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Der gute Stalin

Der gute Stalin

Titel: Der gute Stalin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Jerofejew
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über unsere »ideologische Klarheit« zum Ausdruck. » Metropol – das ist Müll und keine Literatur!«, schrieb das Organ der Moskauer Schriftsteller. »Pornografie des Geistes!« Auch die russische literarische Emigration tat sich hervor und verdächtigte uns der Zusammenarbeit mit dem KGB .
    Die westlichen Rundfunksender brachten mir durch den Lärm der Störsender hindurch meine eigenen, in Metropol gedruckten Texte zu Gehör. Ich hatte das Gefühl, eine auf dem Rücken liegende und mit den Beinchen strampelnde Schildkröte zu sein. Und dann kam auch noch ein unerwarteter Schlag aus Amerika. Karl Proffer, der Chef von Ardis in Ann Arbor, Michigan, mit vielen von uns befreundet, Verleger unzensierter russischer Literatur, dem der Almanach geschickt worden war, erklärte auf eigene Initiative über die »Stimme Amerikas«, der Almanach befinde sich in seinen Händen und er habe vor, ihn zu publizieren.
    Karl und Ellendea – das war ein farbenprächtiger Film über Liebe, Geld, Ruhm und einen amerikanischen Akzent in der russischen Literatur. Dank ihrer Bemühungen wurden Hunderte von russischen Büchern gedruckt. Ich hatte es mir mit Karl aus persönlichen Gründen verdorben (Ellendea im Pelz, rote Lippen, Parfüm, Eifersucht), als die beiden mit einer Ardis-Delegation in Moskau waren (damals wurden sie noch ins Land gelassen), und se nitdem keine Chance mehr, dort gedruckt zu werden – aber in jener Nacht waren Dinge zu klären, bei denen das Persönliche außen vor bleiben musste. Popow und ich fuhren sofort zu Axjonow und versuchten von dort aus, Karl anzurufen, aber damals nach Amerika zu telefonieren war eine Katastrophe.
    »Was hat das noch für einen Sinn! Zu spät!«, sagte Axjonow, müde mit den Schultern zuckend, sah uns an und legte den Hörer auf.
    Nach diesem Vorfall gab es kein Zurück mehr. Auf die grellgelbe russische Ausgabe bei Ardis folgten die englischsprachige bei Norton und die französische bei Gallimard.
    *
    Sosehr ich auch die Sowjetmacht verachtete, bis zu Metropol trug mein Konflikt mit ihr einen eher theoretischen Charakter. Jetzt bekam ich den kalten Hauch des Gulag zu spüren: Auf unverschämteste Weise wurden meine Telefongespräche abgehört und aufgezeichnet (manchmal schalteten sie das Telefon ganz ab, offenbar wenn die, die uns abhörten, aufs Klo mussten), die »Organe« luden meine Freunde und Freundinnen vor, einschließlich der Protagonistin meiner Moskauer Schönheit , und versuchten sie unter Androhung von »Unannehmlichkeiten« dazu zu bewegen, mir die Freundschaft aufzukündigen, sie durchsuchten nachts mein Auto – am nächsten Morgen fand ich es mit vier offenen Türen vor – und verbreiteten fantastische Gerüchte: »Jerofejew und Axjonow sind Homosexuelle, die mit Metropol die Stärke ihrer Männerfreundschaft erproben wollen.« Ein ganzes Jahr lang wurde ich von vier Schatten verfolgt; Boris Iwanowitsch, mein erfolgloser »Kurator« vom KGB , verlor wegen seiner Schlafmützigkeit in Sachen Metropol seine Arbeit (das gestand er mir, als wir uns zufällig begegneten, schon zu Zeiten Gorbatschows).
    »Viktor Wladimirowitsch? Haben Sie einen Augenblick Zeit?«
    Wie im Kino. Mit diesen Worten begann meine »Entführung« durch KGB -Agenten am helllichten Tage aus dem Hof des Instituts für Weltliteratur, wo ich damals arbeitete. Zwei in dunklen Anzügen und Krawatten schubsten mich erstaunlich schnell und geschickt in einen Wolga mit einem schweigsamen Fahrer am Steuer, schweigend bogen wir auf den Gartenring ab, und schweigend fuhren wir in Richtung Smolensker Platz. Sie brachten mich in das vielstöckige Hotel »Belgrad« (heute »Swiss Diamond«). Oberste Etage, Korridor, eine Etagendame, die mir erschrocken hinterhersieht. Sie führten mich in ein spezielles Zimmer (offenbar ein Zimmer, das ihrer Behörde zur Verfügung stand) und sperrten mich lange dort ein. Ich saß auf dem schmalen Einzelbett und starrte auf ein Bild, das über dem anderen Bett an der Wand hing. Das Bild zeigte verspielt touristisch eine bekannte Kirche bei Susdal. Als hätte ich es erraten, stand ich rasch auf und blickte aus dem Fenster: Wenn sie mich da hinunterwerfen, wird das ein langer Sturz … Ich nahm den elfenbeinfarbenen Telefonhörer ab und hielt ihn ans Ohr. Tot. Oder wollen sie mir Dollars unterschieben? Oder mich mit irgendeinem Gas vergiften? Der Schlüssel wurde umgedreht. Die Tür ging auf. Die beiden Männer kamen herein. Setzten sich auf das Bett gegenüber. Aber sie

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