Der Hase mit den Bernsteinaugen
Geschäfte mit prächtigen Banketten zu unseren Ehren, an deren Ende Tänzerinnen und Sängerinnen reizende Vorführungen boten.«
Japan war eine solche Schachtel Süßigkeiten. In Japan zu sammeln beförderte eine augenscheinliche Gier. Sichel schreibt von dem Drang, de devaliser le Japan - das Land auszuplündern, zu vergewaltigen. Die Geschichten von verarmten daimyos, die ihre Erbstücke, von Samurais, die ihre Schwerter, von Tänzerinnen, die ihre Körper verscherbelten - so wie die Passanten die Netsuke -, kündeten von unendlichen Möglichkeiten. Jeder konnte einem alles verkaufen. Japan, das war eine Art Parallelexistenz, wo jede Befriedigung erlaubt war - künstlerisch, kommerziell, sexuell.
Japanische Gegenstände umgab eine Aura erotischer Möglichkeiten, und das hatte nicht bloß mit dem Rendezvous zweier Liebender bei Lackkästchen oder Elfenbein-Nippsachen zu tun. Japanische Fächer, bibelots und Kleider wurden nur in privaten Begegnungen mit Leben erfüllt. Es waren Requisiten zum Verkleiden, für Rollenspiele, für das sinnliche Neuerfinden seiner selbst. Natürlich gefielen sie Charles mit seinem herzoglichen Bett samt Brokatbaldachin, seinem endlosen Umgestalten der Räume in der Rue de Monceau.
Auf dem Bild »La Japonaise au bain« von James Tissot sieht man ein nacktes Mädchen, einen schweren Brokatkimono locker über die Schultern geworfen, an der Schwelle eines japanischen Zimmers stehen. In Monets aufreizendem Bild seiner Frau Camille ist sie mit goldblonder Perücke zu sehen, gekleidet in ein wallendes Gewand, auf dem in roter Stickerei ein Samurai sein Schwert aus der Scheide zieht. Über die Wand hinter ihr und auf dem Boden sind Fächer verstreut, es wirkt wie ein Whistlersches Feuerwerk. Es ist eine offenkundige Vorführung für den Künstler, so wie in Prousts »In Swanns Welt« die demi-mondaine Odette Swann in ihrem mit japanischen Seidenkissen, Wandschirmen und Laternen ausstaffierten Salon empfängt, der vom schweren Duft der Chrysanthemen erfüllt ist, ein olfaktorischer Japonismus.
Die Besitzrechte wirkten vertauscht. Diese Dinge schienen Unersättlichkeit hervorzurufen, sie nahmen in Anspruch, stellten Forderungen. Die Sammler selbst sprechen vom Rausch des Jagens und Kaufens, ein Vorgang, der sich bis zur Manie steigern konnte: »Von allen Leidenschaften, von allen ohne Ausnahme, ist die Leidenschaft für die bibelots vielleicht die schrecklichste und unbezwinglichste. Wer von einer Antiquität besessen ist, ist verloren. Bibelots sind nicht nur eine Leidenschaft, sie sind … eine Krankheit«, schrieb der junge Guy de Maupassant 1883 in Le Gaulois.
Eine eindringliche Darstellung davon findet sich in einem von Charles’ Geißel Edmond de Goncourt verfassten Buch. In »La Maison d’un artiste« beschreibt Goncourt jeden Raum seines Pariser Hauses mit akribischer Sorgfalt - die Holztäfelungen, die Bilder und Bücher, die Objekte; es ist ein Versuch, jeden Gegenstand, jedes Bild und ihre Plazierung zu evozieren, eine Hommage an seinen toten Bruder, mit dem er zusammenlebte. In zwei Bänden mit jeweils mehr als dreihundert Seiten gestaltet Goncourt - neben einer Autobiographie und Reiseerzählung - auch die umfassende Inventur eines Hauses durch die darin enthaltenen Dinge. Das Haus ist gesättigt von japanischer Kunst. Das Vorzimmer ist mit japanischem Brokat und kakemonos, Rollbildern, dekoriert. Sogar der Garten zeigt ein mit Bedacht gestaltetes Sortiment von chinesischen und japanischen Bäumen und Sträuchern.
In einem Moment, der eines Borges würdig wäre, enthält seine Sammlung sogar ein Arrangement chinesischer Kunstgegenstände, das von einem japanischen bibeloteur exotique im 17. Jahrhundert zusammengestellt wurde. In Goncourts Aufstellung gibt es unendlich viele Beziehungen zwischen Bildern, Wandschirmen, offen aufgelegten Rollbildern und Objekten in Vitrinen.
Ich stelle mir Goncourt vor, dunkeläugig, die weiße Seidenkrawatte nachlässig geknüpft, wie er effekthascherisch vor seiner Birnholzvitrine steht. Er nimmt eines seiner Netsuke und beginnt die Geschichte seiner besessenen Suche nach Vollkommenheit zu erzählen, die hinter jedem Gegenstand liegt:
»Dies ist eine Schmuck-Berlocke, sozusagen, geschaffen von einer ganzen Klasse exzellenter Künstler - meist Spezialisten; sie widmeten sich ausschließlich der Nachbildung eines Gegenstandes oder Lebewesens. So hören wir von einem Künstler, dessen Familie in Japan seit drei Generationen Mäuse gefertigt
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