Der Grüne Strahl
Gemütsverfassung befand.
So plaudernd, wanderten die neuen Gäste Staffas über
die unebene Oberfläche der Insel, auf der da und dort klei-
nere grüne Erhebungen emporragten. Am heutigen Tag traf
kein Schiff der Dampfergesellschaft von Oban zum Besuch
der kleinen Hebriden ein; Miss Campbell und ihre Gefähr-
ten hatten also keine Störung durch lärmende Touristen
zu befürchten. Sie waren allein auf dem öden, weltverlas-
senen Felsen. Einige Pferde von kleinem Schlag und ein-
zelne schwarze Kühe weideten auf der mageren Grasnarbe
des Plateaus, dessen dünne Humusdecke an verschiedenen
Stellen von lavaähnlichen Massen durchbrochen war. Ei-
nen Schäfer zu ihrer Bewachung gab es nicht, und wenn die
vierfüßige Inselherde überhaupt überwacht wurde, dann
konnte das nur aus der Ferne, vielleicht von Iona, wenn
nicht gar von der 15 Meilen weiter östlich gelegenen Küste
von Mull aus der Fall sein.
Eine Wohnstätte zeigte sich nirgends; nur die Reste einer
Hütte, welche die zu den Zeiten der Tagundnachtgleichen
im März und September wütenden Stürme zerstört hatten.
In der Tat erscheinen 12 Pfund Sterling als recht anständige
Pacht für einige Acres Wiesen, deren Gras abgenagt ist wie
bis auf die Kettfäden abgenützter Samt.
Die Besichtigung der Inseloberfläche war also bald be-
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endet, und man beschäftigte sich nun ausschließlich mit der
Beobachtung des Horizonts.
Es war deutlich genug zu erkennen, daß man an diesem
Abend vom Untergang der Sonne nichts erwarten durfte.
Infolge der Veränderlichkeit, welche die Septembertage
kennzeichnet, hatte sich der am Vorabend ganz klare Him-
mel heute wieder mit Dünsten bedeckt. Gegen 6 Uhr abends
zogen einige rötliche Wolken, wie sie nahe bevorstehenden
Störungen der Atmosphäre vorherzugehen pflegen, über
den Gesichtskreis im Westen. Die Brüder Melvill machten
auch zu ihrem großen Leidwesen die Beobachtung, daß das
Aneroidbarometer der ›Clorinda‹ nach ›Veränderlich‹ zu-
rückging und sogar noch unter diesen Stand hinausgehen
zu wollen schien.
Nachdem die Sonne hinter einer, durch den Wellen-
schlag auf hoher See gezackten Linie versunken war, kehr-
ten alle an Bord zurück. Ruhig verstrich die Nacht in der
kleinen, durch die Ausläufer der Clam-Shell-Grotte gebil-
deten Ausbuchtung.
Am folgenden Morgen, dem 7. September, beschloß
man, das Eiland erst sorgfältiger in Augenschein zu neh-
men. Nach Besichtigung des oberen Teils galt es nun den
unterirdischen Teil davon zu untersuchen. Sollte man die
Zeit nicht bestens ausnützen, da ein wirkliches – Aristobu-
los Ursiclos nicht zur Last zu legendes – Mißgeschick bis-
her jede Beobachtung des ersehnten Phänomens vereitelt
hatte? Übrigens hat niemand Ursache, einen Besuch der
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Höhlen zu bereuen, die dieses verlorene Eiland des Archi-
pels der Hebriden berühmt gemacht haben.
Der heutige Tag wurde dazu verwendet, den ›Keller‹ von
Clam Shell zu untersuchen, vor dem die Yacht verankert
lag. Der Koch traf, auf Veranlassung Olivier Sinclairs, so-
gar Vorbereitungen, das zweite Frühstück darin zu servie-
ren. Hier konnten sich die Tischgäste fast in den unteren
Raum eines Schiffs versetzt wähnen. Wirklich ähneln die 40
bis 50 Fuß langen Prismen, welche die Rippen der Wölbung
bilden, ungemein dem inneren Bau eines Fahrzeugs.
Diese an die 30 Fuß hohe, etwa 15 breite und 100 tiefe
Höhle, bietet einen sehr leichten Zugang. Offen nur nach
Osten, dadurch geschützt gegen die schlimmsten Winde,
wird sie auch nicht von den fürchterlichen Wogen heimge-
sucht, die bei stürmischem Wetter in die anderen Höhlen
der Insel wälzen. Dafür erklärt man sie auch für die weniger
sehenswerte Grotte Staffas.
Immerhin erregt die Anordnung ihrer Basaltbögen, die
mehr auf die Hand des Menschen, als auf ein Werk der Na-
tur hinweist, die ungeteilte Bewunderung des Beschauers.
Miss Campbell war ganz entzückt von diesem Besuch.
Olivier Sinclair erklärte ihr liebenswürdig die Schönhei-
ten von Clam Shell, ohne Zweifel mit weniger wissenschaft-
lichem Bombast als Aristobulos Ursiclos, gewiß aber mit
mehr künstlerischem Feingefühl.
»Ich möchte wohl ein Andenken an unseren Besuch von
Clam Shell besitzen«, sagte Miss Campbell.
»Nichts leichter als das!« antwortete Olivier Sinclair.
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Mit wenigen, sicheren Bleistiftstrichen entwarf er eine
Skizze dieser Grotte, gesehen von
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