Der grüne Tod
Bisher hatte er eigentlich den Eindruck gehabt, dass das junge Geschöpf wie versessen darauf war, grundsätzlich alles, was von ihm kam, erst einmal in Frage zu stellen.
»Andererseits kann man sich auf dieser Welt auf gar nichts wirklich verlassen«, murmelte Flinx mehr zu sich selbst als zu Teal. »Ich denke, das Wichtigste im Augenblick ist, dass ihr alle wieder wohlbehalten nach Hause kommt.«
»Nein«, erwiderte sie entschieden. »Zuerst müssen wir Ciinravan begraben.«
»Begraben?« Stirnrunzelnd betrachtete Flinx das rasch dahinsiechende Wesen. »Bis hinunter zum Waldboden ist es ein ziemlich weiter Weg.«
»Warum sollte jemand, Person oder Furcot, in der Unteren Hölle begraben werden wollen?«, fragte sie ihn. »Es gibt viel passendere Orte. Wir können den Körper von hier wegschaffen. Saalahan wird uns dabei helfen. Auch du kannst uns dabei helfen.«
»Natürlich«, stimmte er zu, wenngleich ohne zu begreifen. Er ließ seinen Blick über die Hyläa schweifen und fragte sich, wo und wie sie hier wohl ein Loch schaufeln wollten, das groß genug war, den massigen Leib des Furcots aufzunehmen.
Leichtfüßig sprang Saalahan auf den nächstbesten Ast und entschwand im Dickicht. »Wenn eine geeignete Stelle gefunden ist, schaffen wir Ciinravan dorthin«, erklärte Teal. »In der Zwischenzeit werden wir seinen letzten Augenblicken beiwohnen. Und außerdem sollten wir uns einen Unterschlupf für die Nacht suchen.«
Flinx blickte hinauf zum Himmel. Die träge dahinziehende Wolkendecke begann sich schon wieder zu verfinstern.
10
»Sie bewegen sich wieder nach unten.« Feng blickte auf seinen Positionssender. Jeder von ihnen verfügte über ein solches Gerät; es gehörte zur Standardausrüstung für Expeditionen auf allen Welten. Er verglich die Anzeigen mit denen von Chaa und Peeler und stellte eine beruhigende Übereinstimmung fest. »Man kann es an den Signalveränderungen deutlich erkennen. Gute Arbeit, Aimee.« Während sie sein Kompliment mit einem Nicken quittierte, fegte er eine mit Flaum bedeckte Kletterranke beiseite. Die feinen Härchen lösten sich ab und hinterließen ein leichtes, unangenehmes Brennen in seiner Hand. Fluchend rieb er mit der geröteten Stelle über das Hosenbein seines Chamäleonanzugs.
»Warum bleiben sie nicht in ein und derselben Höhe?«
»Vielleicht möchten sie nicht dem freien Himmel ausgesetzt sein«, schlug Peeler vor. »Frag Damas, der kann ein Lied davon singen.«
»Wirklich witzig. Ein echter Brüller.« Feng betrachtete den Hautausschlag, den die Pflanze an seiner Hand verursacht hatte. Zur Ausrüstung gehörten auch Handschuhe, doch trotz des kühlenden und Feuchtigkeit absorbierenden Materials ihrer Anzüge war es immer noch unerträglich heiß. Handschuhe waren völlig indiskutabel.
»Alle mal anhalten.« Aimee war stehen geblieben und winkte die anderen zu sich, die ihrer Aufforderung nachkamen und sich um sie scharten.
Der Ast, dem sie folgten, wuchs aus einem Stamm, dessen Umfang ungefähr fünfzehn Meter betrug. Andere Äste waren schwer zu erreichen. Der Stamm selbst war so glatt wie Glas und bot weder Zehen noch Händen Halt.
»Wohin sind sie von hier aus gegangen?« Vorsichtig spähte Rundle über den Rand des Baumpfads. Bis zum nächsten geeigneten Ast ging es an die zehn Meter steil hinab. Zahlreiche Ranken und Schlingpflanzen reichten bis in die smaragdgrüne Tiefe hinab, doch keiner der Exkursionsteilnehmer hatte es sonderlich eilig, sie auf ihre Tragfähigkeit hin zu prüfen.
»Dort entlang«, meinte Feng, der an der gegenüberliegenden Astkante stand.
An der Nordseite des Baums ragten eine Anzahl von armdicken Dornen aus der ansonsten völlig glatten Rinde. An einer Stelle standen sie dicht an dicht.
»Eine recht passable Leiter, findet ihr nicht?« Vor lauter Stolz über seine Entdeckung strahlte Feng über das ganze Gesicht.
Aimee wirkte weitaus weniger überzeugt. »Ich weiß ja nicht …«
»Siehst du hier irgendwo einen besseren Weg nach unten? Guck dir mal die beiden da an.« Ein Pärchen spindeldürrer Kreaturen mit je sechs Extremitäten kletterte an der anderen Seite des Stamms eilig nach oben, die Dornencluster in exakt der Weise nutzend, die Feng vorgeschlagen hatte. Jedes der Wesen war etwa einen Meter groß. Der relativ kleine Kopf wurde von drei riesigen hellbraunen Augen dominiert. Unablässig ängstliche Blicke in Richtung der Menschengruppe werfend, nahmen sie so schnell wie möglich Reißaus. Am Rücken ihrer
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