Der große Trip: Tausend Meilen durch die Wildnis zu mir selbst (German Edition)
Meadows zurückkehren. Die Idee erschien mir gar nicht so schlecht. Andererseits – wo ich nun schon mal hier war.
Mist, dachte ich. Verdammter Mist. Ich holte den Eispickel heraus und betrachtete den Schnee, als wollte ich mir im Kopf eine Route abstecken. Doch in Wahrheit stand ich nur minutenlang da und nahm meinen Mut zusammen. An den Spuren und Löchern im Schnee konnte ich erkennen, dass Doug und Tom hinübergekommen waren. Ich hielt den Pickel so, wie Greg es mir beigebracht hatte, und trat in eines der Löcher. Ihr Vorhandensein machte mir die Sache zugleich schwerer und leichter. Ich brauchte zwar keine eigenen Stufen zu hacken, aber die der Männer waren ungeschickt gesetzt und rutschig und manchmal so tief, dass ich mit dem Stiefel darin hängen blieb, das Gleichgewicht verlor und stürzte, wobei mit der unhandliche Eispickel mehr eine Last als eine Hilfe war. Abbremsen, dachte ich immer wieder und rief mir ins Gedächtnis, was ich mit dem Pickel zu tun hatte, falls ich ins Rutschen geriet. Der Schnee war anders als der Schnee in Minnesota. An manchen Stellen war er so verharscht und fest, dass ich mich an den harten Eisbelag in einem Kühlschrank erinnert fühlte, der abgetaut werden muss. An anderen Stellen gab er nach und war matschiger, als es zunächst den Anschein hatte.
Ich blickte kein einziges Mal zu den Felsen in der Tiefe, bis ich auf dem schlammigen Pfad jenseits des Schneefelds stand, zitternd, aber erleichtert. Ich wusste, dass das nur ein kleiner Vorgeschmack auf das Kommende war. Falls ich beschloss, am Trail Pass weiterzuwandern, würde ich bald den Forester Pass erreichen, den mit 4011 Metern höchsten Punkt des PCT. Und falls ich beim Überqueren des Passes nicht einen Hang hinunterrutschte, würde ich wochenlang nur durch Schnee stapfen. Und dieser Schnee war mit Sicherheit viel tückischer als der, den ich eben durchquert hatte und der mir, obwohl nur ein Klacks, deutlich vor Augen geführt hatte, was mich erwartete. Nein, mir blieb nichts anderes übrig, als diesen Abschnitt zu umgehen.Ich war nicht einmal für eine PCT-Wanderung in einem normalen Jahr richtig vorbereitet, geschweige denn in einem Jahr, in dem doppelt oder dreimal so viel Schnee lag wie im Vorjahr. Seit 1983 hatte es keinen so schneereichen Winter mehr gegeben, und auch in den folgenden zwölf Jahren sollte keiner an ihn heranreichen.
Außerdem galt es nicht nur den Schnee zu bedenken. Hinzu kamen andere erschwerende Faktoren, die mit dem Schnee zusammenhingen: die gefährlich angeschwollenen Flüsse und Bäche, die durchquert werden mussten, die Kälte und das damit verbundene Risiko der Unterkühlung, die Notwendigkeit, auf einer längeren Strecke ausschließlich nach Karte und Kompass zu wandern, da der Pfad unter Schnee begraben war – und dies alles wog umso schwerer, als ich allein war. Ich hatte nicht die erforderliche Ausrüstung. Ich besaß weder die Kenntnisse noch die Erfahrung, die man dafür brauchte. Und da ich allein war, durfte ich mir nicht den kleinsten Fehler erlauben. Wenn ich dem Beispiel der meisten anderen PCT-Wanderer folgte und hier ausstieg, verpasste ich zwar den schönsten Teil, die High Sierra. Aber wenn ich es nicht tat, setzte ich mein Leben aufs Spiel.
»Am Trail Pass steige ich aus«, sagte ich zu Doug und Tom, als wir an diesem Abend zusammen aßen. Ich war den ganzen Tag allein gewandert, hatte zum zweiten Mal über vierundzwanzig Kilometer geschafft und war wieder zu ihnen gestoßen, als sie gerade ihr Lager aufschlugen. »Ich werde nach Sierra City hinauffahren und dort auf den Trail zurückkehren.«
»Wir haben beschlossen weiterzumachen«, sagte Doug.
»Wir haben darüber gesprochen und finden, du solltest dich uns anschließen«, sagte Tom.
»Mich euch anschließen?«, fragte ich und spähte aus dem Tunnel meiner dunklen Fleece-Kapuze. Ich trug alles, was ich an Kleidern dabeihatte, am Leib, denn die Temperatur war nahe dem Gefrierpunkt. An sonnengeschützten Stellen um uns herum lag Schnee unter den Bäumen.
»Allein zu gehen ist zu gefährlich«, sagte Doug.
»Von uns beiden würde keiner allein gehen«, setzte Tom hinzu.
»Aber im Schnee ist es so oder so gefährlich, ob nun allein oder zusammen«, sagte ich.
»Wir möchten es versuchen«, sagte Tom.
»Ich danke euch«, sagte ich. »Euer Angebot rührt mich, aber ich kann nicht.«
»Warum denn nicht?«, fragte Doug.
»Ich muss die Wanderung allein machen, das ist für mich ja gerade der springende
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