. Mit ihren Viertausendern, ihren kalten, klaren Seen und tiefen eingeschnittenen Canyons bildete die High Sierra offensichtlich den landschaftlichen Höhepunkt der Tour in Kalifornien. Außerdem hätte ein Überspringen katastrophale logistische Folgen für mich gehabt. Ich wäre einen Monat früher in Ashland gewesen als geplant.
»Ich würde gern weiterwandern, wenn es irgend geht«, sagte ich und wedelte schwungvoll mit der Feder. Meine Füße taten überhaupt nicht mehr weh. Sie waren in dem eisigen Wasser völlig taub geworden.
»Na ja«, sagte Doug, »die nächsten rund sechzig Kilometer sind relativ locker, bevor es richtig hart wird – von hier bis rauf zum Trail Pass. Dort oben kreuzt ein anderer Pfad den PCT und führt dann talwärts zu einem Campingplatz. Bis dahin könnten wir es zumindest versuchen. Dann werden wir ja sehen, wie es läuft – und wie viel Schnee da oben liegt. Und können aussteigen, wenn wir wollen.«
»Was halten Sie davon, Greg?«, fragte ich. Was er tun würde, würde auch ich tun.
Er nickte. »Ich finde den Vorschlag gut.«
»Dann werde ich es so machen«, sagte ich. »Ich bin gerüstet. Ich habe jetzt meinen Eispickel.«
Greg sah mich an. »Können Sie auch damit umgehen?«
Am nächsten Morgen gab er mir Unterricht.
»Das ist der Schaft«, sagte er und fuhr an dem Pickel entlang. »Und das ist die Spitze«, fügte er hinzu und legte einen Finger auf das scharfe Ende. »Und auf der anderen Seite ist der Kopf.«
Schaft? Kopf? Spitze? Ich versuchte, nicht zu kichern wie eine Achtklässlerin im Sexualkundeunterricht, aber es gelang mir nicht.
»Was ist?«, fragte Greg, die Hand fest um den Schaft des Pickels, aber ich schüttelte nur den Kopf. »Der Kopf hat zwei Teile«, fuhr er fort. »Der breitere ist die Schaufel. Damit kann man Trittstufen ins Eis schlagen. Das andere ist die Haue. Damit rettet man seinen Arsch, wenn man von einem Berghang rutscht.« Er sprach in einem Ton, als wüsste ich das bereits und als wiederhole er nur die Grundlagen, bevor wir richtig anfingen.
»Alles klar. Der Schaft, der Kopf, die Spitze, die Schaufel, der Hauer«, sagte ich.
»Die Haue«, korrigierte er. Wir standen auf einer steilen Böschung am Fluss, die von allem, was wir gefunden hatten, einem vereisten Berghang am nächsten kam. »Nehmen wir an, Sie stürzen«, sagte Greg und warf sich auf die Böschung, um es mir zu demonstrieren. Im Fallen rammte er den Pickel in den Dreck. »Sie müssen den Pickel so fest wie möglich hineintreiben und sich dann mit der einen Hand am Schaft und mit der anderen am Kopf festhalten. So wie ich jetzt. Und sobald Sie gesichert sind, versuchen Sie, mit den Füßen Halt zu finden.«
Ich sah ihn an. »Was ist, wenn man mit den Füßen keinen Halt findet?«
»Na, dann halten Sie sich weiter hier fest«, antwortete er und bewegte die Hände am Pickel.
»Was ist, wenn ich mich nicht so lange festhalten kann? Ich meine, ich habe meinen Rucksack auf und alles, und ich schaff nicht mal einen einzigen Klimmzug.«
»Sie halten sich fest«, sagte er nüchtern. »Sonst rutschen Sie den Berg runter.«
Ich ging ans Werk. Wieder und wieder warf ich mich auf die Böschung, die mit der Zeit immer schlammiger wurde, tat so, als käme ich auf Eis ins Rutschen, und rammte die Haue in den Boden, während Greg zusah, mir Tipps gab und meine Technik kritisierte.
Doug und Tom saßen in der Nähe und taten so, als schenkten sie uns keinerlei Beachtung. Albert und Matt lagen auf einer Matte, die wir im Schatten eines Baumes neben Eds Pick-up für sie ausgebreitet hatten, denn es ging ihnen schlecht, so schlecht, dass sie im Viertelstundentakt aufs Plumpsklo mussten. Beide waren mitten in der Nacht vor Übelkeit
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