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Der gute Liebhaber

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Titel: Der gute Liebhaber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steinunn Sigurdardóttir
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sie nie so schön gewesen sei wie jetzt – und sie hatte die Worte wiederholt:
So schön wie nie
, und hatte rätselhaft gelächelt, als sei ihr etwas eingefallen, was sie aber nicht preisgeben wollte.
    Nur noch zehn Minuten vom geplanten einstündigen Davonlaufen von Doreen Ash waren übrig, als Karl Ástuson die Eingebung hatte, sich nach angemessener Zeit mit Liina in Verbindung zu setzen. Genauer gesagt, nach präzise einem Monat wollte er sie fragen, ob er ihr einen Besuch abstatten und mit ihr sprechen dürfe. Es würde einfacher sein, Doreen Ash innerhalb des Gatters zu halten, wenn er mehr über sie wusste. Und über ihr Ende.
    Er ging in die Bäckerei an der Ecke, obwohl er normalerweise nicht total verschwitzt und halb nackt einkaufte, und deckte sich mit frisch Gebackenem für Unas spätes Frühstück ein. Auf dem restlichen Weg nach Hause war er von Backdüften umgeben und dachte nur noch an Una. Und sie war inzwischen auf den Beinen, die Gute, sie saß in ihrem Nachthemd mit den Spaghettiträgern auf dem Schlafzimmerbalkon und trank ihren Kaffee. Sie hatte sich einen Latte in der Designerglanzleistung gemacht, die Karl eigenhändig aus Italien hertransportiert hatte.
    Una nahm Mann und Gebäck froh in Empfang, vor allem ein noch warmes Marzipanhörnchen, das sie besonders liebte. Sie war sich sicher gewesen, dass man so etwas nur in Deutschland bekommen konnte – bis sie in ein Haus auf Long Island zog, das seit langem für sie bereitgestanden hatte.

[zur Inhaltsübersicht]
Zu Hause bei Doreen Ash
    Karl Ástuson, der sich nicht nur darauf verstand, Pläne zu machen, sondern sie auch in die Tat umsetzte, hielt sich präzise an das, was er sich vorgenommen hatte. Einen Monat nach Doreens Tod schrieb er Liina Minuti einen Brief. Nach acht Entwürfen schickte er die neunte Version ab, in der er ihr zunächst sein Beileid aussprach und in Fortsetzung dessen erklärte, dass Doreen Ash ihm das Leben geschenkt habe. Dass er diese bedeutende Frau nicht so kennengelernt hatte, wie er es sich gewünscht hätte. Ob Liina ihm einen großen Gefallen tun und mit ihm sprechen würde?
    Ein beunruhigter Mann erwartete eine Antwort, ein Mann, der sich keineswegs im Klaren über seine Beweggründe war. Und nicht die Peinlichkeit bedacht hatte, dass er bei der Gelegenheit als Guter Liebhaber entlarvt werden könnte.
Höchstselbst
, wie in dem signierten Exemplar stand, das er in zwei Stufen entsorgt hatte, an dem Abend, bevor sich die Verfasserin das Leben nahm.
    Karl Ástusons Unruhe legte sich rasch wieder, als ein freundlicher Brief von Liina Minuti eintraf. Er hörte auf, an seinem Verstand zu zweifeln, und zur von ihr vorgeschlagenen Zeit eilte er beschwingten Schrittes und mit neunzehn gelben Rosen zur Wohnung von Doreen Ash. Eine der Rosen war auffällig groß und perfekt, genau wie in dem Tankstellenstrauß am Silberstrandabend.
    Die Psychologin Liina Minuti machte es Karl Ástuson leicht. Sie war geradeheraus, sie wirkte geradezu heiter und war ganz anders als die gestrenge und korrekte Liina auf der Präsentation. Sie hatte sich an diesem Tag nicht einmal sonderlich zurechtgemacht. Eine Frau in einem hippieartigen roten Baumwollkaftan mit schwarzlackierten Fußnägeln.
    In der gemeinsamen Wohnung von Doreen und Liina herrschte ein bunter und anheimelnder Mischmasch von Stilen. Zierliche Möbel aus China kontrastierten mit einer überdimensionalen Sofagarnitur, dazu nüchterne moderne Kunst und lange Regale voll mit fremdartigem Kleinkram. Das Wohnzimmer wirkte leicht chaotisch, aber das verlieh ihm eine gewisse Geborgenheit – dieser Meinung war der Gast zumindest, bis er sich in eine Sofaecke gesetzt hatte und sich so vorkam, als sei er um ein paar Nummern kleiner geworden.
    Liina setzte sich in die am weitesten entfernte Ecke des Sofas. Angesichts der Entfernung zwischen den Gesprächspartnern auf ein und demselben Möbelstück ahnte Karl Ástuson, dass er hier nicht seine gewohnten leisen Töne anschlagen konnte.
    Schön, dass du gekommen bist, sagte die Dame des Hauses. Es gibt kaum Menschen, mit denen ich über Doreen sprechen kann.
    Vielen Dank. Es macht mir zu schaffen, nicht mehr über sie und auch über dieses unbegreifliche Ende zu wissen. Zu seinem Verdruss beendete Karl Ástuson diesen Satz im Falsett, denn diese neue Tonart beherrschte er nicht.
    Es war nicht unbegreiflich, sagte Liina und lächelte.
    Ein Lächeln in einem so unpassenden Augenblick brachte den Gast vollends aus der Fassung: Er

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