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Der Gute Ton 1950

Der Gute Ton 1950

Titel: Der Gute Ton 1950 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans H. Wiese
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getroffen habe, lasse
    ich Sie nicht mehr los«. Der Takt verlangt, dass Ihre Bekannten nicht
    ihre ganze Zeiteinteilung ändern müssen, weil sie das
    ausserordentliche Glück hatten, Ihnen zu begegnen.
    DER HÄNDEDRUCK.
    Es ist nicht notwendig, auf der Strasse oder in einem öffentlichen
    Gebäude die Hand zu reichen.
    Sehen Sie aber Bekannte bei einem privaten Zusammentreffen, so
    müssen Sie sie mit Händedruck begrüssen. Der erste Anstoss zu einem
    Händedruck kommt immer der bedeutenderen Person zu, in unserer
    ritterlichen Gesellschaft also fast immer der Dame, wie wir schon
    bemerkten, ist es dagegen die unbedeutendere Person, die den Gruss
    entbietet. Der Herr nimmt als Gruss seinen Hut ab, die Dame reicht die
    Hand.
    Uebrigens ist es nur bei uns Sjtte, dass die weniger bedeutende
    Person zuerst grüsst. In anderen Ländern gibt die Dame das Zeichen,
    ob sie gegrüsst sein will oder nicht. Der Gruss ist dort nicht Ausdruck
    des Respekts wie bei uns, sondern eine freundschaftliche Aeusserung.
    Wenn wir jemanden während des Essens im Restaurant oder Teesalon
    begrüssen, ist es nicht korrekt, sich an den Tisch zu begeben, und den
    Betreffenden beim Essen zu stören. Wir grüssen nur durch Neigen des
    Kopfes.
    MIT ODER OHNE HANDSCHUH.

    Man kann nicht vom Händedruck sprechen, ohne die
    Handschuhfrage zu streifen. Man reicht nie ein behandschuhte Hand.
    Dies ist nur gestattet, wenn es sich um Zeremonienhandschuhe
    handelt. In neuster Zeit macht sich eine starke Strömung gegen die
    Gewohnheit des Ausziehens der Handschuhe beim Gruss bemerkbar.
    Dies würde in der Tat den Kontakt mit feuchten Händen im Sommer
    vermeiden, und die Gefahr der Ansteckung im Winter vermindern.
    Aber wir sind noch nicht so weit. Heute ist es allerdings schon
    gestattet, dass eine Dame beim Händedruck einen Lederhandschuh
    trägt.
    DER HANDKUSS.
    Viele betrachten ihn als das reizende Vorrecht entzückend
    altmodischer Leute. Unsere Zeit, die so leicht über veraltete Feinheiten
    hinweggeht, hat ihn lange stiefmütterlich behandelt. Das war nicht
    richtig. Man hat nun den Irrtum eingesehen, und man sucht heute die
    Sitte des Handkusses, der früher die zeremoniellste Begrüssungsart
    war, mehr und mehr einzuführen.
    In Frankreich und auch in einigen Gegenden Deutschlands, galt der
    Handkuss als ein wenig unanständig. Darum war es auch verboten, die
    Hand eines jungen Mädchens zu küssen. Seine Tugend hätte darunter
    leiden können! Deshalb wurde der Handkuss in gewissen Kreisen
    durch den Händedruck ersetzt. Man muss jedoch zugeben, dass der
    Handkuss viel ritterlicher und ästhetischer ist, als ein Händedruck.
    Natürlich soll die Dame ihre Hand reichen, nachdem sie ihren
    Handschuh ausgezogen hat. Wenn es auch möglich ist, eine vom
    Zeremonienhandschuh umhüllte Hand zu drük-ken, so ist es
    unvorstellbar, eine behandschuhte Hand zu küssen. Die Gewohnheit,
    den Handschuh einer Dame zurückzuschlagen und einen Kuss auf ihr
    Handgelenk zu hauchen, ist mehr als unanständig. Will ein Herr eine
    Damenhand küssen, so ergreift er sie zart, ohne sie zu drücken, und
    nähert sie seinen Lippen, indem er sich gleichzeitig beugt, sodass sich
    Hand und Lippen auf halbem Weg treffen. Je bedeutender die Dame
    ist, desto tiefer beugt sich der Herr. — Der Handkuss ist kein leichtes
    Unterfangen. Der Kuss darf nur wie ein Hauch die Hand der Dame
    streifen. Er darf nicht hörbar sein.
    In Deutschland ist der Handkuss auch unverheirateten Damen
    gegenüber erlaubt. Man kann also die Regeln des Handkusses schon
    den Kindern erklären, da sie nicht wissen müssen, ob eine Dame eine
    verheiratete Frau oder ein Mädchen ist. Warum sollte man die Kinder
    also nicht schon in jungen Jahren dazu anhalten, ihn zu üben?
    Der Handkuss ist wie der Tanz oder wie die Aussprache einer
    fremden Sprache: um erfolgreich zu sein, ist es gut, so jung wie
    möglich anzu. fangen. Wird ein Handkuss ohne Eleganz ausgeführt, so
    erinnert er an einen dressierten Hund oder Affen. Ist man unbegabt,
    soll man anderen überlassen, ihr Talent zu zeigen und ganz einfach mit
    einer leichten Verbeugung die Hand drücken. Eine zu tiefe
    Verbeugung scheint unterwürfig. Im allgemeinen sind die
    Verbeugungen bei uns immer zu tief, weshalb man uns im Ausland
    allzu grosse Höflichkeit vorwirft.
    Eine Dame darf ihre Hand niemals zur Höhe der Lippen des Herrn
    erheben. In diesem Falle hätte er beinahe das Recht sie
    herunterzudrücken und kräftig zu schütteln, wie die

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