Der Gute Ton 1950
Zigarette
anzünden durfte. Als die Kriegseinschränkungen dem Rauchen
Seltenswert verliehen, wurden beinahe alle Evastöchter zum Rauchen
bekehrt. Sie haben dem gleichen Gefühl gehorcht wie die meisten
jungen Leute, die nur rauchen, um es den Kameraden gleichzutun und
weil ihre Eltern ihnen das Rauchen einmal verboten. Heutzutage stört
der Rauch vielleicht eher den Mann als die Frau. Aber er muss leiden
ohne zu klagen, er ist seinem Henker ausgeliefert. Es ist unerzogen und
verboten, im Theater oder im Kino zu rauchen. Auch bei Tisch raucht
man nicht; es wäre nur ein Zeichen, wie weit man dem Genuss des
Nikotins bereits verfallen ist!
Man sollte nicht rauchen, wenn man nicht die Absicht hat, seinen
Freunden eine Zigarette anzubieten. Wenn wir im Zug jemand
kennenlernen, mit dem wir uns angeregt unterhalten, müssen wir ihn
als Freund betrachten, auch wenn diese Freundschaft nur eine Stunde
dauern sollte. Wir dürfen nicht rauchen, ohne ihm die Möglichkeit zu
geben mitzutun.
Eine Zigarre raucht man nur nach einem guten Essen unter Männern,
wenn Damen dabei sind, bittet man sie um ihre Einwilligung. Sollte
eine der Damen Dänin sein, bietet man ihr sogar eine Zigarre an. Man
beisst nicht die Spitze mit den Zähnen ab und spuckt sie aus, sondern
benutzt dazu sein Taschenmesser oder einen Zigarrenabschneider. Ein
Zigarrenraucher vergisst auch nicht, vor dem Anzünden den
Papierring abzunehmen.
Pfeifenrauch belästigt auch heute noch viele Menschen. Wenn Sie
noch Herr Ihres »Lasters« sind, müssen Sie darauf verzichten,
woanders als zu Hause in Ihrem gemütlichen Sessel Ihre Pfeife zu
rauchen, wenn also niemand das Recht hat, sich über Sie zu beklagen.
Pfeifenraucher glauben ein reines Gewissen zu haben, wenn sie die
Erlaubnis der Anwesenden zum Rauchen erhielten. Man weiss doch,
dass niemand eine solche direkte Bitte ablehnt. Deshalb sollte man eine
solche Frage garnicht erst stellen.
BEIM VERKAUFEN.
Die Zeit ist vorbei, als der Verkaufende, überzeugt von seiner Macht,
hochmütiger noch als ein König war, während der Kunde, bescheiden
wie ein Bettler, ihm beinahe die Hand küssen musste für die Gnade,
nach ein oder zwei Stunden Wartens, vielleicht unter strömendem
Regen, für sein gutes Geld, eine Ware von zweifelhafter Qualität in
Empfang nehmen zu dürfen. Der Verkäufer ist nicht mehr der Herr der
Situation. Und der Kunde fängt wieder an, »immer Recht zu haben«.
Wenn auch die Verkäufer nicht mehr s o anmassend sind, so kennen
doch nur wenige ihre Pflicht. Ein Kunde soll nicht wie ein alter
Familienfreund empfangen werden, sondern mit vollendeter
Höflichkeit. Man mustert ihn nicht mit einem Blick von Kopf bis Fuss,
um seine Einkaufsmöglichkeiten abzuschätzen. Es ist sicher gut, wenn
der Verkäufer auf den ersten Blick den Kunden, der wirklich kaufen
will, von dem unterscheidet, der sich die Ware nur zeigen lässt, in der
festen Absicht nichts zu kaufen. Aber die wahre Kunst ist es, Menschen
etwas zu verkaufen, die keine Ausgaben machen wollten, die zu
verführen, die nicht verführt werden wollen. Wenn ein Kunde eine
Ware verlangt, die das Geschäft nicht führt, darf der Verkäufer durch
sein Benehmen nicht zum Ausdruck bringen, dass er diese Frage für
eine persönliche Beleidigung hält. Er soll bedauern und sagen, bis
wann er mit dem Eintreffen dieser Ware wieder rechnet. Warum sollen
wir einem Käufer, der sich in der Spezialität des Hauses geirrt hat,
nicht ein anderes Geschäft empfehlen, in welchem er das findet, was er
sucht. Die Amerikaner, die eine gute Verkaufstechnik haben, zeigen in
dem Film »Wunder in der 34. Strasse« einen Heiligen Nikolaus, der
einen originellen Weg fand, den Umsatz seiner Firma zu verdoppeln.
Er erklärt den Kunden, wo sie die Spielsachen finden, die sein Geschäft
nicht führt. Die Kunden sind so entzückt von dieser grosszügigen
Auskunft, dass sie trotzdem im »freundlichen Laden« kaufen. Sie
ziehen ihn allen anderen vor! Man kauft lieber in einem Geschäft, in
dem man liebenswürdig empfangen und beraten wird, als dort, wo
man als Bittsteller angesehen wird. Manche Verkäufer glauben, auf den
Kunden durch gewaltsame Reden Eindruck zu machen und ihn zum
Verkauf zu bestimmen. Sie erzählen, dass eine solche Ware wie sie sie
haben, nirgends mehr zu finden sei, dass der Käufer ein unerhörtes
Glück hat, so einem Verkäufer zu begegnen, der ihm bedauerliche
Geschmacksfehler erspart und dass
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