Der gute Liebhaber
gekauft und sich dabei köstlich amüsiert: die kleinen Schwarzen und die weiten seidenen Schlüpfer, die veilchenblauen Sportpullover. Mit raffinierten Methoden war es ihm gelungen, den in ihr schlummernden Sinn für schöne Sachen zu aktivieren. Der größte Etappensieg hatte darin bestanden, hochhackige Schuhe zu finden, die Una akzeptieren konnte. Karl war Una, die ansonsten in jeder Hinsicht viel Geschmack besaß, die Kleidung betreffend einige Schritte voraus und hatte eine so exquisite Garderobe für sie zusammengestellt, als hätten sich Heerscharen von Designern darum gekümmert.
Er schloss die Schranktüren leise, ging zurück ins Wohnzimmer und dachte über das Glück nach. Das sollte die letzte Chance sein, bevor es einen unvorhergesehenen Tribut forderte, dieses schleierhafte Phänomen Glück, das nicht einmal aus der naheliegendsten Richtung angekratzt worden war, von Ingi Bói. Der hatte Una einfach laufenlassen, als mache es ihm überhaupt nichts aus. Letzten Endes kannte also doch niemand den anderen, auch Una nicht ihren Mann. Sie war überzeugt gewesen, dass er alles daransetzen würde, ihr das Leben schwerzumachen, und ihrer Meinung nach konnte er sogar gefährlich werden. Aber als es darauf ankam, behielt die Eitelkeit die Oberhand, und er tat so, als sei ihm das alles gleichgültig; in Windeseile hatte er sich eine neunundzwanzigjährige Sopranistin gekrallt, die wie Uma Thurman aussah und auch deren schwarzroten Nagellack aus
Pulp Fiction
verwendete.
Karl Ástuson war zu der Auffassung gekommen, dass Glück in erster Linie darin bestand, dass sich alles einfach gestaltete. Zumindest war mit Una alles so einfach gewesen, dass es an ein Wunder grenzte, seit sie sich zuerst in Beausejour geliebt hatten. Umwelt und zu lösende Probleme blieben praktisch ganz und gar außen vor, sowohl was die Arbeit oder die Scheidung betraf, man musste einfach nur Prioritäten setzen.
Und genau wie er verstand sich Una darauf, die richtige Reihenfolge einzuhalten. Das ließ sich beispielsweise daran erkennen, dass sie die Beausejour-Seligkeit nicht trüben wollte, indem sie über einen gewissen Dienstagmorgen im August sprach; damit wartete sie bis zum zweiten Tag in Amerika, immer noch mit geschwollenem rechten Auge. Das half sehr. Karl konnte sich auf das nicht sichtbare Auge konzentrieren, während er dem lauschte, was er nie hatte hören wollen.
Ja, sie war mit ihren Freundinnen Lóa, Þórdís und Helga an diesem verlängerten Wochenende im August in die Þórsmörk gefahren, um dort zu zelten. Es war schon Abend, Lóa war betrunken und löcherte sie mit Fragen nach ihrem Freund. Die anderen beiden Freundinnen hörten zu. Dabei kam zur Sprache, dass Karl und Una manchmal abends zusammen Schellfisch und Kartoffeln kochten, woraufhin Lóa gemein zu kichern begann, und auf einmal waren alle losgeplatzt, nur Una nicht. Sie sagte, es sei doch gar nicht komisch, dass sie zusammen kochten, er hätte doch gerade seine Mutter verloren.
Willst du ein Waisenhaus gründen?, fragte Lóa.
Da wurde Una wirklich böse. Sie erklärte, dass Lóa bloß eifersüchtig sei, weil Karl der süßeste und netteste und beste Junge in Reykjavík sei, in Wirklichkeit sei sie selber in ihn verliebt.
Una war wütend nach draußen gerannt und schließlich in einem anderen Zelt bei Leuten gelandet, die sie gar nicht kannte. Sie hatte isländischen Brennivín aus der Flasche getrunken, was eine ganz neue Erfahrung für sie war. Ihr wurde speiübel. Als dann einer der Zeltinsassen sie zu küssen versuchte, was ihm auch halbwegs gelang, hatte sie sich glücklicherweise übergeben müssen und war anschließend eingeschlafen.
Als sie am Montagmorgen aufwachte, war ihr kalt (es hatte geregnet, und das Zelt war undicht). Sie fühlte sich hundeelend, konnte sich aber bei anderen Leuten eine Mitfahrgelegenheit in die Stadt organisieren, um nicht mehr mit ihren Freundinnen reden zu müssen. Für sie stand fest, dass sie nicht gut genug für Karl war. Ein unbekannter Junge hatte sie geküsst, das war ekelhaft, und sie hatte gekotzt.
War das wirklich alles?, fragte der Mann, der also wegen nichts und wieder nichts siebzehn Jahre seiner Liebe beraubt worden war.
Ja.
Das kann ich gar nicht glauben, sagte Karl, sich weiterhin auf Unas versunkenes Auge konzentrierend.
Und weshalb hast du mich eigentlich nach gar nichts gefragt?, sagte sie enttäuscht.
Ich dachte, dass anständige Männer keine Fragen stellen, wenn sie den Laufpass bekommen.
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