Der Gute Ton 1950
Todesanzeige nicht. Wenn man einen
Beileidsbrief schicken will, schreibt man ihn auf weissem Papier, ohne
schwarzen Rand, wenn man nicht selbst in Trauer ist. Man darf kein
Beileid auf einer Visitenkarte ausdrücken.
DIE BEERDIGUNG.
Hinter dem Sarg gehen zuerst die Verwandten, die nächsten
Verwandten gehen zuerst. Man spricht am Friedhof das Beileid erst
aus, wenn der Sarg mit Erde bedeckt ist. Man kann das Beileid auch
schon in der Kirche ausdrücken. Die Herren, die bei einem Begräbnis
meist einen Zylinder tragen, nehmen ihn am Grab ab. Bei einem
israelitischen Begräbnis behält man den Hut auf. In vielen Gegenden
ist es heute noch Sitte, aus Ehrfurcht vor den Toten den Hut
abzunehmen, wenn man einem Leichenzug in der Strasse begegnet.
Dies scheint uns eine sehr schöne Sitte. In Frankreich begleitet in den
meisten Gegenden die Ehefrau den Leichenzug ihres verstorbenen
Mannes nicht.
DER BEILEIDSBESUCH.
Man besucht seine Freunde, auch wenn man dem Begräbnis
beigewohnt hat. Bei diesem Besuch wird nichts angeboten, es schickt
sich nicht in einem Haus, indem soeben jemand gestorben ist. Auf dem
Land ist es genau das Gegenteil, dort wird nach der Beerdigung ein
Essen serviert. Es ist für die Verwandten und Bekannten bestimmt, die
von weit her gekommen sind. Dieses Essen soll aber ganz einfach sein,
häufig wird aber auf dem Land ein richtiges Festessen daraus. Bei
einem Beileidsbesuch sprechen die Besucher nicht zuerst von dem
Toten. Sie warten, bis die Verwandten davon anfangen. Die Besucher
nehmen eine andächtige, arnste Haltung ein und sprechen einige
herzliche Worte. Man versucht, soweit es möglich ist, die Verwandten
zu trösten.
DIE TRAUERKLEIDUNG.
Auch wenn man nicht zu der Familie des Verstorbenen gehört, wird
man auf einer Beerdigung dunkle Farben tragen. Eine Dame wird
unbedingt in Schwarz erscheinen, ein Herr kommt möglichst in
Schwarz, vermeidet aber unbedingt hellere Farben als dunkelgrau. Er
trägt nur schwarze Schuhe, aber keine Lackschuhe. Er wird immer in
seiner Garderobe etwas finden, was für diese traurige Gelegenheit
passend ist.
Der Kleidermangel der Kriegszeit und der amerikanische Einfluss
haben die Regeln über die Trauerkleidung gelockert. Man sieht fast nie
mehr einen Herrn, der in der Trauerzeit ganz schwarz gekleidet ist. Er
trägt meistens einen Trauerflor und eine schwarze Kravatte. Den
Trauerflor trägt man am linken Arm oben. Im allgemeinen hat jemand,
der in Trauer ist, keine Lust helle Farben zu tragen, aber es ist nicht
nötig, dass jedermann auf den ersten Blick merkt, dass man in Trauer
ist. Die Arbeit muss wie vorher weitergehen, und wir können nicht
unsere Umgebung ständig an das Unglück erinnern, das uns getroffen
hat. Wir glauben, dass das moderne hastige Leben uns berechtigt, auf
viele der Aeusserlichkeiten zu verzichten, die früher zu einem
Trauerfall gehörten. Ohne den Toten schnell zu vergessen, sollten wir
doch versuchen, unser tägliches Leben wie bisher weiter zu leben, so
wie er es wahrscheinlich gewünscht hätte. Früher war die Trauer
besonders für die Frauen recht streng, und der Tod eines Vaters oder
eines Gatten verbot ihnen, vor Ablauf einer dreimonatigen Trauerzeit
überhaupt das Haus zu verlassen. Diese Einschlies-sung wäre heute
schon garnicht mehr möglich, weil eine Witwe gezwungen ist, für sich
und die Kinder zu sorgen. Sie kleidet sich natürlich auch in Schwarz,
wird aber nicht jeden Tag ihren Trauerschleier tragen. Die Trauerzeit
ist üblicherweise ein Jahr, es gibt Länder, in denen sie auf zwei Jahre
festgesetzt ist. Eine Witwe oder ein Witwer trägt ein Jahr tiefe Trauer
und ein weiteres Jahr Halbtrauer. Die Trauerzeit verkürzt sich, den
persönlichen Gefühlen nach und je nach dem Grad der
Verwandtschaft.
Man darf aber nie in Trauerkleidung heiraten. Wenn einer der
Ehegatten in Trauer ist, sollte am Tag nach der Hochzeit der neue
Ehepartner Trauer anlegen, gerade als hätte er seit dem Tag des
Todesfalles schon Trauer getragen. Wir erinnern daran, dass nur matte
Stoffe Trauerstoffe sind; Satin zum Beispiel darf nicht zu einem
Trauerkleid verwandt werden. Eine Dame trägt zu einem Trauerkleid
auch keinen Schmuck und keine Blumen.
DAS AUSGEHEN WÄHREND DER TRAUERZEIT.
Es gab eine Zeit, die sehr streng über einen Trauernden urteilte, wenn
er irgendwo unter Menschen erschien. Jetzt ist man verständiger
geworden und versucht, Freunden und Bekannten zu helfen,
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