Der grüne Tod
sie ausse hen?« Der erste Soldat drehte die glockenförmige Blüte herum und brachte sie vorsichtig an seine Nase.
Plötzlich durchzuckte ein greller Blitz aus reinem weißen Licht die Nacht und raubte Flinx die Sicht. Laute Rufe, Schreie des Entsetzens und des Schmerzes waren zu hören. Wild blinzelnd versuchte er etwas von dem, was sich vor ihm abspielte zu erkennen, doch ohne jeden Erfolg.
Er wollte sich schon erheben, da wurde er am Arm gepackt und zurückgehalten. »Das hat keinen Zweck«, flüsterte Teal. »Zu viele schauen in die entgegengesetzte Richtung.«
»Teal, ich kann nichts mehr sehen!«
»Still! Das geht vorbei.«
Er zwang sich, ruhig sitzen zu bleiben, während überall um ihn herum Verwirrung und Chaos herrschte. Ein fauchendes Kreischen drang aus der Kehle des Soldaten, der die leuchtenden Blüten entdeckt hatte, bevor dieser, blind umhertaumelnd und sich die Augen reibend, einen falschen Schritt machte und über den Rand des Astes stürzte. Sein Schrei riss jäh ab, als er nicht weit unter ihnen auf etwas Festem aufschlug.
Diejenigen seiner Kameraden, die nicht von dem grellen Blitz geblendet worden waren, formierten sich den Ast entlang in einer Reihe und leuchteten mit ihren Strahlern in die regennasse Tiefe.
»Chorsevasin, bist du wohlauf?«, rief einer.
»Rede mit uns!«, brüllte ein anderer.
Es kam keine Antwort. Und auch vom leblosen Körper ihres unglücklichen Kameraden fehlte, so sehr die Soldaten mit ihren Lampen auch die Vegetation absuchten, jede Spur. Die schwarzgrüne Tiefe hatte ihn einfach verschluckt.
Allmählich kehrte Flinx’ Sehvermögen zurück. »Was ist passiert?« Vor seinen Augen tanzten immer noch große weiße Punkte.
»Der, der vom Ast gefallen ist, hat ein Siehmichnichtan aufgeschreckt«, erklärte Teal. »Die Welt des Waldes ist ein sehr eigener Ort, besonders bei Nacht. Um den Cocary zu seinem Nektar zu locken, erzeugt das Siehmichnichtan ein starkes Licht. Aber das Licht kann auch Pflanzenfresser anziehen, die das Siehmichnichtan wegen seines Nektars zerkauen. Wenn man nicht weiß, wie man es anfassen muss, produziert das Siehmichnichtan so viel Licht, dass es jeden Unvorsichtigen, der ihm zu nahe kommt, blendet.« Sie beugte sich vor und spähte über den Astrand in die bodenlose Tiefe. »Normalerweise fliegen die so außer Gefecht Gesetzten wieder fort und krachen in die Bäume.«
Mit großer Erleichterung stellte Flinx fest, dass er wieder vereinzelte Umrisse ausmachen konnte. Er hatte sich nur wenige Meter vom Ort des Geschehens befunden, war jedoch von der jähen Helligkeit komplett geblendet worden. Das Gesicht des bedauernswerten Soldaten hatte sich, als der Blitz aufgezuckt war, nur wenige Zentimeter von der Blüte entfernt befunden. Das grelle Licht musste bei ihm nicht nur Blindheit, sondern auch beträchtliche Schmerzen verursacht haben.
Damit war die Stärke der Aann-Truppe auf acht reduziert.
Lord Caavax LYD, Hoher Diener Seiner Höchlichst Geschätzten und Glückverheißenden Majestät Kaiser Moek VI. trat seiner beschämten Gefolgschaft entgegen. Der Vorhang aus anhaltendem Regen vermochte die Gesten, die er vollführte, nur unzureichend zu verbergen.
»Hört mir gut zu, alle! Von nun an ist mir völlig egal, wie faszinierend und verlockend irgendeine Lebensform ist, die ihr entdeckt. Es interessiert mich nicht, wenn ihr auf ein vermeintlich festes, in Wahrheit lose herumliegendes Gebilde stoßt, das wie das edelste polierte Cassesha-Holz aussieht. Es interessiert mich nicht, wenn ihr über eine Mulde stolpert, die bis oben hin mit perlmuttglänzenden Ziszai-Körnern gefüllt ist. Es ist mir auch egal, ob ihr an einer Höhle vorbeikommt, die geradezu überquillt vor wertvollen Metallen und kostbaren Steinen. Fasst nichts davon an! Erwähnt es gar nicht erst! Geht einfach weiter! Macht euch von mir aus ein paar Notizen für spätere Studien! Aber rührt nichts an! Macht einen Bogen darum! Geht ihm aus dem Weg! Lasst es in Ruhe!« Der Reihe nach sah er seinen Männern in die Augen, darauf bedacht, zu jedem von ihnen Blickkontakt herzustellen.
»Es spielt für mich keine Rolle, ob das, was euch vor Staunen den Atem verschlägt, so harmlos erscheint wie eine Lieffmuschel auf der Sanddüne eines Träumers. Ihr werdet es von nun an ignorieren!« Die einzige Antwort, die er von seinen eingeschüchterten Männern erhielt, war ein mürrisches Gemurmel.
Die Soldaten kehrten zu ihren ursprünglichen Plätzen zurück; diejenigen unter ihnen,
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