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Der Grüne Strahl

Der Grüne Strahl

Titel: Der Grüne Strahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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etwas
    von dem eines Affen verlieh. Wäre er einer gewesen, hätte
    man ihn einen hübschen Affen nennen und vielleicht als
    den bezeichnen können, der in der Stufenleiter der Darwi-
    nisten noch fehlt, um als Verknüpfung des Tiergeschlechts
    mit der Menschheit zu dienen.
    Aristobulos Ursiclos war reich an Gut und Geld, aber
    noch reicher an Ideen. Viel zu kultiviert für einen jungen
    Gelehrten, der oft nichts anderes weiß, als jedermann mit
    seiner allumfassenden Weisheit zu langweilen, graduiert
    auf den Universitäten Oxford und Edinburgh, vereinte er in
    sich mehr Kenntnisse der Physik, Chemie, Astronomie und
    Mathematik als solche der Literatur. Im Grunde ziemlich
    anspruchsvoll, fehlte ihm oft nicht sehr viel zum vollstän-
    digen Narren. Seine Hauptmanie oder seine Monomanie,
    wie man eben will, war es, zur ungeschicktesten Zeit und
    am unpassendsten Ort Aufklärung über alles zu geben, was
    in irgendeinem Zusammenhang mit der Naturgeschichte
    stand; mit einem Wort, er war Pedant mit manchmal recht
    unliebenswürdigen Eigenschaften. Man lachte nicht gerade
    direkt über ihn, weil er selbst nicht lachensfähig war, viel-
    leicht aber hinter seinem Rücken, weil dieser Mangel eben
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    lächerlich erschien. Niemand wäre weniger würdig gewesen
    als dieser junge Mann, eigentlich gefälschte junge Mann,
    sich die Devise der englischen Freimaurer: Audi, vide, tace!
    (Höre, sieh und schweige) zuzulegen. Er hörte nicht, er sah
    nicht und er schwieg niemals. Um einen Vergleich zu ge-
    brauchen, der im Land Walter Scotts ganz angebracht er-
    scheint, erinnerte Aristobulos Ursiclos mit seinem positi-
    ven Industrialismus mehr an den Landrichter Nicol Jarvie,
    als an dessen poetischen Vetter Rob Roy MacGregor.
    Welche Tochter der Hochlande, Miss Campbell nicht
    ausgenommen, hätte aber Rob Roy nicht Nicol Jarvie vor-
    gezogen.
    So war Aristobulos Ursiclos. Wie hatten die Brüder Mel-
    vill nur auf diesen Pedanten verfallen können, um ihn gar
    zu ihrem gesetzmäßigen Neffen zu erhöhen? Wie konnte
    er überhaupt den würdigen Sechzigern Gefallen einflößen?
    Vielleicht einzig und allein dadurch, daß er als der erste mit
    einem Vorschlag dieser Art bezüglich ihrer Nichte aufgetre-
    ten war. In einer Art naiver Entzückung hatten sich die Brü-
    der Sam und Sib ohne Zweifel gesagt:
    »Das ist ein reicher junger Mann aus guter Familie, der
    über das Vermögen, das sich durch Erbschaft von Eltern und
    Anverwandten auf seinem Haupt angehäuft hat, frei verfü-
    gen kann, und der sich nebenbei durch einen gleich gro-
    ßen Reichtum an Kenntnissen auszeichnet. Das wäre eine
    prächtige Partie für unsere liebe Helena! Die Heirat wird
    sich ganz allein machen; sie muß ja alle passenden Verhält-
    nisse darbieten, weil sie – uns passend vorkommt.«
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    Sie hielten sich selbst auch für ganz besonders pfiffig,
    Miss Campbell – dank deren eigentümlicher Schrulle, be-
    treffend den Grünen Strahl – nach Oban gelockt zu haben.
    Hier würde sie, ohne daß die Sache vorbereitet erschien,
    wieder mit Aristobulos Ursiclos zufällig Begegnungen ha-
    ben, die seit dessen Abwesenheit unterbrochen worden wa-
    ren.Jetzt hatten die Brüder Melvill nebst Miss Campbell
    das Cottage Helensburgh gegen die schönsten Zimmer des
    Caledonian-Hotels vertauscht. Falls sich ihr Aufenthalt in
    Oban länger hinzog, empfahl es sich vielleicht, eine Villa
    auf den die Stadt beherrschenden Anhöhen zu mieten; in-
    zwischen sahen sich aber alle mit Hilfe von Mrs. Bess und
    des treuen Patridge höchst bequem und wohnlich in dem
    Etablissement von Master MacFyne untergebracht. Weitere
    Entscheidungen blieben vorbehalten.
    So traten denn die Brüder Melvill gegen 9 Uhr des Mor-
    gens, am Tag nach ihrer Ankunft, aus dem Vestibül des am
    Strand, fast genau gegenüber dem Pfahldamm am Hafen
    gelegenen Caledonian-Hotels. Miss Campbell ruhte noch
    in ihrem Zimmer der ersten Etage, ohne die leiseste Ah-
    nung davon, daß ihre Onkel nur ausgingen, um Aristobulos
    Ursiclos aufzusuchen.
    Die beiden Unzertrennlichen begaben sich hinunter
    zum Strand und schlugen, informiert darüber, daß ihr ›Prä-
    tendent‹ in einem der am Nordende der Bai erbauten Ho-
    tels wohne, die Richtung nach jenen Gebäuden ein.
    Man muß zugeben, daß sie sich von einem gewissen
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    Vorgefühl leiten ließen. In der Tat begegnete ihnen, kaum
    10 Minuten nach ihrem Aufbruch von Zuhause, Mr. Aris-
    tobulos Ursiclos, der jeden Morgen seine

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