Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Gute Ton 1950

Der Gute Ton 1950

Titel: Der Gute Ton 1950 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans H. Wiese
Vom Netzwerk:
Zigarette
    anzünden durfte. Als die Kriegseinschränkungen dem Rauchen
    Seltenswert verliehen, wurden beinahe alle Evastöchter zum Rauchen
    bekehrt. Sie haben dem gleichen Gefühl gehorcht wie die meisten
    jungen Leute, die nur rauchen, um es den Kameraden gleichzutun und
    weil ihre Eltern ihnen das Rauchen einmal verboten. Heutzutage stört
    der Rauch vielleicht eher den Mann als die Frau. Aber er muss leiden
    ohne zu klagen, er ist seinem Henker ausgeliefert. Es ist unerzogen und
    verboten, im Theater oder im Kino zu rauchen. Auch bei Tisch raucht
    man nicht; es wäre nur ein Zeichen, wie weit man dem Genuss des
    Nikotins bereits verfallen ist!
    Man sollte nicht rauchen, wenn man nicht die Absicht hat, seinen
    Freunden eine Zigarette anzubieten. Wenn wir im Zug jemand
    kennenlernen, mit dem wir uns angeregt unterhalten, müssen wir ihn
    als Freund betrachten, auch wenn diese Freundschaft nur eine Stunde
    dauern sollte. Wir dürfen nicht rauchen, ohne ihm die Möglichkeit zu
    geben mitzutun.
    Eine Zigarre raucht man nur nach einem guten Essen unter Männern,
    wenn Damen dabei sind, bittet man sie um ihre Einwilligung. Sollte
    eine der Damen Dänin sein, bietet man ihr sogar eine Zigarre an. Man
    beisst nicht die Spitze mit den Zähnen ab und spuckt sie aus, sondern
    benutzt dazu sein Taschenmesser oder einen Zigarrenabschneider. Ein
    Zigarrenraucher vergisst auch nicht, vor dem Anzünden den
    Papierring abzunehmen.
    Pfeifenrauch belästigt auch heute noch viele Menschen. Wenn Sie
    noch Herr Ihres »Lasters« sind, müssen Sie darauf verzichten,
    woanders als zu Hause in Ihrem gemütlichen Sessel Ihre Pfeife zu
    rauchen, wenn also niemand das Recht hat, sich über Sie zu beklagen.
    Pfeifenraucher glauben ein reines Gewissen zu haben, wenn sie die
    Erlaubnis der Anwesenden zum Rauchen erhielten. Man weiss doch,
    dass niemand eine solche direkte Bitte ablehnt. Deshalb sollte man eine
    solche Frage garnicht erst stellen.
    BEIM VERKAUFEN.
    Die Zeit ist vorbei, als der Verkaufende, überzeugt von seiner Macht,
    hochmütiger noch als ein König war, während der Kunde, bescheiden
    wie ein Bettler, ihm beinahe die Hand küssen musste für die Gnade,
    nach ein oder zwei Stunden Wartens, vielleicht unter strömendem
    Regen, für sein gutes Geld, eine Ware von zweifelhafter Qualität in
    Empfang nehmen zu dürfen. Der Verkäufer ist nicht mehr der Herr der
    Situation. Und der Kunde fängt wieder an, »immer Recht zu haben«.
    Wenn auch die Verkäufer nicht mehr s o anmassend sind, so kennen
    doch nur wenige ihre Pflicht. Ein Kunde soll nicht wie ein alter
    Familienfreund empfangen werden, sondern mit vollendeter
    Höflichkeit. Man mustert ihn nicht mit einem Blick von Kopf bis Fuss,
    um seine Einkaufsmöglichkeiten abzuschätzen. Es ist sicher gut, wenn
    der Verkäufer auf den ersten Blick den Kunden, der wirklich kaufen
    will, von dem unterscheidet, der sich die Ware nur zeigen lässt, in der
    festen Absicht nichts zu kaufen. Aber die wahre Kunst ist es, Menschen
    etwas zu verkaufen, die keine Ausgaben machen wollten, die zu
    verführen, die nicht verführt werden wollen. Wenn ein Kunde eine
    Ware verlangt, die das Geschäft nicht führt, darf der Verkäufer durch
    sein Benehmen nicht zum Ausdruck bringen, dass er diese Frage für
    eine persönliche Beleidigung hält. Er soll bedauern und sagen, bis
    wann er mit dem Eintreffen dieser Ware wieder rechnet. Warum sollen
    wir einem Käufer, der sich in der Spezialität des Hauses geirrt hat,
    nicht ein anderes Geschäft empfehlen, in welchem er das findet, was er
    sucht. Die Amerikaner, die eine gute Verkaufstechnik haben, zeigen in
    dem Film »Wunder in der 34. Strasse« einen Heiligen Nikolaus, der
    einen originellen Weg fand, den Umsatz seiner Firma zu verdoppeln.
    Er erklärt den Kunden, wo sie die Spielsachen finden, die sein Geschäft
    nicht führt. Die Kunden sind so entzückt von dieser grosszügigen
    Auskunft, dass sie trotzdem im »freundlichen Laden« kaufen. Sie
    ziehen ihn allen anderen vor! Man kauft lieber in einem Geschäft, in
    dem man liebenswürdig empfangen und beraten wird, als dort, wo
    man als Bittsteller angesehen wird. Manche Verkäufer glauben, auf den
    Kunden durch gewaltsame Reden Eindruck zu machen und ihn zum
    Verkauf zu bestimmen. Sie erzählen, dass eine solche Ware wie sie sie
    haben, nirgends mehr zu finden sei, dass der Käufer ein unerhörtes
    Glück hat, so einem Verkäufer zu begegnen, der ihm bedauerliche
    Geschmacksfehler erspart und dass

Weitere Kostenlose Bücher