Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Gute Ton 1950

Der Gute Ton 1950

Titel: Der Gute Ton 1950 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans H. Wiese
Vom Netzwerk:
holen wir unsere Garderobe in der letzten Pause.
    BEI KUNSTAUSSTELLUNGEN.
    Eine Kunstausstellung ist in gewissem Sinne auch eine Vorstellung,
    obwohl man sich dort ruhig unterhalten kann. Viele besuchen eine
    Ausstellung nicht des Kunstgenusses wegen, sondern um sich selbst
    zur Schau zu stellen. Es ist nicht taktvoll, mit lauter Stimme sein Urteil
    zu verkünden, in der Absicht andere zu erziehen. Rubens und
    Leonardo da Vinci warten nicht auf unser Urteil und was den
    Nachwuchs betrifft, so wollen wir es den Kunstkritikern überlassen,
    sich als erste über den Wert eines Bildes zu irren. Ehe wir behaupten,
    dass unser vierjähriger Sohn so viel Talent wie Picasso hat, und dass
    wir selbst, wenn wir wollten... müssen wir gewiss sein, dass ein Picasso
    sich nicht in unserer nächsten Umgebung befindet. Unser Ausspruch
    könnte ihn nur erheitern, wir aber wären verlegen, da wir das gleiche
    Urteil über einen heutigen Maler gefällt haben, wie die Zeitgenossen
    Cezannes und Van Goghs über diese.
    WO GETANZT WIRD...
    Hausbälle werden jeden Tag seltener und die Tanzkarte gehört der
    Vergangenheit an. Man braucht nicht mehr mit seinem Namen zu
    unterschreiben, um das Glück zu haben, mit der erwählten Dame
    tanzen zu dürfen. Wer die Sitte ablehnt, dass man eine jede Frau, die
    einem gefällt, zum Tanz auffordern darf, der muss Bälle und
    Tanzgelegenheiten meiden. Eine Dame darf nicht den einen Tänzer
    ablehnen und mit dem anderen tanzen, es sei denn der
    zurückgewiesene Tänzer ist nicht mehr anwesend. Ein Herr hat das
    Recht, auf einem Ball oder bei einer Tanzgelegenheit eine Dame
    aufzufordern, die er garnicht kennt. Er geht zu ihrem Tisch und,
    nachdem er die mit ihr am Tisch sitzenden Personen gegrüsst hat,
    bittet er sie zum Tanz. Nach dem Tanz muss er sie an ihren Tisch
    begleiten. Er verabschiedet sich mit einer leichten Verbeugung. In
    einem einzigen Fall kann die Dame sich weigern, mit einem
    Unbekannten zu tanzen: wenn sie von ihm zu jedem Tanz geladen
    wird. Man kann vorschützen müde zu sein oder den Tanz bereits
    versprochen zu haben, denn kein Herr darf eine Dame einen ganzen
    Abend mit Beschlag belegen. Wenn ein offensichtlich verliebtes Paar
    zusammensitzt, sollte ein Mann Takt genug haben, die betreffende
    Dame nicht aufzufordern. Er vermeidet es lieber, sich einen Korb zu
    holen.
    SPORT UND SPIEL.
    Sport und Spiel gehören zum Kapitel »Seid gütig und rücksichtsvoll
    zu Unbekannten«, weil man beim Sport freundschaftliche Gefühle
    durch sportlichen Geist ersetzt. Man beachtet selbstverständlich die
    Regeln des Spiels, wer gewinnt, soll nicht übermässig triumphieren.
    Die Pflichten der Galanterie des Herrn der Dame gegenüber sind beim
    Sport sehr begrenzt. Ein Mann muss — Gott sei Dank! — die Frau nicht
    gewinnen lassen, nur weil sie eine Frau ist. Wenn Frauen sich mit
    Männern messen wollen, müssen sie ihre männlichen Eigenschaften
    beweisen. Ein Tennisspieler muss nicht die Bälle in der weiten
    Landschaft suchen, nur weil sie von einer Frau zu hoch geworfen
    wurden, denn bei einem männlichen Partner würde er ja auch nicht so
    spielen!
    SKILAUFEN.
    Ski laufen ist jene Sportart, welche die meiste Höflichkeit erfordert.
    Man wird nicht versuchen, durch Ueberholen die Anfänger aus der
    Fassung zu bringen. Man muss auch fair genug sein, einen Rekord
    aufzustellen, wenn ein verwundeter Skiläufer heimgebracht werden
    soll. Eine Frau trägt jedoch ihre Bretter selbst, sie soll nicht mit galanten
    männlichen Partnern rechnen.
    BRIDGE.
    Auf Bridge angewandt, erscheinen die Worte »Sport« und »Spiel« zu
    schwach, um jene Leidenschaft auszudrücken, die dem Bridge
    innewohnt. Bridge ist ein so aggressives Spiel, und Fehler werden so
    unbarmherzig gerügt, dass man jedem, der nicht kämpferisch genug ist
    oder dessen Kenntnisse nicht ausreichen, abraten muss zu spielen.
    Auch wenn man ihn inständig bittet, den vierten Mann zu spielen,
    sollte er sich nicht verleiten lassen mitzuspielen.
    Man bewundert vielleicht die Sieger, aber man liebt eher die Besiegten.
    Wenn wir keine Weltmeister werden und unserem Gegenspieler
    gefallen wollen, ist es klüger, wenn wir nicht unbedingt zu gewinnen
    trachten.
    WENN MAN RAUCHT..
    Die Aufschrift, die man noch in alten Eisenbahnwagen findet,
    »Raucher« oder »Nichtraucher« erinnern uns, dass es eine noch nicht
    allzuferne Zeit gab, in der man zum Beispiel die Erlaubnis der
    weiblichen Mitreisenden erbitten musste, ehe man eine

Weitere Kostenlose Bücher