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Der Gute Ton 1950

Der Gute Ton 1950

Titel: Der Gute Ton 1950 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans H. Wiese
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diese
    schwere Zeit zu überstehen. Man hat nicht nur dem Toten gegenüber
    Verpflichtungen, sondern auch dem Lebenden gegenüber. Es ist
    unmöglich, ganz abseits von allem zu leben, was sich auf der Welt
    bietet. Man kann niemand das Recht verwehren, am Rundfunk ein
    Sinfoniekonzert zu hören oder ein paar Wochen nach dem Todesfall
    ein Konzert klassischer Musik zu besuchen. Selbstverständlich sollte
    der Trauernde nicht in der Pause im Foyer einige Getränke zu sich
    nehmen und sich mit ein paar Freunden lustig unterhalten. Man kann
    auch bei einem offiziellen Empfang erscheinen, wo sich jedermann gut
    benehmen muss und wo man von vielen Leuten gesehen wird, die
    nützlich sein können. In diesen Fragen soll man sich ruhig auf sein
    Taktgefühl verlassen und sich nicht allzu sehr an alte Regeln
    klammern. Jedermann hat das Recht seinen Schmerz so zu verwinden,
    wie es ihm am besten scheint, ohne dass sich eine ganze Stadt darüber
    aufhält. Taktvolle Menschen werden von sich aus wissen, was sich
    schickt.
    XIV.
    OFFIZIELLE UND GESCHÄFTLICHE BEZIEHUNGEN
    Es gibt Menschen, die glauben auf Höflichkeit; besonders während
    des Dienstes verzichten zu können, weil sie Abgeordnete oder Beamte
    geworden sind. Andere, die Gleichgestellten gegenüber
    zuvorkommend sind, scheinen noch nie etwas vom guten Ton gehört
    zu haben, sobald sie mit Angestellten oder Geschäftspartnern sprechen.
    Sie sind dann erstaunt, wenn man ihnen in der gleichen Art antwortet.
    Ohne den Hut abzunehmen, betreten sie ein fremdes Büro und ohne
    den zu grüssen, der ihnen eine Auskunft geben soll. Nachdem sie eine
    ungenügende Erklärung abgegeben haben, empören sie sich, wenn
    man über ihren Fall nicht sofort entscheiden kann. Sie setzen voraus,
    dass man ihr Anliegen natürlich kennt. Es sind die gleichen Menschen,
    die es sich nicht vorstellen können, dass die Telefonistin nicht sofort
    eine Fernverbindung herstellen kann. Man muss nicht unbedingt so
    rücksichtsvoll wie der berühmte amerikanische Meister der
    Lebenskunst, Dale Carnegie, sein, der auf dem Postamt beim
    Briefmarkenkaufen, den Angestellten davon überbeugen wollte, dass
    er bezauberndes, glänzendes Haar hat. Solche Liebenswürdigkeiten
    sind nicht notwendig,'man braucht sich nicht gerade mit der
    Telefonistin zu verabreden oder ihr Komplimente über den Klang ihrer
    Stimme zu machen, aber man sollte ihre Nervosität nicht noch durch
    wütende Bemerkungen steigern.
    Man darf die Zeit der anderen nicht missbrauchen, auch wenn man
    überzeugt ist, dass ihre Haupttätigkeit darin besteht, die Zeitung zu
    lesen, schwierige Kreuzworträtsel zu lösen, oder die
    »Lebenserinnerungen eines Faulenzers« zu dichten. Man erbittet von
    einem Minister nicht eine Audienz, um sich mit ihm über den Mangel
    an Regen oder über das ewig schöne Wetter zu unterhalten. Man
    erklärt sein Anliegen lieber brieflich und bittet erst um eine Audienz,
    wenn man keine Antwort auf seinen Brief erhalten hat. Man redet eine
    offizielle Persönlichkeit mit seinem Titel an. Dagegen soll man im Text
    des Briefes die Wiederholung von »Sehr geehrter Herr Minister«
    vermeiden. Man kann respektvoll, aber nicht unterwürfig sein. Das
    gleiche gilt für eine Audienz. Man wartet, bis man gebeten wird, Platz
    zu nehmen und man reicht nicht von sich aus die Hand. Man kann in
    Geschäftsbeziehungen der Bittende sein, aber das ist kein Grund, sich
    kriecherisch zu benehmen, selbst wenn man Ihnen einen Gefallen tut
    oder die Ware kauft, die Sie angeboten haben.
    Wenn man sich bei einem neuen Arbeitsplatz vorstellt, ist man noch
    nicht engagiert; Sie können Angestellter werden, aber Sie sind es noch
    nicht. Es ist keine geistreiche Prüfung für einen Chef, einen Bleistift vor
    jemanden, der sich bewirbt, fallen zu lassen. Man weiss nicht, ob er an
    die Höflichkeit des künftigen Angestellten appelliert oder eines
    Menschen, der ihm gegenüber frei ist. In jedem Fall würde sich der
    Chef selbst bücken müssen, um den Bleistift aufzuheben. Aber ebenso
    schnell muss sich der Angestellte bücken, genau so wie er es im
    privaten Leben täte. Das Verhältnis Chef - Angestellter ist nicht das
    eines Hausherrn zu seiner Putzfrau.
    Ein Chef soll von seinem Angestellten nichts verlangen, was nicht in
    den Rahmen seiner Tätigkeit gehört. Geschäft und Privatleben müssen
    getrennt bleiben. Ein Angestellter sollte Erweiterungen seines
    Arbeitsbereichs nicht stillschweigend hinnehmen. Ein Chef soll sich
    den Anschein

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