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Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)

Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)

Titel: Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcello Simoni
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auf davon«, erwiderte der Händler, während er zwischen Papierstapeln wühlte, und der Ton seiner Stimme ließ nichts Gutes vermuten.
    »Die Heilige Vehme«, beharrte Uberto. »So sagt man doch, oder? Du hast sie vor Kurzem erwähnt.«
    »Es ist besser, wenn du nichts darüber weißt«, versuchte Ignazio, ihn zum Schweigen zu bringen.
    Uberto hörte auf zu suchen und verschränkte die Arme vor der Brust. »Inzwischen bin ich ebenso tief in die Geschichte verwickelt wie du, daher habe ich ein Anrecht, alles darüber zu erfahren!« Das klang beinahe wie ein Vorwurf. »Ich bin nicht dumm. Ich weiß, dass du mir vieles verheimlichst.«
    Als Ignazio das hörte, legte er das Bündel Papiere beiseite, das er gerade durchgesehen hatte, und sah Umberto an. In seinen Augen stand Stolz, aber auch Sorge.
    »Ich werde deine Frage beantworten«, erklärte er. »Aber vergiss nicht, von etwas zu wissen, macht das Leben nicht leichter. Ganz im Gegenteil.«
    »Das ist mir gleich. Ich will es wissen.«
    Mit einem Seufzer begann Ignazio zu erzählen: »Es heißt, die Heilige Vehme wurde von Karl dem Großen eingesetzt, um die Ordnung im Deutschen Reich aufrechtzuerhalten. Es handelt sich dabei um ein Geheimtribunal von Rittern, die das Recht haben, über Leben und Tod von jedermann zu entscheiden. Keiner, nicht einmal der Adel, kann sich ihrer Strafe entziehen. Später nannten sie sich auch die ›Erleuchteten‹. Wenn sie ihre Urteile vollstreckten, hinterließen sie am Gerichtsort stets einen kreuzförmigen Dolch. Sie ahndeten eine Vielzahl von Verbrechen, von Häresie bis zur Amtsanmaßung, von Hexerei bis Notzucht. Die Verdächtigen wurden zu Hause abgeholt, vor die Richter geführt und, wenn sie für schuldig befunden wurden, unverzüglich gehenkt. An der Spitze der Heiligen Vehme steht der Oberste Stuhlherr, dann kommen die Freigrafen und als Letzte die Freirichter.«
    Ignazio schwieg einen Moment, dann fuhr er fort, wobei seine Stimme noch düsterer klang als zuvor. »Ich glaube, dass der Mörder von Gothus Ruber auf Befehl eines Freigrafen handelte. Ich glaube, dass er uns von Venedig bis hierher gefolgt ist.«
    »Dann könnte also der Mann, der mich im Markusdom umgerannt hat, ein Freirichter sein?«, schloss Uberto. »Aber warum verfolgen uns diese Menschen? Hast du nicht eben gesagt, dass es Ritter sind, die sich der Gerechtigkeit verschrieben haben?«
    »Ursprünglich waren sie das, ja. Aber bald begannen sie, ihre Stellung auszunutzen, um mehr Macht zu erhalten. Es heißt, dass die Erleuchteten mittlerweile über ganz Europa verbreitet sind. Ich habe sogar im Heiligen Land welche getroffen. Und glaub mir, von ihrem Anspruch auf Gerechtigkeit ist ziemlich wenig übrig geblieben. Es wird sogar gemunkelt, sie hätten Zauberrituale von den sächsischen Druiden erlernt, ehe sie diese unter der Anklage der Hexerei auslöschten.«
    »Aber wer würde sich schon einer solchen Gemeinschaft von Mördern anschließen?«
    »Die Freirichter kommen aus dem Adel und hohen kirchlichen Ämtern. Wie ich zu meinem Leidwesen erfahren musste, ist ihr derzeitiger Oberster Stuhlherr Seine Gnaden, der Erzbischof von Köln.«
    Uberto hatte schon von ihm gehört. Adolf von Köln war weithin bekannt, weil er dem Papst schon vor Jahren des Öfteren den Gehorsam verweigert hatte und dafür mit dem Kirchenbann belegt worden war. In kirchlichen Kreisen wurde er oft als Beispiel für Rebellion gegen die päpstliche Autorität herangezogen.
    Doch augenblicklich war Ubertos Verstand mit etwas ganz anderem beschäftigt. Was meinte der Händler damit, er habe »zu seinem Leidwesen« die Geheimnisse der Heiligen Vehme erfahren? Uberto erinnerte sich: Pater Tommaso hatte ihm verraten, Ignazios unstetes Leben habe etwas mit einem Streit mit dem Erzbischof von Köln zu tun. Er fragte sich, ob dies nicht alles zusammenhing und ob sich Ignazio und Viviën womöglich vor fünfzehn Jahren zum ersten Mal mit der Heiligen Vehme überworfen hatten. Aber was hatte das alles mit dem »Uter Ventorum« zu tun?
    Uberto grübelte noch über dieser Frage, als der Händler ihn plötzlich am Arm packte und ihm einen Finger auf die Lippen legte.
    »Keinen Laut!«, befahl er.
    Erschrocken gehorchte Uberto und lauschte. Zuerst konnte er nichts vernehmen, doch dann hörte er die oberen Treppenstufen knarren. Jemand war auf dem Weg ins Laboratorium!
    Ignazio sah sich um wie ein Fuchs in der Falle. Aber es schien keinen Ausweg zu geben.

47
    Trotz der späten Stunden und seiner

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