Der Hase mit den Bernsteinaugen
und Pferde von Fukui, einem seiner jungen Lieblingsmaler, hängen an den Wänden. Iggies umfassende Büchersammlung, über japanische Kunst, Proust neben James Thurber und stapelweise amerikanische Krimis, füllt die Borde.
Doch zwischen der japanischen Kunst hängen auch ein paar Gemälde aus dem Palais Ephrussi in Wien, die sein Großvater in den berauschenden Jahren des Familienaufstiegs in den 1870er Jahren gesammelt hatte. Das Bild eines Araberjungen von einem Maler, den Ignaz bei seinen Reisen in den Nahen Osten unterstützte. Ein paar österreichische Landschaften. Ein kleines holländisches Bild einiger genügsamer Kühe, das einmal in irgendeinem hinteren Flur gehangen hat. In seinem Esszimmer hängt über der Anrichte ein melancholisches Bild eines Soldaten mit Muskete in einem dämmrigen Wald; es stammt aus dem Ankleidezimmer seines Vaters am Ende des Flurs und hing neben der riesenhaften »Leda mit dem Schwan« und der Büste des Herrn Wessel. Neben Iggies japanischen Schriftrollen die paar Brocken Restitution, die Elisabeth Wien abgerungen hat. Auch hier ein bisschen Fraternisieren: Ringstraßenstil in Japan.
Die Fotos wirken sehr lebendig: Sie vibrieren vor Glück. Iggie hatte die Fähigkeit, es sich einzurichten, wo immer er war - es gibt Schnappschüsse von ihm und Freunden im Krieg, wie sie in einem zerstörten Bunker mit einem zugelaufenen Hündchen spielen. In seinem eklektischen Ambiente in Japan nahm er seine japanischen und westlichen Freunde sehr herzlich auf.
Sein Glück steigerte sich noch, als er in ein zweites schönes Haus mit Garten in einer besser gelegenen Gegend in Azabu zog. Das Umfeld sagte ihm zwar nicht zu - eine gayin-Kolonie, lauter Diplomaten -, aber das Haus war hoch gelegen, mit einer Reihe durchgehender Räume und einem abschüssigen Garten voll weißer Kamelien. Es war groß genug, um ein eigenes Apartment für seinen jungen Freund Jiro Sugiyama einzurichten. Sie hatten einander im Juli 1952 kennengelernt. »Ich traf einen alten Klassenkameraden vor dem Marunouchi-Gebäude, der mich seinem Boss Leo Ephrussi vorstellte … Zwei Wochen danach rief mich Leo an - ich habe ihn immer Leo genannt - und lud mich zum Abendessen ein. Wir speisten Hummer Thermidor auf dem Dachgarten des Tokio Kaikan … durch ihn habe ich einen Job bei einer Unterabteilung von Mitsui gefunden, Sumitomo.« Einundvierzig Jahre lang sollten sie zusammen sein.
Jiro war sechsundzwanzig, schlank und gutaussehend, er sprach fließend Englisch und liebte Fats Waller und Brahms. Als sie einander begegneten, war er gerade aus Amerika zurückgekehrt, er hatte dort mit einem Stipendium drei Jahre an einer Universität studiert. Sein von den Besatzungsbehörden ausgestellter Pass trug die Nummer 19. Jiro erinnerte sich an seine Angst, wie man ihn wohl in Amerika behandeln würde, und an das, was in der Zeitung gestanden hatte: »ein junger Japaner auf dem Weg nach Amerika, in grauem Flanellanzug und weißem Oxfordhemd«.
Jiro war als mittleres von fünf Geschwistern in eine Kaufmannsfamilie geboren worden, die in Shizuoka, zwischen Tokio und Nagoya gelegen, lackierte Holzschuhe herstellte. »Meine Familie produzierte die allerbesten bemalten geta mit Lack. Mein Großvater Toku-jiro machte ein Vermögen mit den geta … Wir hatten ein großes, traditionelles Haus, zehn Personen arbeiteten im Geschäft, sie hatten alle ihre eigenen Räume.« Es war eine wohlhabende Unternehmerfamilie; 1944 besuchte der achtzehnjährige Jiro einen Vorbereitungskurs für die Waseda-Universität in Tokio und anschließend die Universität. Er war zu jung für den Kriegseinsatz gewesen, die Zerstörung Tokios jedoch hatte er miterlebt.
Jiro, mein japanischer Onkel, gehörte ebenso lange wie Iggie zu meinem Leben. Wir saßen im Arbeitszimmer seiner Wohnung in Tokio, und er erzählte vom Beginn ihrer gemeinsamen Zeit. An den Freitagabenden verließen sie die Stadt und »verbrachten das Wochenende in der Umgebung von Tokio, in Hakone, Ise, Kyoto, Nikko, oder wir blieben in ryokan und onsen und speisten gut. Er hatte ein gelbes DeSoto-Kabrio mit schwarzem Verdeck. Nachdem wir unser Gepäck im ryokan deponiert hatten, wollte Leo immer zuerst Antiquitätenläden aufsuchen - chinesische und japanische Töpfereien, Möbel …« Unter der Woche trafen sie sich nach der Arbeit. »Er sagte: »Komm ins Restaurant, wie wär’s mit Rindfleisch und Curryreis oder Krabbenkroketten.< Oder wir gingen in die Bar des Imperial. Zuhause gaben wir viele
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