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Der gute Stalin

Der gute Stalin

Titel: Der gute Stalin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Jerofejew
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Iskander.
    »Das Meer ist kalt«, beschwerte sich Iskander. Man konnte nicht sagen, dass er sich schrecklich freute, uns zu sehen.
    Als wir schon ein paar Calvados getrunken hatten, fiel ihm plötzlich etwas ein:
    »Ich habe einen anonymen Brief bekommen.«
    Er zeigte ihn uns: »Gute Nachricht, du Lump! Deine beiden feinen Freunde sind aus dem Schriftstellerverband geflogen.«
    »Wer ist geflogen?«, wunderte sich Popow.
    »Alles Quatsch!«, sagte ich.
    Wir tranken Selbstgebrannten aus Trauben, und unsere Laune passte wieder zur Krim.
    *
    Beschluss des Sekretariats des Schriftstellerverbands der RSFSR :
    »In Anbetracht dessen, dass die Werke der Autoren Jewgeni Popow und Viktor Jerofejew auf der Mitgliederversammlung der Moskauer Schriftstellerorganisation einstimmig negativ bewertet wurden, hebt das Sekretariat des Vorstandes des Schriftstellerverbands der RSFSR seinen Beschluss über die Aufnahme Jewgeni Popows und Viktor Jerofejews in den Schriftstellerverband der UdSSR auf.«
    *
    Auf dem Belorussischen Bahnhof wurden meine aus Wien zurückkehrenden Eltern nicht von einem einzigen offiziellen Vertreter des Außenministeriums abgeholt. Ich konnte Vater mit der Nachricht »erfreuen«, dass ich soeben aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen worden war, was ich aus der Zeitung erfahren hatte. Vater nickte finster.
    »Vielleicht sollte ich eine Pressekonferenz für ausländische Journalisten geben?«, fragte er mich, als wir die elterliche Wohnung betraten.
    In diesen Zeiten wäre das ein Akt selbstmörderischen Dissidententums und der direkte Weg in die Klapsmühle gewesen – ich versuchte es ihm auszureden. Der Ausschluss aus dem Schriftstellerverband war der literarische Tod. Das eherne Gesetz hieß: Ausgeschlossene werden nicht gedruckt. Die Staatsmacht griff, zugegeben geschickt, zu Banditenmethoden – auf die Jungen einschlagen, um alle anderen einzuschüchtern und auseinander zu bringen. Aber unsere Metropol -Mitstreiter – diejenigen, die noch im Schriftstellerverband waren – schrieben einen Protestbrief: Wenn man die beiden nicht wieder aufnimmt, treten wir aus – Axjonow, Bitow, Iskander, Lisnjanskaja, Lipkin. Einen sinngemäß ebensolchen Brief, der aus einigen schiefen Zeilen bestand, schrieb auch Bella Achmadulina. Die »Stimme Amerikas« berichtete unverzüglich darüber. Wir gingen in die nächste Runde des Widerstandes.
    Am 12 . August 1979 veröffentlichte die New York Times ein Telegramm amerikanischer Autoren an den Schriftstellerverband der UdSSR . Vonnegut, Styron, Updike (der auf Axjonows Einladung mit einem Auszug aus seinem Roman Der Umsturz bei Metropol dabei war), Miller und Albee setzten sich für uns ein. Sie forderten, uns wieder in den Verband aufzunehmen. Es war klar, dass sie es andernfalls ablehnen würden, ihre Werke in der UdSSR drucken zu lassen. Im Schriftstellerverband war man ziemlich verunsichert. Es begannen monatelange Verhandlungen über unsere Wiederaufnahme.
    Jedenfalls befasste sich aufgrund des Telegramms aus Amerika nun einer der großen Chefs des Schriftstellerverbands mit Popow und mir, Juri Wertschenko, der nicht zum ersten Mal mit Dissidenten »arbeitete«. Gewichtig, dick, odiös, hatte Wertschenko Ähnlichkeit mit einem großen Gangster aus Chicago. Die oberen Ebenen des Verbands stellten, wie mir schien, ein Labyrinth allgemeiner Kriecherei und Speichelleckerei dar. Die Obrigkeit behandelte uns betont höflich – wir waren Feinde, aber mit Untergebenen, einschließlich Kusnezow, ging man äußerst verächtlich um. Doch niemand beschwerte sich, man hielt das für normal. Einmal tauchte in Wertschenkos Büro in jenem Haus auf der Powarskaja, wo der Legende nach der erste Ball von Natascha Rostowa stattfand, Georgi Markow auf, der gesichtslose oberste Chef aller sowjetischen Schriftsteller, um einen Blick auf uns zu werfen. Wertschenko richtete sich auf und fing an zu schreien:
    »Und ich sage Ihnen, Ihr Metropol ist ein Haufen Scheiße!«
    Markow ging ein paar Schritte auf und ab, schnüffelte in der Luft herum und verschwand, ohne guten Tag oder auf Wiedersehen gesagt zu haben.
    »Warten Sie ab«, spottete Wertschenko, wieder an uns gewandt, »wenn wir Sie wieder aufnehmen, haben Sie gute Karten – Sie kennen dann schon alle Chefs.«
    Er verlangte von uns, sämtliche Kontakte zum Westen abzubrechen.
    »Und was haben Sie da für eine Tasche?«
    Wertschenko fürchtete sich sehr vor der Tasche, die Popow immer dabeihatte, denn er glaubte, dass ein

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