Der Hase mit den Bernsteinaugen
waren - im Halbprofil nebeneinander zu sehen sind.
Dann hingen da noch Charles’ Bilder von seinem Pariser Leben: eine Szene von Degas vor den Rennen in Longchamp; Charles ging dorthin, um die berühmten Rennpferde seines Onkels Maurice Ephrussi zu sehen. »Rennbahn - Ephrussi -1000 [Francs]«, notierte Degas. Und Bilder aus der Halbwelt, Tänzerinnen, eine Szene bei der Modistin mit den Hinterköpfen zweier junger Frauen auf einem Sofa (2200 Francs), dazu eines einer einsamen Frau in einem Cafe vor einem Glas Absinth.
Die meisten Bilder Charles’ stellten bukolische Themen dar, dahinziehende Wolken, Wind in den Bäumen; sie kamen seinem Sinn für die Vergänglichkeit des Augenblicks entgegen. Es gab fünf Landschaften von Sisley und drei von Pissarro. Von Monet kaufte er um vierhundert Francs eine Ansicht von Vetheuil mit jagenden weißen Wolken über einem Feld mit Weiden und ein im selben Dorf gemaltes Bild mit Apfelbäumen, »Pommiers«. Er kaufte auch eine Szene eines frühen Wintermorgens an der Seine mit berstendem Eis, »Les Glacons«, ein Gemälde, das Proust in seinem frühen Roman »Jean Santeuil« schön beschreibt: »an einem Tauwettertag, [in dem wir] gesehen hätten, wie die Himmelsbläue, das berstende Eis, der Schlamm, das strömende Wasser aus dem Fluss einen blitzenden Spiegel machen.«
Sogar das Porträt der »strubbeligen kleinen Wilden«, dem Laforgue Grüße ausrichtete, hält dieses Gefühl der Flüchtigkeit, des unmittelbar bevorstehenden Wandels fest. »La Bohemienne«, das rothaarige Zigeunermädchen mit den zerzausten Haaren, steht in ländlicher Kleidung unter Gras und Bäumen in gleißendem Sonnenlicht. Es ist offensichtlich Teil der Landschaft, kurz davor, wegzulaufen, immer weiterzulaufen.
Es waren lauter Gemälde, so schrieb Charles, »die das lebendige Wesen in Gestik und Attitüde wiederzugeben vermochten, wie es sich in flüchtiger, ständig wechselnder Stimmung und Beleuchtung bewegt; im Vorübergehen die Beweglichkeit der Atmosphäre festhaltend, bewusst nicht auf individuelle Schattierungen achtend, um eine leuchtende Einheit zu erreichen, deren einzelne Elemente in ein unteilbares Ganzes verschmelzen und sogar mittels Dissonanzen zu einer allumfassenden Harmonie gelangen«.
Er kaufte überdies ein spektakuläres Monet-Bild mit Badenden, »Les Bains de la Grenouillere«.
Wieder in London, schaue ich auf dem Weg in die Bibliothek in der National Gallery vorbei, um mir das Bild anzusehen und es mir neben dem gelben Fauteuil und den Netsuke vorzustellen. Es zeigt einen vielbesuchten Platz an der Seine im Hochsommer. Menschen in Badekostümen schlendern über einen schmalen Holzsteg ins sonnengefleckte Wasser, während die angezogenen Nicht-Badenden am Ufer spazieren, ein kleiner purpurner Fleck an einem Kleidersaum. Im Vordergrund ein Gewirr von Ruderbooten, ein Baldachin aus Zweigen hängt über der Szene. Das gekräuselte Wasser vermengt sich mit den auf und nieder tanzenden Köpfen der Schwimmer. Es ist gerade warm genug, um ins Wasser zu gehen, möchte man meinen, beinahe zu kalt, um wieder herauszusteigen. Beim Ansehen fühlt man sich lebendig.
Dieses Zusammentreffen japanischer Objekte und des flirrenden neuen Malstils scheint passend: Mochte der Japonismus für die Ephrussi eine »Art Religion« sein, in Charles’ künstlerischem Freundeskreis fand diese neuartige Kunst den stärksten Widerhall. Manet, Renoir und Degas sammelten wie er eifrig japanische Drucke. Die Struktur japanischer Bilder schien das Wesen des Daseins auf andere Art zu erproben. Belanglose Partikel der Wirklichkeit - ein Wanderhändler, der sich am Kopf kratzt, eine Frau mit einem weinenden Kind, ein nach links abdriftender Hund - hatten ebenso viel Bedeutung wie ein hoher Berg am Horizont. Wie bei den Netsuke verlief das Alltagsleben ohne Einstudierung. Dieses beinahe gewaltsame Aufeinanderprallen von Erzählung mit graphischer, kalligraphischer Klarheit war ein Katalysator.
Die Impressionisten lernten das Leben in flüchtige Blicke und Interjektionen aufzuteilen. Statt eines formalen Tableaus sieht man ein Trapezseil ein Bild durchschneiden, die Hinterköpfe von Personen bei der Modistin, die Säulen der Börse. Edmond Duranty, dessen von Degas geschaffenes Pastellporträt in Charles’ Arbeitszimmer hing, war sich dessen bewusst: »Die Person … steht niemals im Mittelpunkt der Leinwand, im Mittelpunkt der Bildanordnung. Sie ist nicht immer vollständig zu sehen; manchmal scheint sie in
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