Der Hase mit den Bernsteinaugen
französischen Kunst aus, beschimpft ihn der Autor, betrachte aber die Kunst als Kommerz. Alles, was Charles tut, geht auf Gold zurück, sagen die Autoren von »La France Juive«. Einschmelzbares, transportierbares, wandelbares Gold, das Juden mitnehmen, kaufen und verkaufen können, Juden, die keine Ahnung haben von Land noch Volk. Sogar sein Dürer-Buch wird auf semitische Neigungen hin untersucht. Wie kann Charles diesen großen deutschen Künstler verstehen, schreibt ein erboster Kunsthistoriker, ist er doch bloß ein »Landsmann aus dem Osten«, ein Orientale.
Seine Brüder und Onkel werden heruntergemacht, seine Tanten, die in die französische Aristokratie eingeheiratet haben, bösartig parodiert. Alle jüdischen Finanzunternehmen in Frankreich werden der Reihe nach verdammt: »Les Rothschilds, Erlanger, Hirsch, Ephrussi, Bamberger, Camondo, Stern, Cahen d’Anvers … Membres de la finance internationale.« Die komplexen Ehebündnisse zwischen den Clans werden wieder und wieder aufgerollt, um das Bild eines scheußlichen Spinnennetzes aus Intrigen zu zeichnen, ein noch dichter gewebtes Netz, als Maurice Ephrussi Beatrice heiratet, die Tochter des Chefs der französischen Rothschilds, Alphonse de Rothschild. Diese zwei Familien gelten nun als eine.
Die Antisemiten müssen diese Juden dorthin zurückstoßen, woher sie gekommen sind, sie müssen sie ihrer kultivierten Pariser Lebensart entkleiden. Ein antisemitisches Pamphlet, »Ces Bons Juifs«, beschreibt eine imaginäre Unterhaltung zwischen Maurice Ephrussi und einem Freund:
»Stimmt es, dass Sie bald nach Russland abreisen? In 2 oder 3 Tagen, sagte M. de K. …
Gut, entgegnete Maurice Ephrussi. Wenn Sie nach Odessa fahren, gehen Sie in die Börse und erzählen Sie meinem Vater von mir.
M. de K. verspricht das, und nachdem er seine Geschäfte in Odessa erledigt hat, geht er auf die Börse und fragt nach Ephrussi, dem Vater.
Sie wissen ja, sagt man ihm, wenn man etwas erledigt haben will, braucht man die Juden.
Ephrussi Vater kommt, ein scheußlich aussehender Hebräer mit langem, fettigem Haar, er trägt einen mit Fettflecken übersäten Umhang.
M. de K. … überbringt dem alten Mann die Botschaft und will wieder gehen, da zupft ihn jemand an der Kleidung, und er hört, wie Vater Ephrussi sagt:
Sie haben meine kleinen Benefizien vergessen.
Was meinen Sie mit kleinen Benefizien?, rief M. de K. …
Sie verstehen sehr gut, lieber Herr, entgegnete der Vater von Rothschilds Schwiegersohn, während er einen tiefen Bückling vollführte, ich bin eine der Sehenswürdigkeiten an der Börse von Odessa; wenn Fremde mich sehen wollen, ohne ein Geschäft abzuschließen, geben sie mir immer ein kleines Geschenk. Mein Sohn schickt mir im Jahr über tausend Besucher und das hilft mir bei meinem Auskommen.
Und mit breitem Lächeln setzte der edle Patriarch hinzu: Sie wissen gut, dass man sie eines Tages belohnen wird … meine Söhne!«
Die Ephrussi, die Rois du Ble, die Weizenkönige, werden zugleich als Emporkömmlinge verachtet und als Mäzene hofiert. Im einen Augenblick erinnert man sie an den Getreidehändler aus Odessa, den Patriarchen mit dem fleckigen Umhang und der ausgestreckten Hand. Im nächsten besucht Beatrice einen Ball der Gesellschaft und trägt ein Diadem aus Hunderten vibrierenden feinen Goldähren. Maurice, der in Fontainebleau ein riesiges Schloss besaß, trug sich auf der Urkunde seiner Hochzeit mit Beatrice de Rothschild als »Gutsbesitzer« ein, nicht als Bankier. Das war kein Versehen. Für Juden war Landbesitz eine relativ neue Erfahrung: Erst seit der Revolution besaßen Juden die vollen Bürgerrechte; nach Ansicht mancher Kommentatoren ein Fehler, da Juden ja keine voll rechtsfähigen Erwachsenen seien. Seht euch nur an, wie die Ephrussi leben, hieß es in einer Romantirade, »The Original Mr Jacobs«, »die Liebe zu Nippes, zu allem möglichen Schnickschnack, oder eher die jüdische Leidenschaft für Besitz reicht oft ins Kindische«.
Ich möchte wissen, wie die Brüder unter solchen Bedingungen lebten. Nahmen sie das alles mit einem Achselzucken hin oder setzte es ihnen zu, dieses dauernde Gebrodel, die Anschwärzungen, das Getuschel über Käuflichkeit, die ständig blubbernde Feindseligkeit, die der Erzähler in Prousts Romanen bei seinem Großvater entdeckt: »Wenn ich also einen neuen Freund mitbrachte, so kam es selten vor, daß er nicht vor sich hinsummte: >Kehr o Gott unsrer Väter< aus der >Jüdin< oder Tsrael, brich
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