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Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Zweite Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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ein Vordach oder ein offener Schuppen ist, denn weiter kann ich nicht mehr, so befehlen Sie großmütig, daß man mich dort ruhen läßt und tut, als ob ich gar nicht da wäre, und am Morgen werde ich dankbar wieder verschwunden sein!«
    »Sie sollen ein besseres Quartier haben, kommen Sie jetzt mit mir, ich will es vorläufig über mich nehmen, bis mein Vater erscheint, der bald von seiner Jagdpartie zurückkehren wird.«
    Obschon ich vor kalter Nässe schlotterte, seit ich dastand, zögerte ich doch, ihr zu folgen. Als das Fräulein mich wartend ansah, bat ich um Entschuldigung, ich sei trotz meiner wunderlichen Lage kein Bettler, und ihr Anerbieten kreuze meinen Plan, ohne fremde Hilfe nach Hause zu gelangen.
    »Sie sind aber ja ganz durchnäßt und frieren wie ein Pudel, mein stolzer Herr! Wenn Sie im Freien bleiben, so können Sie bis zum Morgen das schönste Fieber haben und sind dann erst recht verhindert, ohne Hilfe und Pflege weiterzukommen. Sie sollen sich vorderhand auch nur in einem Gartenhause aufhalten, wo ich den Tag zugebracht habe und ein warmes Feuer brennt. So sperren Sie sich denn nicht länger, damit wir Sie nach Ihrem Wunsche am sichersten und aufs bäldeste wieder loswerden! Und Ihr, Küster, folgt uns als dienstbare Begleitung, zur Strafe dafür, daß Ihr diesen frommen Pilgrim so ungastlich behandelt habt!«
    »Und was würde man mir sagen, gnädigstes Fräulein«, brummte der Küster ganz unwirsch, »was würde man mit mir anfangen, wenn ich nachts die Kirche offenließe oder einen Fremden darin einschlösse? Hat man noch nie von nächtlichem Kirchenraub gehört? Wurden noch keine Leuchter, Kelche und Patenen gestohlen?«
    Hier mußte ich lachen und sagte: »Haltet Ihr mich für einen Shakespeareschen Bardolph, der in Frankreich wegen der gestohlenen Monstranz gehängt wurde?«
    »Nachdem er schon in England einen Lautenkasten entwendet, zwölf Stunden weit getragen und für drei Kreuzer verkauft hatte?« fügte das vortreffliche Frauenzimmer bei, indem sie mit einem hellen Antwortlachen mich anblickte. Da versetzte ich meinerseits: »Wenn Sie im Gebrauche gemeinschädlicher Zitate so schlagfertig sind, darf ich es doch wagen, Ihnen zu folgen; denn wir gehören ja einem öffentlichen Geheimorden an, der sein Dasein billig durch gegenseitiges Wohltun nützlich machen mag.«
    »Sehen Sie, so hat alles in der Welt seine gute Seite!« sagte sie und schritt vorwärts; ich ging mit, und der Küster folgte uns verblüfft und mißtrauisch durch den dunklen Park. Bald leuchteten durch die Bäume die erhellten Fenster eines geräumigen Gartenhauses, das in einiger Entfernung vom Wohngebäude stehen mochte. Wir traten in einen kleinen Saal, der nur durch eine Glastüre vom Parke getrennt war; ein schönes Feuer brannte im Kamin, die Dame rückte einen Lehnstuhl von Rohrgeflecht herbei und forderte mich auf, nunmehr auszuruhen. Ohne Säumen setzte ich mich in den Stuhl, fand mich aber durch meine unförmige Reisetasche einigermaßen belästigt.
    »So legen Sie doch die Tasche ab!« sagte die Herrschaftstochter, »oder tragen Sie wirklich einen gestohlenen Lautenkasten darin herum, weil Sie sich nicht davon trennen können?«
    »Es ist so was!« meinte ich dagegen, entledigte mich aber des von dem Schädel geschwollenen Umhängsels, welches der Küster auf einen Wink des Fräuleins mir abnahm und in einen Winkel lehnte. Mit der Fußspitze befühlte er dabei fast unmerklich die rundliche Erhöhung, ob nicht wenigstens eine geraubte Melone dahinterstecke, da er aus dem Lautenkasten nicht klug wurde.
    Das Fräulein, das inzwischen sich zu schaffen gemacht, kam jetzt wieder, stellte sich vor mich hin und frug mitleidig: »Wie heißen Sie denn? Oder wollen Sie ganz inkognito reisen?«
    »Heinrich Lee«, sagte ich.
    »Herr Lee, geht es Ihnen durchaus schlecht? Ich habe keinen rechten Begriff davon. Sie sind doch am Ende nicht so arm, daß Sie auch nichts zu essen haben?«
    »Es hat nichts zu bedeuten, aber im Augenblicke ist es allerdings so; denn wenn ich mehr als einmal im Tag esse, so reicht meine Kriegskasse nicht aus, bis ich nach Hause komme.«
    »Aber warum tun Sie das? Wie kann man sich so der Not aussetzen?«
    »Nun, mit Absicht habe ich es gerade nicht getan; da es aber einmal so ist, so nehm ich es sogar dankbar hin, insoweit der Zwang einen Dank verdient.
    Man lernt an allem etwas. Für Frauen sind dergleichen Übungen nicht notwendig, da sie immer nur tun, was sie nicht lassen können; für

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