Der Gute Ton 1950
Platte!
Die Platten sollen nicht zu hoch gereicht werden, damit sich die
Gäste ohne Schwierigkeit bedienen können. Während ein Mädchen die
Platte reicht, nähert sich ein zweites mit der Sauce. Wenn nur ein
Mädchen da ist, trägt es in einer Hand die Platte, in der anderen die
Sauce.
Die Platten werden im allgemeinen ein zweites Mal angeboten, aber
niemand ist verpflichtet, zweimal zu nehmen. Die Gastgeber sollen
nicht schmerzlich enttäuscht sein, wenn ihre Gäste nur einmal
zugreifen und sie keinesfalls fragen, ob es ihnen nicht geschmeckt
habe.
DIE WEINE.
Man giesst von der linken Seite ein. Die Bedienung muss dafür
sorgen, dass die Gläser nicht leer werden. Es soll immer eingeschenkt
werden, bis die Gäste dankend ablehnen. Der Wein wird vom Per-
sonal immer aus der Flasche eingeschenkt. Bei einer grossen
Festlichkeit meldet die Bedienung mit leiser aber verständlicher
Stimme, welcher Wein nun gereicht wird. Der Gast sollte kein
Stückchen Korken oder Lack in seinem Glas finden; kommt es
trotzdem vor, wird er nicht versuchen, es mit dem Finger
herauszufischen. Die Bedienung, der nichts entgehen sollte, tauscht das
Glas sofort gegen ein anderes um. Es soll aber nicht dasselbe sein, aus
dem die »Zugabe« herausgenommen wurde. Wenn nicht viel oder kein
Personal da ist, öffnet der Hausherr selbst die Flaschen. Er giesst den
ersten Schluck in sein Glas, da eventuell ein Stückchen Kork
mitkommen könnte, dann bedient er seine Gäste und füllt sein Glas als
letztes. Man hält die Flasche beim Eingiessen möglichst tief und legt
dabei den Zeigefinger auf den Flaschenhals. Die Gläser werden nicht
bis an den Rand gefüllt und die Flasche soll nicht näher als 1 cm an das
Glas heranreichen. Wenn man die Flasche wieder hochhebt, dreht man
sie ein wenig, damit der letzte Tropfen nicht herunterfällt. Ausserdem
hat man eine Serviette in der Hand, um die Flasche abzutrocknen.
Wir brauchen nicht zu betonen, dass man auf keinen Fall zwei
verschiedene Weine aus dem gleichen Glas trinkt, auch wenn es sich
um ähnliche Weinsorten handelt.
TELLER UND BESTECKE
müssen bei jedem Gang gewechselt werden. Wenn man nicht
genügend Besteck hat, kann man schlimmstenfalls diese Regel
übersehen. Die Teller müssen jedoch nach jedem Gang gewechselt
werden, denn die Gäste sollen nicht den Geschmack des vorigen
Gerichts noch mitkosten. Nach einem Fischgericht müssen die Bestecke
und Teller auf jeden Fall gewechselt werden.
BEDIENUNG OHNE PERSONAL.
In einem Hause ohne Personal muss die Hausfrau geschickt planen.
Sie soll sich ihren Gästen widmen und darf nicht immer wieder das
abwesende oder nicht vorhandene Mädchen in der Küche ersetzen. Die
Gäste könnten peinlich berührt sein, dass sie soviel Arbeit verursachen.
Sie soll auch nicht ihre Gäste einspannen. Bei uns schickt es sich nicht,
die männlichen Gäste zu den »Freuden des gemeinsamen
Geschirrspülens« einzuladen. Wenn sich aber eine der Damen anbietet,
der Hausfrau zu helfen, soll man ihr dieses Vergnügen nicht
verwehren. Man bürdet ihr natürlich nicht die unangenehmsten und
schwierigsten Arbeiten auf. Man wird sie nicht in der Küche mit
Gläserwaschen und Besteckputzen beschäftigen.
Die Speisen müssen so gewählt sein, dass die Hausfrau den Herd
nicht ständig überwachen muss. Alles was zum Wechseln der Gedecke
notwendig ist, steht im Esszimmer in greifbarer Nähe, so dass die
Hausfrau zwischen jedem Gang nur einmal aufstehen muss. Man
bedient in kleinerem Rahmen nicht in der gleichen Art wie wir es für
das grosse Festessen schilderten. Die Hausfrau ersetzt nicht das
Mädchen und reicht nicht die Platten jedem Gast. Man lässt vielmehr
die Platten von Hand zu Hand gehen. Es wäre in diesem Fall
lächerlich, die Rangordnung zu beachten, man beginnt lediglich bei
der Ehrenperson, die dann die Platten ihrem Nachbarn reicht. Das
gleiche gilt für das Einschenken des Weins. Wie schon erwähnt, darf
auf dem Tisch aus ästhetischen Gründen keine Weinflasche stehen.
Nur das Mineralwasser darf in seiner Originalflasche auf dem Tisch
erscheinen, da es durch ein Umgiessen allzuviel von seiner prickelnden
Eigenschaft verlieren würde. Bei Wein besteht diese Gefahr nicht. Die
Versorgung der Gäste mit Wein ist wesentlich einfacher, wenn auf dem
Tisch ein paar gefüllte Karaffen stehen. Dadurch muss man die Flasche
nicht jedesmal über den ganzen Tisch reichen, wenn einer der Gäste
sein Glas
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