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Der Grüne Strahl

Der Grüne Strahl

Titel: Der Grüne Strahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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. . .«
    »Ich stimme Ihnen vollkommen zu, meine Herren, sagte
    Aristobulos Ursiclos. »Hier auf neutralem Boden werden
    Miss Campbell und ich beste Gelegenheit finden, miteinan-
    der plaudern zu können, zum Beispiel über die Bewegun-
    gen des Meeres, über die Richtung der Winde, die Höhe der
    Wellen, die Wechsel der Gezeiten und andere physikalische
    Phänomene, die sie ja in hohem Grad interessieren müs-
    sen.«
    Nachdem die Brüder Melvill ein Lächeln der Befriedi-
    gung ausgetauscht hatten, verneigten sie sich als Zeichen
    der Zustimmung und fügten hinzu, daß sie bei ihrer Rück-
    kehr nach dem Cottage Helensburgh sehr glücklich sein
    würden, ihren liebenswürdigen Gast unter einem anderen
    Titel begrüßen zu können.
    Aristobulos Ursiclos antwortete, daß das noch mehr auf
    seiner Seite sein werde und um so besser passe, als die Re-
    gierung gerade jetzt im Clyde ausgedehnte Baggerarbeiten
    zwischen Helensburgh und Greenock vornehmen lasse, bei
    denen man sich des elektrischen Lichts zu bedienen ge-
    denke, und wobei auch neue elektrische Maschinen auspro-
    biert werden sollten.
    Befand er sich dann erst im Cottage, werde er deren An-
    — 91 —
    wendungsweise bequem beobachten und ihren Nutzeffekt
    berechnen können.
    Die Brüder Melvill konnten nur anerkennen, daß dieses
    Zusammentreffen von Umständen ihren Projekten beson-
    ders günstig war. Während der Mußestunden im Cottage
    würde der junge Gelehrte den verschiedenen Phasen der
    hochgelehrten, interessanten Arbeiten ohne Beschwerde
    folgen können.
    »Sie haben aber doch«, fragte Aristobulos Ursiclos, »ei-
    nen Vorwand gebraucht, hierher zu gehen, denn Miss
    Campbell erwartet jedenfalls nicht, mich hier in Oban zu
    treffen?«
    »Ja freilich«, antwortete Bruder Sib, »und diesen Vor-
    wand hat uns Miss Campbell sogar selbst geliefert.«
    »Ach, sieh da«, rief der junge Gelehrte, »und welcher ist
    es?«»Es handelt sich ihr um die Beobachtung einer physika-
    lischen Erscheinung, für die in Helensburgh die Vorbedin-
    gungen nicht gegeben sind.«
    »Wahrhaftig, meine Herren«, platzte Aristobulos Ursic-
    los heraus, indem er seine Brille zurechtschob, »das beweist
    ja schon, daß zwischen Miss Campbell und mir eine gewisse
    sympathische Verwandtschaft herrscht! Darf ich erfahren,
    welches Phänomen es ist, das in Helensburgh nicht studiert
    werden konnte?«
    »Dieses Phänomen ist ganz einfach der Grüne Strahl«,
    belehrte ihn Bruder Sam.
    »Der Grüne Strahl?« rief Aristobulos Ursiclos erstaunt,
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    »von dem habe ich ja noch nie etwas gehört! Erlauben Sie
    mir da weiter zu fragen, was es mit diesem Grünen Strahl
    für eine Bewandtnis hat?«
    Die Brüder Melvill erklärten so gut sie konnten die Er-
    scheinung, welche die ›Morning Post‹ unlängst der Auf-
    merksamkeit der Leser empfohlen hatte.
    »Pah«, machte Aristobulos Ursiclos, »das ist nur eine
    simple Kuriosität ohne großes Interesse, die schon mehr
    zu dem etwas kindischen Gebiet der unterhaltenden Phy-
    sik gehört.«
    »Miss Campbell ist ja ein junges Mädchen«, entschul-
    digte sie Bruder Sib, »und sie scheint diesem Phänomen
    eine unzweifelhaft weit übertriebene Bedeutung beizule-
    gen . . .«
    »Denn sie will sich nicht verheiraten, hat sie gesagt, be-
    vor sie es nicht beobachtet hat«, fügte Bruder Sam hinzu.
    »Nun gut, meine Herren«, prahlte Aristobulos Ursiclos,
    »wir werden ihr ihn zeigen, ihren Grünen Strahl!«
    Hierauf begaben sich alle drei längs eines durch Wiesen
    in der Nähe des Strands verlaufenden Wegs zum Caledo-
    nian-Hotel zurück.
    Aristobulos Ursiclos konnte sich die Gelegenheit nicht
    entgehen lassen, den Brüdern Melvill darzulegen, wie der
    Geist der Frauen doch immer an Kleinigkeiten hänge, und
    er legte dabei in großen Zügen alles dar, was notwendig sei,
    um das Niveau ihrer ganz falsch aufgefaßten Erziehung zu
    heben, obwohl er gewiß nicht glaubte, daß deren, gegen-
    über dem des Mannes mit weniger Gehirnsubstanz aus-
    — 93 —
    gestattetes Gehirn, dessen Faseranordnung außerdem eine
    andere sei, sie jemals zu wirklich hohen Spekulationen ge-
    eignet erscheinen lassen werde. Aber ohne so weit zu ge-
    hen, könne man doch vielleicht dahin gelangen, es durch
    speziell berechnete Erziehung, respektive Training zu ver-
    vollkommnen, wiewohl, so lange die Welt besteht, sich noch
    keine Frau durch derartige Entdeckungen ausgezeichnet
    hat wie etwa Aristoteles, Euklid, Hervey, Hahnemann, Pas-
    cal, Newton, Laplace,

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