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Der Gute Ton 1950

Der Gute Ton 1950

Titel: Der Gute Ton 1950 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans H. Wiese
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Brot, es
    wäre zu deutlich ausgedrückt, dass man vor Hunger stirbt und dass
    die Pausen zu lange dauern. Man soll auch die unästhetische
    Angewohnheit unterlassen, kleine Brot-kügelchen zu drehen. Es ist
    vielleicht unterhaltend und nervenberuhigend, aber es ist wirklich
    nicht appetitlich dabei zuzusehen. Es gibt auch Menschen, die mit der
    Brotkruste spielen, sie mit den Nägeln zerkleinern und mit dem
    Daumen zerdrücken!
    DIE GEWÜRZE
    Es ist peinlich für eine Hausfrau, wenn ihre Gäste die Speisen, die sie
    gerade gekostet hat, mit Pfeffer bestreuen oder das Fleisch unter einer
    Senfschicht begraben. Die Hausfrau kann sich mit Recht wundern, aber
    sie darf ihre Gäste nicht fragen, ob die Speisen wirklich zu wenig
    gewürzt sind. Ein gut erzogener Mensch wird es vermeiden, auf dem
    Tisch stehende Gewürze zu benutzen. Die Gewürze stehen nur für
    bestimmte Gerichte da, zum Beispiel für Suppenfleisch. Man bestreut
    die Speise mit Pfeffer, das Salz und den Senf tut man in kleinen
    Häufchen auf den Rand des Tellers und stippt je nach Geschmack
    darin ein.
    UM DAS UNERREICHBARE ZU ERREICHEN...
    Man zeigt bei Tisch nicht seine Begabung für Akrobatik, um einen
    weit entfernten Brotkorb oder ein Salzfässchen zu erreichen. Es ist
    unhöflich, mit seinem Arm an dem Nachbarn vorbeizureichen, um
    etwas zu holen, was auf dem Tisch steht. Man verlangt darum bei dem
    Personal was fehlt; wenn kein Personal da ist, soll man sich nicht vom
    Stuhl erheben, über den Tisch lehnen, um das »Unerreichbare« zu
    erreichen unter dem Motto, seinen Nachbarn nicht stören zu wollen. Es
    ist viel einfacher, seinen Nachbarn zu bitten, den Gegenstand zu
    reichen. Wenn er selbst noch zu entfernt von ihm ist, wird er seinerseits
    seinen Nachbarn bitten.
    WENN EIN MALHEUR PASSIERT!
    Jeder kann einmal eine Gabel oder ein Messer fallen lassen. Wenn
    Bedienung da ist, wird sofort auf einem Teller ein neues Besteck
    gebracht werden. Wenn keine Bedienung da ist, hebt man das Besteck
    so diskret wie möglich auf, und putzt es mit einem Stückchen Brot ab.
    Es kann auch jedem einmal passieren, dass er sich oder seinen
    Nachbarn befleckt. Dieser soll nicht sofort Zeter und Mordio schreien
    oder erklären, wie schrecklich das sei. Er wird nicht jeden darauf
    aufmerksam machen. Das Mädchen oder die Hausfrau wird nach dem
    Essen Fleckenwasser bereitstellen. Man darf nie bereits am Tisch
    anfangen zu putzen oder gar verschwinden. Man muss ruhig bis zum
    Kaffee warten und mit der Gastgeberin beraten, ob der Fleck bis zur
    Rückkehr nach Hause anstehen kann.
    WENN MAN TRINKT!
    schlägt man die Augen nieder, damit die anderen weder die
    Enttäuschung noch die Beglückung beim ersten Schluck bemerken. Vor
    dem Trinken soll man niemals vergessen seine Lippen abzuputzen,
    damit keine fettigen Spuren am Glasrand bleiben. Auf jene »feinen
    Manieren« können wir heute verzichten, die vor 30 Jahren »der letzte
    Schrei« waren: man musste damals beim Trinken den kleinen Finger
    zum Zeichen der Grazie möglichst weit von den anderen wegspreizen.
    WENN MAN SPRICHT!
    Es gibt Menschen, die während der ganzen Mahlzeit ihre Nase in
    den Teller neigen und den Mund nur aufmachen, um zu essen. Sie
    machen den Eindruck, als hätten sie keine Zeit zu versäumen. Andere
    sind unerschöpfliche Schwätzer am Tisch. Sie sind immer zuletzt fertig
    und halten die Bedienung auf. Und natürlich lässt sie die Höflichkeit
    der anderen Gäste glauben, dass ihre Worte jedermann entzücken. Sie
    halten ihre Rede mit einer Stimme, die den anderen Tischgenossen
    Achtung gebietet.
    Es ist nicht ratsam, sich in seiner Rede an den ganzen Tisch zu
    wenden. Man sollte seinem Nachbarn auch die Möglichkeit zu
    sprechen geben. Man hat Sie absichtlich neben Ihren Nachbarn gesetzt,
    damit Sie einander kennenlernen. Wenn Sie sich unterhalten, dürfen
    Sie diesem Gespräch keinen zu intimen Charakter geben, sonst wird
    man nachher von »Liebe auf den ersten Blick« zu Ihrem Nachbarn
    sprechen. Ihre beiden Nachbarn haben das
    gleiche Recht, sich zu unterhalten, es wäre nicht nett, sich einer
    einzigen Person zu widmen und der anderen nur den Rücken
    zuzuwenden.
    DIE WASSERSCHALE.
    Man benützt sie heute nur selten. Man denkt wahrscheinlich, dass
    die Menschen von heute essen können, ohne sich die Finger zu
    beschmutzen. Wasserschalen sind nur nach Speisen erforderlich, die
    man mit den Fingern essen muss, zum Beispiel bei Artischocken oder
    bei Fisch, der Gräten wegen. Das Wasser

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