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Der gute Stalin

Der gute Stalin

Titel: Der gute Stalin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Jerofejew
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Kassettenrekorder darin versteckt sei.
    *
    Meine Metropol -Freunde bekamen von der Heldentat meines Vaters nichts mit. Die Achmadulina war aufmerksam geworden. Wyssozki erkundigte sich – die Übrigen nicht. Nie fragte irgendjemand, was mit ihm sei.
    Dank sei jedoch Sergej Petrowitsch Kapiza. Er war ein würdiger Sohn von Pjotr Leonidowitsch, mit dem ich einmal beim Mittagessen über Schestow diskutiert hatte. Sergej Petrowitsch lud meine Eltern zu sich auf die Datscha nach Nikolina Gora ein. Darüber schrieb meine Mutter in den neunziger Jahren in ihrem Buch Neskutschny sad . Mama schrieb offen über die Dinge hinter den Kulissen des Außenministeriums, aber sie erwähnte nicht ein einziges Mal ihren Mann – den Ingenieur ihres Lebens. Also hatte auch Mama seine Heldentat nicht bemerkt. Was hatte er sich zu Schulden kommen lassen?
    Ein unvergesslicher Oktober in Krasnaja Pachra. Ich fuhr zu Trifonow auf die Datscha. Trotz des Unterschieds in Alter und Geschmack waren wir befreundet. Er war damals ein viel gelesener Schriftsteller. Auf einem Zeitungstischchen lagen Übersetzungen seiner Romane. Ich verstand nicht, wie er Platonow nicht mögen konnte, aber sympathisch war mir, dass er als Fußballfan sich nicht für die sowjetische Nationalmannschaft begeisterte. Es war ein klarer Herbsttag. Wir wollten gerade Tee trinken, da kam Axjonow. Er erzählte, hauptsächlich an Trifonow gewandt, er habe gestern Kusnezow getroffen. Das ist ja eine Neuigkeit! Bedeutet das eine Versöhnungschance? Kusnezow sei einverstanden, seine ganze Familie ins Ausland zu lassen. Das Ganze wirkte so, als handle es sich um einen Sieg für Axjonow. Sie standen auf der Terrasse – große, erwachsene Schriftsteller, ich war ein junger und naiver Idealist.
    »Das ist ein Sieg für Kusnezow«, sagte ich. »Er hat es ja überall herumposaunt, dass du abhauen wirst.«
    »Wenn sie euch wieder aufnehmen, dann gehe ich nicht.«
    »Wie sollten sie das tun«, platzte ich heraus, »wenn du …«
    Das Thema wurde zum Hauptthema jenes Herbstes. Maja lehrte Popow und mich Tapferkeit. Ich hörte schlecht auf diese Worte. Gleichzeitig gingen die Verhandlungen mit dem Schriftstellerverband weiter. Sergej Michalkow schaltete sich in das Spiel ein. Innerhalb der Struktur des Verbands verwaltete er die Geschicke der Schriftsteller. Über Aufnahmen und Ausschlüsse wurde auf der Ebene der Republik entschieden. Äußerlich benahm sich Michalkow durchaus liberal. In die Stille seines riesigen Arbeitszimmers auf dem Komsomolski-Prospekt hinein sagte der Verfasser der sowjetischen Nationalhymne, dass von uns »ein Minimum an politischer Loyalität« erwartet werde.
    Wir schrieben einen kurzen Antrag auf Wiederaufnahme in den Verband.
    *
    Es wurde Dezember. Popow und ich wurden ins Sekretariat des russischen Schriftstellerverbands bestellt. Wir beschlossen, nicht hinzugehen: Da man uns in Abwesenheit ausgeschlossen hatte, konnte man uns ja auch in Abwesenheit wieder aufnehmen. Doch am Abend zuvor versicherte Wertschenko, dass alles mit den nötigen Personen vereinbart worden sei und wir der Form halber erscheinen sollten, denn die Genossen aus der Provinz könnten unser Fernbleiben missverstehen. Am selben Tag trafen wir Axjonow. Das ist wichtig, denn bis zum heutigen Tag kursiert die Meinung, er hätte Metropol nur deshalb gemacht, um sich in den Westen abzusetzen. Wassili sagte:
    »Wenn sie euch wieder aufnehmen, wird alles gut.«
    Er hatte sogar vor, einen Tag später zu irgendeiner Versammlung der Revisionskommission zu gehen, deren Mitglied er war.
    In der Nacht vor der Schlacht dachten Popow und ich darüber nach, was werden würde. Wir wussten, dass uns ein Kampf bevorstand. Wir dachten, dass sie uns erniedrigen und zu Reuebekenntnissen zwingen würden, um dann in der Literaturnaja gaseta unsere kläglichen Worte zu drucken, dass sie uns mit Scheiße überschütten würden. Aber letzten Endes würden sie uns aufnehmen, und das bedeutete, dass der Verband sein sowjetisches Wesen ändern würde. Wir betrachteten die Wiederaufnahme als Sieg.
    In den Fenstern der Stadtvilla spärliches Dezemberlicht. Popow und ich standen im Flur und rauchten. Sein sokratisches Profil zierte eine Grimasse der Schicksalsverachtung. Die Versammlung wartete auf Kusnezow. Er kam geräuschvoll herein, ganz Chef, im Pelzmantel, und ging an uns vorbei in den Saal, ohne uns zu grüßen.
    »Vielleicht sollten wir lieber verduften?«, fragte Popow stirnrunzelnd.
    Doch wir blieben. Man ließ

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