Der Grüne Strahl
Arago, Humphry Davy, Edison, die
Humboldts, Virchow, Pasteur, Siemens und andere. Hierauf
erging er sich in der Erklärung verschiedener Naturerschei-
nungen und schwatzte von omni re scibili – Miss Campbell
freilich erwähnte er mit keinem Wort.
Die Brüder Melvill hörten andächtig zu – um so bereit-
williger, als sie unfähig gewesen wären, zwischen diesen in
einem Streifen deklamierten Monolog, den Aristobulos Ur-
siclos mit den nötigen »Ähs!« und »Ähems!« spickte und
verzierte, ein Wörtchen einzuschieben.
So gelangten sie bis etwa 100 Schritte vor das Caledo-
nian-Hotel und blieben einen Augenblick stehen, um von-
einander Abschied zu nehmen.
Da zeigte sich eine jugendliche Erscheinung am Fenster
ihres Zimmers. Sie schien eifrig beschäftigt, wenn nicht gar
ganz außer Fassung zu sein. Sie blickte gerade hinaus, nach
links und nach rechts und suchte offenbar einen Horizont,
den sie nicht finden konnte.
Plötzlich bemerkte Miss Campbell – denn sie war es –
ihre Onkel. Sofort flog das Fenster klirrend zu und wenige
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Augenblicke später kam das junge Mädchen, die Arme halb
gekreuzt, das Gesicht sehr ernst, die Stirn voll gewitterdro-
hender Vorwürfe, an den Strand hinab.
Die Brüder Melvill sahen einander an. Was mochte He-
lena fehlen? War es nur die Anwesenheit Aristobulos Ursic-
los’, welche diese Symptome außerordentlicher Aufregung
hervorrief ?
Inzwischen trat der junge Gelehrte einen Schritt vor und
begrüßte Miss Campbell mechanisch.
»Mr. Aristobulos Ursiclos«, sagte Bruder Sam, indem er
den Gelehrten mit einiger Förmlichkeit vorstellte.
»Der sich rein infolge eines glücklichen Zufalls . . . gerade
in Oban aufhält«, fügte Bruder Sib hinzu.
»Ah . . . Mr. Ursiclos!«
Miss Campbell ließ sich kaum herab, den Gruß zu erwi-
dern. Dann wendete sie sich gleich an die höchst verlegenen
Brüder Melvill, die gar nicht wußten, woran sie waren.
»Meine Onkel?« sagte sie sehr ernst.
»Liebe Helena«, antworteten die beiden Onkel mit sicht-
lich unruhiger Stimme.
»Wir sind doch wohl in Oban?« fragte sie.
»In Oban . . . ganz gewiß.«
»Am Hebridenmeer?«
»Sicherlich.«
»Nun gut, in 1 Stunde werden wir nicht mehr hier sein!«
»In 1 Stunde?«
»Hatte ich nicht als Hauptsache einen freien Horizont
verlangt?«
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»Das bestreitet niemand, liebe Tochter . . .«
»Wollt Ihr vielleicht die Güte haben, mir zu zeigen, wo
er sich findet?«
Verdutzt drehten sich die Brüder Melvill nach allen Sei-
ten um. Geradeaus, aber ebenso nach Südwesten, wie nach
Nordosten, zeigte sich zwischen den vorgelagerten Inseln
kein freier Raum, wo Himmel und Wasser hätten zusam-
mentreffen können. Seil, Kerrera und Kismore bildeten eine
ununterbrochene Brücke von einem Land zum andern. Man
mußte wohl oder übel zugeben, daß der verlangte und ver-
sprochene Horizont in Oban fehlte.
Die beiden Brüder hatten darauf bei ihrer Promenade
längs des Strands gar nicht geachtet. So machte sich ihre
Verwunderung in den zwei echt schottischen Ausrufen
Luft, die eine gewaltige Enttäuschung vermischt mit etwas
übler Laune bezeichnen, indem der eine
»Puh!« ausrief, und der andere mit
»Pah!« antwortete.
8. KAPITEL
Ein Wölkchen am Horizont
Jetzt war einer Erklärung nicht auszuweichen; da Aristobu-
los Ursiclos aber damit nichts zu tun hatte, grüßte ihn Miss
Campbell kühl und wandte sich nach dem Caledonian-Ho-
tel zurück.
Aristobulos Ursiclos hatte den Gruß des jungen Mäd-
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chens nicht weniger kühl erwidert. Offenbar hatte die Er-
fahrung, seine gelehrte Persönlichkeit mit einem Grünen
Strahl gleichwertig angesetzt zu sehen, auf ihn wie eine
kalte Dusche gewirkt, und so schlug er, unverständliche
Worte vor sich hinmurmelnd, den Weg am Strand entlang
wieder ein.
Die Brüder Sam und Sib fühlten sich in ihrer Haut auch
nicht besonders wohl. In ihren reservierten Salon eingetre-
ten, erwarteten sie mit gesenkten Ohren, daß Miss Camp-
bell das Wort ergriff.
Die Erklärung fiel ziemlich kurz, aber desto deutlicher
aus. Sie waren nach Oban gekommen, um einen freien Mee-
reshorizont zu sehen; den sah man hier aber nicht oder
doch nur so wenig, daß es sich nicht der Mühe lohnte, da-
von zu reden.
Die beiden Onkel konnten sich nur damit entschuldigen,
daß sie in gutem Glauben gehandelt hätten. Sie kannten
Oban vorher selbst noch nicht. Wer hätte geahnt, daß das
Meer, das freie
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