Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Gute Ton 1950

Der Gute Ton 1950

Titel: Der Gute Ton 1950 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans H. Wiese
Vom Netzwerk:
füllen will. Die Herren können das Glas der Damen füllen; sie
    giessen Wasser aber nur auf besonderen Wunsch dazu. In Frankreich
    füllt man das Glas der Gäste, sobald es ein wenig geleert ist, wie etwa
    der Ober bei uns in einem Lokal einem Gast zwischen zwei Glas Bier
    keine Ruhe lässt. So eifrig sollte man bei einer Einladung nicht sein, die
    Damen könnten fürchten, dass die Herren die Wirkung des Alkohols
    beschleunigen wollten. Beim Wechseln der Gedecke hilft jeder Gast ein
    wenig mit.
    Man legt Messer und Gabel nach dem Essen nebeneinander auf den
    Teller. Man soll den Teller nicht nach der Mitte des Tisches schieben.
    Man reicht ihn seinem Nachbarn, wenn man zu weit von der Hausfrau
    entfernt ist, um ihn ihr direkt beim Abräumen zu geben. Das gleiche
    gilt für die reinen Teller, die gebracht werden. Man hält sie von unten
    und setzt den Daumen an den Rand, damit der Teller nicht rutschen
    kann. Dadurch wird auch vermieden, dass die Gäste auf ihrem Teller
    Fingerabdrücke der Hausfrau oder ihres Nachbarn »bewundern«.
    DER »START«.
    Viele Gäste glauben, dass es bei einem grossen Essen unhöflich ist,
    sofort anzufangen, wenn man sich aufgelegt hat, sondern dass man auf
    das Zeichen zum Beginn durch die Hausfrau warten soll. Es ist besser,
    gleich zu beginnen, nachdem man bedient ist, dadurch wird das
    Servieren einfacher. Natürlich beginnt man in kleiner Gesellschaft
    gemeinsam. Das gleiche gilt für das Trinken. Man wartet bei uns bis
    die Hausfrau das Zeichen gibt. Im Ausland trinkt man, wann man will;
    deshalb dürfen wir nicht erstaunt sein, wenn unsere ausländischen
    Gäste trinken, ohne vorher Prost zu sagen.
    Aber wir wollen unsere alte Sitte nicht ändern und wir wollen
    weiterhin warten, bis die Dame des Hauses uns ihr »Prost« bietet.
    Wenn das Besteck nicht direkt neben den Teller gelegt werden kann,
    reicht man es dem Gast beim Griff, wobei die Klinge auf der Seite des
    Reichenden bleibt. So wird auf der Klinge kein Fingerabdruck zu sehen
    sein. Aber diese Erleichterungen in der Etikette entbinden Sie nicht von
    der Verpflichtung, Ihrem rechten Nachbarn die Platte zu halten, wenn
    er sich bedient, da eine Platte nicht auf dem Tisch stehen darf. Aber
    auch dieser Grundsatz wird nicht immer beachtet.
    MANIEREN BEI TISCH.
    In den letzten Jahren hat sich vieles in der Frage der Manieren bei
    Tisch geändert und vereinfacht. Aber darüber kann man sich
    schwerlich freuen. Viele Menschen stehen auf dem Standpunkt, dass es
    vorteilhafter ist, statt der Gabel die Finger zu nehmen, da ja auch
    Stammvater Adam keine Gabel kannte. Es ist seltsam, dass
    Grundsätze, die vor ein paar Jahren noch unbestritten waren, heute nur
    noch für eine Minderheit gelten und man muss befürchten, dass gute
    Manieren bei Tisch mit der Zeit als reaktionär gelten könnten.
    Allerdings ist Essen, das heisst die Nahrung vom Teller zum Mund
    bringen, keine ästhetische Sache. Bald wird das Wort »Essen« in
    unserer Sprache keine Daseinsberechtigung mehr haben, umsomehr als
    die deutsche Sprache ein anderes Wort zur Verfügung hat, diese
    Handlung zu bezeichnen, wenn es sich um Tiere handelt. Wir raten
    allen jenen, die die Eleganz am Tisch verachten, einmal ihre Mahlzeit
    vor einem Spiegel einzunehmen. Dann werden sie einmal den Anblick
    gemessen, den sie so oft und so grosszügig ihrem Nachbarn bieten,
    wenn sie bei Freunden, in der Oeffentlichkeit oder zu Hause
    essen, denn auch unsere Angehörigen und intimen Freunde sind
    einiger Rücksicht würdig. Während eines solchen »Probeessens« sollte
    tiefe Stille herrschen, damit bei jedem Löffel Suppe das schlürfende
    Geräusch zu hören ist, welches man selbst verursacht. Auch beim
    Salatessen werden sie bald entdecken, dass sie lauter kauen als
    zwanzig Hasen. Und was ist das für eine Art, am Tisch zu sitzen? Ist es
    wirklich so anstrengend zu essen, dass der Kopf fast auf dem Tisch
    liegen muss und man den Arm nicht heben kann? Und ist der Weg
    vom Kopf zum Teller kürzer als vom Löffel zum Mund? Es ist wohl
    überflüssig zu erwähnen, dass man mit vollem Mund weder spricht
    noch trinkt. Wenn man sich selbst gegenüber nicht allzu nachsichtig ist,
    wird man mit dem Bild, das der Spiegel zurückstrahlt, nicht sehr
    zufrieden sein.
    RICHTIGES BENEHMEN BEI TISCH.
    Der Herr wartet, bis alle Damen sitzen, bevor er den ihm
    angewiesenen Platz einnimmt. Aber er wartet nicht untätig, er ist
    seiner Tischdame behilflich, indem er den Stuhl zurückzieht, damit

Weitere Kostenlose Bücher