Der Hase mit den Bernsteinaugen
seine Cousins, die Bernsteins in Berlin. Er kaufte Gemälde und Pastellbilder von Morisot, Cassatt, Degas, Manet, Monet, Sisley, Pissarro und Renoir: Charles schuf eine der bedeutenden frühen Impressionisten-Sammlungen. Alle Wände in seinen Räumen müssen mit diesen Bildern bedeckt gewesen sein, bis zu drei übereinander müssen dort gehangen haben. Keine Rede vom Degas-Pastell, das im Metropolitan Museum einsam an einer Wand vor sich hin leuchtet, beiderseits eineinhalb Meter bis zum nächsten Bild, nichts darüber und darunter. In Charles’ Zimmer muss dieses Pastell (»Zwei Frauen bei der Modistin«) den Donatello in den Schatten gestellt haben, mit einer Reihe anderer glühender Bilder zusammengeprallt sein, sich an der Vitrine mit den Netsuke gerieben haben.
Als Angehöriger der Vorhut brauchte Charles Mut. Die Impressionisten hatten zwar ihre leidenschaftlichen Partisanen, doch wurden sie nach wie vor in der Presse und in der Akademie als Scharlatane verunglimpft. Seine Fürsprache war bedeutend; er hatte das Gewicht eines prominenten Kritikers und Herausgebers. Und er war schlicht und einfach auch nützlich als Mäzen der um ihre Existenz kämpfenden Künstler: In den »Herrschaftshäusern der Amerikaner oder der israelitischen Bankiers« könne man solche Bilder finden, schrieb Philippe Burty. Und Charles fungierte als Mahut für andere wohlhabende Freunde; so überredete er Madame Straus, die einen hochästhetischen Salon führte, eine von Monets »Seerosen« zu kaufen.
Doch er war viel mehr als das. Er war ein echter Gesprächspartner, er besuchte sie in ihren Ateliers, um den Fortschritt ihrer Werke zu begutachten und die Bilder frisch von der Staffelei zu kaufen, »ein älterer Bruder der jungen Künstler«, wie ein Kritiker schrieb. Er und Renoir unterhielten sich ausführlich darüber, welche Gemälde man in den Salon schicken sollte. Whistler bat ihn, eines seiner Bilder auf Beschädigungen zu untersuchen. »Es war sein Verdienst«, schrieb Proust in einer späten Charakterstudie über Charles als »un amateur de peinture«, »dass viele Bilder, die halbfertig liegen gelassen worden waren, schließlich vollendet wurden.«
Und er war mit den Künstlern befreundet. »Heute ist Donnerstag«, schrieb Manet an Charles, »und ich habe immer noch nichts von Ihnen gehört. Sie sind offensichtlich vom Esprit Ihres Gastgebers in Bann geschlagen … Kommen Sie, nehmen Sie Ihre beste Feder zur Hand und schreiben Sie mir.«
Charles kaufte von Manet eines seiner meisterhaften kleinen Stillleben, auf denen eine Zitrone oder eine Rose im Dunkeln aufleuchtet: Es zeigt zwanzig Spargelstangen, mit Stroh zusammengebunden. Manet wollte achthundert Francs dafür, eine beträchtliche Summe, doch der begeisterte Charles sandte ihm tausend. Eine Woche später erhielt Charles ein kleines, mit einem schlichten M signiertes Bild. Darauf war eine einzelne, auf einem Tisch liegende Spargelstange zu sehen; in der beigefügten Notiz stand: »Die ist wohl aus dem Bund gerutscht.«
Proust, der Charles’ Bilder von Besuchen in dessen Wohnung gut kannte, erzählt die Geschichte ihm zuliebe noch einmal, diesmal von Elstir, einem in seinen Romanen auftretenden impressionistischen Maler, der Züge von Whistler wie von Renoir hat. Der Herzog von Guermantes schäumt: »Es war nichts weiter als das darauf, ein Bund Spargel genau wie der, den wir gerade schlucken, die Spargel von Herrn Elstir aber habe ich nicht geschluckt. Er verlangte dreihundert Francs dafür … Einen Louisd’or höchstens sind sie wert, und auch das nur, solange es noch die ersten sind. Das fand ich denn doch etwas stark.«
Viele der Bilder an den Wänden von Charles’ Arbeitszimmer stammten von seinen Freunden. Es gab ein Degas-Pastell von Edmond Duranty, das der junge Schriftsteller Joris-Karl Huysmans so beschrieb: »Es zeigt Monsieur Duranty, zwischen seinen Drucken und Büchern an seinem Schreibtisch sitzend, seine spitz zulaufenden nervösen Finger, seine scharfen, spöttischen Augen, seine forschende Miene, das verkniffene Lächeln eines englischen Humoristen …«
Ein Bild von Constantin Guys, dem »Maler des modernen Lebens«, hing dort, dazu ein Porträt von ihm von Manet, auf dem er sehr ungepflegt, zerzaust und etwas irr aussieht. Von Degas kaufte Charles das Doppelporträt von General Mellinet und dem Oberrabbiner Astruc, auf dem die Köpfe der beiden ehrfurchtgebietenden Männer - die seit ihren gemeinsamen Erlebnissen im Krieg von 1870 Freunde
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