Der große Trip: Tausend Meilen durch die Wildnis zu mir selbst (German Edition)
Versorgungspaket gepackt. »Die haben mich gerettet«, erklärte ich. »Ich weiß nicht, ob ich ohne die weitergekonnt hätte.«
Tom sah mich nur verzweifelt an und nickte, ohne darauf einzugehen.
»Du kannst sie gern haben, wenn du willst«, sagte ich. Ihre durchsichtige blaue Verpackung erinnerte mich an das Kondom in meiner Gesäßtasche. Ich fragte mich, ob auch Tom welche eingepackt hatte. Oder Doug. Und ob es tatsächlich eine so blöde Idee von mir gewesen war, welche mitzunehmen. In Gegenwart der beiden kam sie mir nicht mehr ganz so blöde vor.
»Wir haben uns gedacht, wir gehen alle zusammen um sechs ins Grumpie’s«, sagte Ed und schaute auf seine Uhr. »Das sind noch ein paar Stunden hin. Wir fahren in meinem Pick-up.« Er blickte zu Tom und Doug. »Aber vorher würde ich euch Jungs gern noch einen Imbiss machen.«
Die Männer setzten sich an den Picknicktisch, futterten Eds Kartoffelchips und kalte Baked Beans und fachsimpelten darüber, warum sie sich für welchen Rucksack entschieden hatten und worin seine Vor- und Nachteile bestanden. Jemand zückte ein Kartenspiel, und dann wurde gepokert. Am anderen Ende des Tischs blätterte Greg in seinem Wanderführer. Ich stand neben ihm, immer noch verblüfft über die wundersame Wandlung meines Rucksacks. In vorher prallvollen Taschen war jetzt sogar etwas Platz.
»Jetzt sind Sie praktisch ein Jardi-Nazi«, sagte Albert verschmitzt, als er bemerkte, wie ich meinen Rucksack anstarrte. »So nennt man die Anhänger von Ray Jardine, falls Sie das nicht wissen. Die sind ganz eigen, was das Rucksackgewicht angeht.«
»Das ist der Mann, von dem ich Ihnen erzählt habe«, fügte Greg hinzu.
Ich nickte cool, um meine Unwissenheit zu verbergen. »Ich mache mich fürs Abendessen fertig«, sagte ich und schlenderte zum Rand des Campingplatzes. Ich schlug mein Zelt auf, kroch hinein, breitete den Schlafsack aus, legte mich darauf, starrte an die grüne Nylondecke und lauschte dem Gemurmel der Männer und ihrem gelegentlichen Gelächter. Ich sollte mit sechs Männern in ein Restaurant gehen und hatte nichts anzuziehen bis auf das, was ich bereits trug, dachte ich niedergeschlagen: ein T-Shirt über einem Sport-BH und Shorts mit nichts darunter. Da fiel mir ein, dass mein Versorgungspaket ein frisches T-Shirt enthielt. Ich setzte mich auf und zog es an. Der gesamte Rücken des Shirts, das ich seit Mojave getragen hatte, war von dem Dauerschwitzbad auf dem Trail voller braungrüner Flecken. Ich knüllte es zusammen und stopfte es in eine Zeltecke, um es später im Laden in den Müll zu werfen. Alles, was ich sonst noch zum Anziehen dabeihatte, war für kalte Witterung gedacht. Ich erinnerte mich an die Halskette, die ich getragen hatte, bis es mir so heiß wurde, dass ich sie nicht mehr anbehalten konnte. Ich nahm sie aus der Ziplock-Tüte, in der ich auch meinen Führerschein und mein Geld aufbewahrte, und legte sie um. Sie bestand aus einem kleinen, in Silber gefassten Türkis-Ohrhänger, der meiner Mutter gehört hatte. Da mir der andere abhandengekommen war, hatte ich den verbliebenen mit Hilfe einer Flachzange in einen Anhänger umgebogen und an einer feinen Silberkette befestigt. Ich hatte sie mitgenommen, weil sie für mich ein kostbares Erinnerungsstück war. Aber jetzt war ich einfach nur froh, sie zu haben, weil ich mir damit hübscher vorkam. Ich fuhr mir mit den Fingern durch die Haare, versuchte, sie unter Zuhilfenahme meines kleinen Kamms in eine ansehnliche Form zu bringen, gab es aber schließlich auf und klemmte sie mir hinter die Ohren.
Ebenso gut konnte ich mir erlauben, einfach so auszusehen, so zu riechen und mich so zu fühlen, wie ich es tat. Schließlich war ich, wie es Ed nicht ganz korrekt ausgedrückt hatte, das einzige Mädchen in den Wäldern, allein unter Männern. Und ich sah mich hier draußen auf dem Trail gezwungen, die Männer, denen ich begegnete, sexuell zu »neutralisieren«, indem ich, soweit das möglich war, einer von ihnen wurde.
Das war nie meine Art gewesen. Ich war mit Männern nie so umgegangen, als wäre ich einer von ihnen. Und als ich in meinem Zelt saß und hörte, wie die Männer draußen Karten spielten, spürte ich, dass mir das schwerfallen würde. Schließlich hatte ich mich auf die Macht, die mir das Frausein verlieh, stets verlassen. Der Gedanke, auf diese Macht zu verzichten, bereitete mir Unbehagen. Wenn ich einer von den Jungs wurde, konnte ich nicht mehr die Frau sein, die ich unter Männern zu sein
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