Der Grüne Strahl
. . .«
»Ich stimme Ihnen vollkommen zu, meine Herren, sagte
Aristobulos Ursiclos. »Hier auf neutralem Boden werden
Miss Campbell und ich beste Gelegenheit finden, miteinan-
der plaudern zu können, zum Beispiel über die Bewegun-
gen des Meeres, über die Richtung der Winde, die Höhe der
Wellen, die Wechsel der Gezeiten und andere physikalische
Phänomene, die sie ja in hohem Grad interessieren müs-
sen.«
Nachdem die Brüder Melvill ein Lächeln der Befriedi-
gung ausgetauscht hatten, verneigten sie sich als Zeichen
der Zustimmung und fügten hinzu, daß sie bei ihrer Rück-
kehr nach dem Cottage Helensburgh sehr glücklich sein
würden, ihren liebenswürdigen Gast unter einem anderen
Titel begrüßen zu können.
Aristobulos Ursiclos antwortete, daß das noch mehr auf
seiner Seite sein werde und um so besser passe, als die Re-
gierung gerade jetzt im Clyde ausgedehnte Baggerarbeiten
zwischen Helensburgh und Greenock vornehmen lasse, bei
denen man sich des elektrischen Lichts zu bedienen ge-
denke, und wobei auch neue elektrische Maschinen auspro-
biert werden sollten.
Befand er sich dann erst im Cottage, werde er deren An-
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wendungsweise bequem beobachten und ihren Nutzeffekt
berechnen können.
Die Brüder Melvill konnten nur anerkennen, daß dieses
Zusammentreffen von Umständen ihren Projekten beson-
ders günstig war. Während der Mußestunden im Cottage
würde der junge Gelehrte den verschiedenen Phasen der
hochgelehrten, interessanten Arbeiten ohne Beschwerde
folgen können.
»Sie haben aber doch«, fragte Aristobulos Ursiclos, »ei-
nen Vorwand gebraucht, hierher zu gehen, denn Miss
Campbell erwartet jedenfalls nicht, mich hier in Oban zu
treffen?«
»Ja freilich«, antwortete Bruder Sib, »und diesen Vor-
wand hat uns Miss Campbell sogar selbst geliefert.«
»Ach, sieh da«, rief der junge Gelehrte, »und welcher ist
es?«»Es handelt sich ihr um die Beobachtung einer physika-
lischen Erscheinung, für die in Helensburgh die Vorbedin-
gungen nicht gegeben sind.«
»Wahrhaftig, meine Herren«, platzte Aristobulos Ursic-
los heraus, indem er seine Brille zurechtschob, »das beweist
ja schon, daß zwischen Miss Campbell und mir eine gewisse
sympathische Verwandtschaft herrscht! Darf ich erfahren,
welches Phänomen es ist, das in Helensburgh nicht studiert
werden konnte?«
»Dieses Phänomen ist ganz einfach der Grüne Strahl«,
belehrte ihn Bruder Sam.
»Der Grüne Strahl?« rief Aristobulos Ursiclos erstaunt,
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»von dem habe ich ja noch nie etwas gehört! Erlauben Sie
mir da weiter zu fragen, was es mit diesem Grünen Strahl
für eine Bewandtnis hat?«
Die Brüder Melvill erklärten so gut sie konnten die Er-
scheinung, welche die ›Morning Post‹ unlängst der Auf-
merksamkeit der Leser empfohlen hatte.
»Pah«, machte Aristobulos Ursiclos, »das ist nur eine
simple Kuriosität ohne großes Interesse, die schon mehr
zu dem etwas kindischen Gebiet der unterhaltenden Phy-
sik gehört.«
»Miss Campbell ist ja ein junges Mädchen«, entschul-
digte sie Bruder Sib, »und sie scheint diesem Phänomen
eine unzweifelhaft weit übertriebene Bedeutung beizule-
gen . . .«
»Denn sie will sich nicht verheiraten, hat sie gesagt, be-
vor sie es nicht beobachtet hat«, fügte Bruder Sam hinzu.
»Nun gut, meine Herren«, prahlte Aristobulos Ursiclos,
»wir werden ihr ihn zeigen, ihren Grünen Strahl!«
Hierauf begaben sich alle drei längs eines durch Wiesen
in der Nähe des Strands verlaufenden Wegs zum Caledo-
nian-Hotel zurück.
Aristobulos Ursiclos konnte sich die Gelegenheit nicht
entgehen lassen, den Brüdern Melvill darzulegen, wie der
Geist der Frauen doch immer an Kleinigkeiten hänge, und
er legte dabei in großen Zügen alles dar, was notwendig sei,
um das Niveau ihrer ganz falsch aufgefaßten Erziehung zu
heben, obwohl er gewiß nicht glaubte, daß deren, gegen-
über dem des Mannes mit weniger Gehirnsubstanz aus-
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gestattetes Gehirn, dessen Faseranordnung außerdem eine
andere sei, sie jemals zu wirklich hohen Spekulationen ge-
eignet erscheinen lassen werde. Aber ohne so weit zu ge-
hen, könne man doch vielleicht dahin gelangen, es durch
speziell berechnete Erziehung, respektive Training zu ver-
vollkommnen, wiewohl, so lange die Welt besteht, sich noch
keine Frau durch derartige Entdeckungen ausgezeichnet
hat wie etwa Aristoteles, Euklid, Hervey, Hahnemann, Pas-
cal, Newton, Laplace,
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