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Der Gute Ton 1950

Der Gute Ton 1950

Titel: Der Gute Ton 1950 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans H. Wiese
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wenn einer nicht gekommen ist. Die
    Situation ist schlimm, noch schlimmer als Sie es ahnen können, wenn
    Sie nicht abergläubisch sind. Aber die meisten Menschen sind es. Es
    lohnt sich nicht, ihnen zu erklären, dass es dumm sei, an diese
    Altweibergeschichten zu glauben, dass sie sich schämen sollten, sich in
    einem so aufgeklärten Jahrhundert noch wie kleine Kinder
    beeindrucken zu lassen... Man erwartet von Ihnen kein
    Glaubensbekenntnis. Wie viele hervorragende Menschen haben diesen
    Aberglauben! Balzac zum Beispiel war bestimmt kein Ignorant,
    trotzdem hat er fest an die Karten und ans Hellsehen geglaubt, und
    viele grosse Männer haben auf jenen Augenblick gewartet, den das
    Schicksal angeblich für sie bestimmt hatte... und haben ihre
    Entscheidungen auf günstige Tage verschoben.
    Auch Ihre Gäste dürfen mit Recht ablehnen, sich an einen Tisch zu
    setzen, an dem schon 12 Personen sitzen. Wenn sich eine solche
    »Katastrophe« ereignet, können Sie einen Freund anrufen, der es nicht
    allzu genau mit der Etikette nimmt. Der Gebrauch des Telephons ist in
    dieser »Lebensgefahr« durchaus erlaubt. Nur wählen Sie nicht
    jemanden, den Sie eigentlich auch hätten einladen müssen und
    gratulieren Sie sich nicht, dass das Schicksal Sie zwingt, diese
    absichtliche Vergessenheit wieder gut zu machen. Natürlich ist Ihnen
    der Gast, der Sie »gerettet« hat, keine Einladung schuldig. Er soll sich
    auch nicht als richtiger Gast betrachten, sondern nur als »Notanker«.
    Wenn Sie kein »Opfer« finden, gibt es nur eine Lösung: Sie stellen
    einen kleinen Tisch neben den grossen, daran wird ein junges Paar
    Platz nehmen und darunter der abergläubischste Ihrer Gäste. Wenn im
    Laufe des Essens Salz verschüttet wird, dürfen Sie sich nicht über die
    lustig machen, die mit der linken Hand eine Prise Salz über ihre rechte,
    oder mit der rechten Hand über die linke Schulter werfen. Die anderen
    Tischgenossen können diesem Beispiel folgen, um das »Schicksal zu
    beschwören«.
    DAS PERSONAL.
    Wenn Ihnen geübtes Personal zur Verfügung steht, das schon in
    grossen Häusern gedient hat, lassen Sie es seine Livree und weisse
    Handschuhe anziehen und kümmern Sie sich um nichts mehr. Aber
    dies ist heute ziemlich selten der Fall, und gewöhnlich hat die
    Hausfrau nur eine Stundenfrau bestellt, die vielleicht nicht einmal
    geschickt in der Kunst des Servierens ist. Dann muss die Hausfrau
    genaue Anweisungen geben, ehe das Essen beginnt. Ihre Gäste sollen
    nicht Zeugen peinlicher Szenen sein! Das genaue Programm muss
    vorher und nicht nach dem Essen festgelegt werden. Die Bedienung
    soll klappen, ohne dass die Gastgeber dem Personal Anweisungen zu
    geben brauchen, und noch weniger sollten dies die Gäste tun müssen.
    Das Personal muss so aufmerksam sein, dass die Gäste nicht
    gezwungen sind zu sagen, dass sie Durst haben oder ein Königreich
    für ein Stück Brot gäben.
    Nur Herren können dem Personal ein wenig helfen: sie können zum
    Beispiel ihrer Tischdame Wein einschenken, wenn er in Karaffen auf
    dem Tisch steht. S\ie werden auch das Mädchen rufen, wenn ihre
    Tischdame etwas benötigt, was nicht auf dem Tisch steht. Wenn ein
    Besteck zu Boden fällt, hebt es nicht der Gast auf, sondern das
    Mädchen, das das Besteck sofort wechselt. Wenn eine der Damen ihre
    Serviette fallen lässt, sollte sie sich nicht bücken, um sie aufzuheben.
    Sie könnte ihren Kopf mit dem ihres Nachbarn stossen, wenn er im
    gleichen Augenblick das gleiche tun will.
    Die Platten werden den Gästen von links gereicht, damit sie bequem
    mit der rechten Hand zugreifen können. Man bedient in der
    Tischordnung, das heisst, zuerst werden die Platten den Damen
    gereicht, und zwar in der Reihenfolge ihrer Plätze; man beginnt also
    mit der Dame, die den Ehrenplatz neben dem Hausherrn innehat. Es
    folgt die Dame links des Hausherrn usw., bis alle Damen, als letzte die
    Frau des Hauses, bedient sind. Nun werden die Herren, gleichfalls in
    der Rangordnung ihrer Plätze, bedient. Wenn aber ein Geistlicher
    neben der Dame des Hauses sitzt, werden ihm als Erstem, selbst vor
    den Damen, die Speisen gereicht. Zuletzt wird der Hausherr bedient.
    Man unterscheidet mehrere Arten des Servierens, die englische,
    französische und russische. In England wie auch in Frankreich
    kommen die Gerichte unzerteilt auf die Tafel, häufig steht der erste
    Gang schon auf dem Tisch, wenn die Gäste erscheinen. Die russische
    Art des Servierens bereitet sämtliche

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