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Der Gute Ton 1950

Der Gute Ton 1950

Titel: Der Gute Ton 1950 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans H. Wiese
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er ihm zu einer Wahl verhilft, die
    er ohne seine Unterstützung niemals getroffen hätte. Es gibt Kunden,
    die beeindruckt sind, und ihrer Schüchternheit wegen mit einer
    Krawatte aus dem Laden gehen, die sie nie tragen werden. Es war
    schwerverkäufliche Ware, die sie nur aus Schwäche kauften. Oder Sie
    nehmen, aus Angst zu widersprechen, einen Anzug, der gar nicht ihrer
    Grösse entspricht, sie müssen ihn verändern lassen, ohne eine
    merkliche Besserung zu erreichen, nur weil der Verkäufer ihnen
    einredete, dass sie nie etwas Passenderes finden werden, und dass sie
    sich daran gewöhnen sollten, elegant gekleidet zu sein. Diese Taktik ist
    falsch, da der Kunde, der sich einmal »überzeugen« liess, den Laden
    nie wieder betreten wird. Es ist geschickter, dem Kunden selbst die
    Wahl zu überlassen. Man zeigt den gewünschten Artikel, ohne ihn
    übermässig zu loben. Jedenfalls soll man den Kunden nicht täuschen,
    man lässt den Durchreisenden das Vorrecht, eine Ware zweimal
    teuerer zu zahlen, die von jedem abgelehnt war. Höflichkeit im
    Geschäftsleben ist überflüssig, wenn sie nicht auf Ehrlichkeit aufgebaut
    ist. Sie ist für jedes Unternehmen, das bestehen will, unentbehrlich.
    Man soll auch im Geschäftsleben auf fadenscheinige Lügen verzichten.
    Warum geben Schneider immer Fristen, von denen sie wissen, dass sie
    sie nicht einhalten können? Warum verspricht ein Friseur, dass er in
    zehn Minuten zu unserer Verfügung stehen wird, wenn ein einziger
    Blick uns überzeugt, dass eine Stunde nicht genügt, um alle wartenden
    Kunden, die vor uns kamen, zu bedienen? Warum soll die Ware immer
    »morgen« da sein, die heute fehlt, und warum wird das »Morgen« stets
    zum »Uebermorgen«?
    WIE MAN EINKAUFT...
    Man soll die schlechte Behandlung während des Krieges vieler
    Geschäftsleute nicht rächen wollen. Sie glaubten, dass ihre Macht ewig
    sei. Vielleicht war es ein gewisser Sadismus, uns stundenlang warten
    zu lassen: aber das ist keine Entschuldigung für uns, wenn wir jetzt in
    ein Geschäft gehen, uns an-rnassend benehmen und schliesslich
    erklären, dass in dem Laden gegenüber alles viel besser und billiger
    sei. Der Kriegszustand sollte wirklich eines Tages beendet sein.
    Es ist gut zu wissen, was man kaufen will, wenn man ein Geschäft
    betritt. Es ist nicht nur Rücksicht gegen den Verkäufer, der auch andere
    Kunden zu bedienen hat, sondern auch uns selbst gegenüber ein
    Beweis, dass wir innerlich ausgeglichen sind. Es ist vielleicht
    entzückend naiv, in einer Buchhandlung die Frage, was wir möchten,
    mit den Worten »Ein Buch« zu beantworten und — als würde dies alles
    erklären hinzufügen: »Es soll ein Geschenk sein«.
    Das ist reizend, aber nicht sinnvoll, auch wenn wir das Aussehen
    und den Geschmack der Person beschreiben, für die das Geschenk
    bestimmt ist. Es interessiert den Buchhändler sicher nicht und
    wahrscheinlich hat er auch keine Zeit, sich hineinzudenken. Warum
    sagen wir nicht genau, was wir wollen, warum nennen wir nicht den
    Preis, den wir anlegen können? Es ist keine Sünde, kein Millionär zu
    sein.
    Es ist lächerlich sich darüber zu empören, dass der Preis eines Bisam-
    Mantels höher ist als der eines Kaninchenmantels. Wenn man etwas
    kaufen will, das zu einem anderen Kleidungsstück passen soll, ist es
    unnütz, sich allerlei Ware zeigen zu lassen, um nach einer Stunde zu
    erklären: »Ich glaube, es ist besser, wenn ich morgen früh mit einem
    Muster wiederkomme.« Diesen genialen Gedanken hätten wir früher
    haben müssen. Wenn uns nichts gefällt oder alles zu teuer ist, sagen
    wir dies lieber offen, als d.ass wir uns in nachdenkliche Ueber-
    legungen verlieren, weil wir nicht wissen, wie wir aus dem Laden
    kommen sollen. Man muss die Ware prüfen, ehe man sie nimmt, man
    soll nicht ein Abendkleid einen Tag später zurückbringen und
    behaupten, dass man betrogen wurde, wenn der Betrug in Wirklichkeit
    darin bestand, dass man das Kleid einen Abend tragen wollte, um es
    dann zurückzubringen. In einem solchen Falle sollte man den
    Modesalon davon in Kenntnis setzen, dass man die Absicht hat, das
    Kleid einen Abend bewundern zu lassen. Es gibt Geschäfte, die dieses
    »Leihsystem« vorgesehen haben.
    Ehe ein Herr einen Laden betritt, wirft er seine brennende Zigarette
    fort und nimmt an der Tür seinen Hut ab. Diese Manieren scheinen
    vielleicht altmodisch, sie sind aber immer noch ein Merkmal des
    höflichen Menschen.
    V.
    WENN DIE UNBEKANNTEN BEKANNT

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