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Der Gute Ton 1950

Der Gute Ton 1950

Titel: Der Gute Ton 1950 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans H. Wiese
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WERDEN
    Was tut man nicht, um die Bekanntschaft
    eines grossen Mannes zu gewinnen!

    J. W. von Goethe
    Die Vorstellung kann die Ursache von vielen Freuden und vielen
    Unannehmlichkeiten sein. Sie kann der Beginn einer glücklichen
    Freundschaft bedeuten, aber ebensogut kann sie uns nur die
    Verpflichtung aufbürden, in vitam eternam irgendwelche farblose,
    mondäne oder aufdringliche Menschen zu grüssen, so dass wir
    jahrelang bitterlich bedauern werden, sie je kennengelernt zu haben.
    Unsere einzige Rache wird sein, sie unseren Feinden vorzustellen.
    VORSTELLUNGSWUT.
    Man begegnet heute weniger häufig jenen »Vorstellungsbesessenen«,
    die darauf brennen, mit jedermann bekannt zu werden. Vielleicht
    glauben sie, dass es genügt, wenn sie einmal einem Staatspräsidenten
    vorgestellt worden sind, um bei dem nächsten Regierungswechsel
    Minister zu werden! Es gibt andere, die unbedingt Menschen einander
    vorstellen wollen, die wenig geeignet sind, sich zu verstehen. Sie wären
    sicher ausgezeichnete Ehestifter geworden, wenn diese Art Menschen
    inzwischen nicht beinahe ausgestorben wäre. Wir wollen nicht suchen,
    Leuten vorgestellt zu werden, mit denen wir nichts anfangen können.
    Sie werden vielleicht später beleidigt sein, wenn wir ihren Namen und
    die »unvergesslichen« Umstände vergessen haben, unter denen wir mit
    ihnen bekannt wurden.
    Früher wurden bei einem grossen Empfang die Namen der Gäste
    beim Eintritt in den Salon laut ausgerufen. Heute sind die Gastgeber
    eines offiziellen, grossen Balls oder Cocktail-Empfangs nicht mehr
    verpflichtet, alle Gäste miteinander bekanntzumachen. Aber diese
    Veranstaltungen werden für uns wohl kaum je in Frage kommen. Wir
    müssen bei einem Festessen natürlich unsere Gäste einander vorstellen,
    und zwar besonders die, von denen wir glauben, dass es gut ist, wenn
    sie sich näher kennen.
    DIE VORSTELLUNG AUF DER STRASSE.
    Es ist heute auf der Strasse oder in einem öffentlichen Gebäude nicht
    mehr notwendig, dass wir die Person die uns begleitet, einer Person
    vorstellen, die wir treffen und mit der wir einige Worte sprechen
    wollen. Wir entschuldigen uns bei unserer Begleitung, die so tut, als ob
    sie nicht zu uns gehöre und etwas zurückbleibt. Sie sollte sich jedoch
    nicht allzu weit von uns entfernen, denn es könnte uns aus
    irgendeinem Grund einfallen, beide miteinander bekanntzumachen. Es
    ist nicht rücksichtsvoll, wenn wir unsere Unterhaltung mit dem Dritten
    ausdehnen und unsere Begleitung warten lassen, die sicher etwas
    unglücklich abseits steht. Einfacher ist es, die Vorstellung gleich zu
    machen. Wir sollten nicht zwei Menschen die sich nicht kennen,
    minutenlang einander gegenüberstehen lassen, und ganz naiv fragen:
    »Ach, Sie kennen sich nicht? Ich hätte meine Hand ins Feuer gelegt,
    dass...
    WIE STELLEN WIR VOR?
    Wenn wir sehen, dass wir zwei Unbekannte einander vorstellen
    müssen, sollen wir dies mit Eleganz und Geschick tun. Es gibt hierfür
    eine Grundregel:
    Man stellt die weniger bedeutende Person der bedeutenderen vor:
    man stellt also eine jüngere Person einer älteren, und die mit der
    bescheideneren beruflichen Stellung demjenigen vor, der beruflich
    höher steht.
    Man stellt immer den Herrn der Dame vor — und nicht umgekehrt.
    Es gibt eine einzige Ausnahme für diese Regel: Wenn der Herr ein
    kirchlicher Würdenträger ist, wird die Dame vorgestellt.
    Die Person, der man vorstellt, also die ältere oder die Dame, reicht
    die Hand zum Gruss. Man kann sich auch mit einem kleinen Nicken
    des Kopfes begnügen, aber dann wirkt die Vorstellung leicht kalt.
    Man sagt bei der Vorstellung zuerst den Titel und Namen der
    Vorzustellenden und dann den Namen und Titel dessen, dem man
    vorstellt, zum Beispiel: Herr Dr. Schmitt : Frau Meier.
    Wenn eine Person der Mittelpunkt des Festes ist, ist es natürlich
    überflüssig, bei der Vorstellung ihren Namen zu sagen.
    Man kann bei der Vorstellung lediglich die Titel und Namen sagen,
    aber es ist eleganter und verbindlicher, einige Worte hinzuzufügen,
    wie:
    Gestatten Sie mir, dass ich Sie bekanntmache: Herr Regierungsrat
    Schulz : Herr Oberregierungsrat Meier,
    oder
    Ich freue mich, dass ich Ihnen Herrn Schmidt
    vorstellen darf, von dem ich Ihnen schon so oft gesprochen habe... oder
    Gestatten Sie mir, Ihnen jemanden vorzustellen, der Sie sehr
    verehrt..
    Es ist auch gut, bei der Vorstellung irgendeine charakterisische
    Eigenschaft des einen oder anderen zu erwähnen, wie »der

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