Der Hauch Des Bösen: Roman
ich ihr Gesicht und werde es bis an mein Lebensende nicht vergessen. Ich habe Verwandte, von denen ich bisher nichts wusste, Menschen, die sie verloren haben. Ich habe keine Ahnung, wie zum Teufel ich damit umgehen soll. Also habe ich Schuldgefühle, bin wütend und frustriert.«
»Du brauchst gar nicht zu reagieren, solange du Probleme damit hast.« Sie legte ihm eine Hand fest auf die seine. »Gib dir ein bisschen Zeit.«
»Ich konnte nicht sofort mit dir darüber sprechen.« Er sah sie offen an. »Ich habe die Worte nicht herausgebracht. Ich hatte das Gefühl, es wäre leichter, dich auszuschließen. Und noch leichter war es, einen Teil
meiner Schuldgefühle und meiner Frustration auf dich zu übertragen und dir Vorwürfe zu machen, weil du mich nicht in Ruhe gelassen hast.«
»Tja, du hast offensichtlich nicht damit gerechnet, dass du dafür von mir einen saftigen Tritt in den Hintern bekommst.«
Er beugte sich leicht vor und gab ihr einen sanften Kuss. »Danke, das war wirklich nett.«
»Gern geschehen, Kumpel.«
»Tut mir leid, dass ich dich letzte Nacht allein gelassen habe. Du hattest einen Albtraum.«
»Ich würde sagen, den hattest du auch. Wir werden diese Sache klären, Roarke. Wir finden einen Weg.«
»Weniger um...« Plötzlich sah er sie verschwommen, dann kurzfristig doppelt und schließlich während eines Augenblickes wieder klar. »Ha, verdammt. Du hast ein Beruhigungsmittel in die Suppe getan.«
»Ja, das habe ich«, erklärte sie ihm fröhlich, während sie ihm eilig den Teller aus den erschlaffenden Fingern nahm. »Du brauchst nämlich dringend Schlaf. Und jetzt schaffen wir dich am besten in die Falle, solange du noch selber laufen kannst. Ich kann dich nämlich nicht so einfach tragen wie du mich.«
»Dieser Teil des Bemutterns macht dir anscheinend Spaß.«
»Allerdings.« Sie legte seinen Arm um ihre Schultern, schlang ihm die Arme um die Hüfte und zog ihn von der Couch. »Und allmählich wird mir klar, weshalb es dir anscheinend eine solche Freude macht, mir ein Beruhigungsmittel zu verpassen, wenn du denkst, dass ich es brauche. Es gibt einem das Gefühl, furchtbar rechtschaffen und edelmütig zu sein.«
»Eins fehlt noch bei diesem Rollentausch«, brachte er mit schwerer Stimme vor. »Ich habe noch nicht gesagt, leck mich am Arsch.«
»Mit Vergnügen, wenn du wieder wach bist. Und jetzt hoch mit dir und los. Schön einen Schritt nach dem anderen, so ist’s gut.«
»Wahrscheinlich sollte ich jetzt sauer auf dich sein, aber ich kann mich nicht richtig darauf konzentrieren. Komm mit mir ins Bett, geliebte Eve. Lass mich dich in die Arme nehmen.«
»Ja, klar.« Sie setzte ihn ab, und während sie noch seine Beine auf die Matratze hievte, entspannten sich bereits seine Züge. »Aber erst ruhst du dich aus«, wisperte sie und deckte ihn vorsichtig zu.
Die gälischen Worte, die er murmelte, hatte sie schon des Öfteren aus seinem Mund gehört. Ich liebe dich auch, erwiderte sie im Stillen, setzte sich neben ihn aufs Bett, strich ihm die Haare aus der Stirn und gab ihm einen Kuss.
Dann stellte sie das Licht auf fünf Prozent, damit es, wenn er wieder wach wurde, nicht völlig dunkel war, ging kurz zu Summerset hinunter, um ihn zu informieren, und dann zurück in ihr Büro.
Während sie bis weit nach Mitternacht an ihrem Schreibtisch saß, behielt sie die ganze Zeit den Monitor des Schlafzimmers im Auge und gab auf diese Weise auf ihn Acht.
13
Bevor sie richtig wach war, wärmten seine Hände und sein Mund bereits ihr Blut.
Sie räkelte sich genüsslich und stieß einen leisen Seufzer aus. Alle ihre Sinne waren auf ihn eingestellt - auf seinen Geruch, seinen Geschmack, seinen Körper -, und während noch die Reste des Schlafs ihr Hirn umnebelten, wogte bereits das erste Verlangen nach ihm in ihr auf.
Sanfte, federleichte Fingerspitzen strichen über weiches, warmes Fleisch. Sie spürte das samtige Gleiten einer Zunge, das Streichen fester Lippen, hörte erotisches Wispern an ihrem Ohr und ließ sich wohlig in dem leichten Dämmerzustand treiben, in dem die Lust noch intensiver war.
Dann sagte er ihren Namen. Raunte ihren Namen, ehe sein Mund sie plünderte, ehe seine Finger dorthin glitten, wo sie bereits nass war und sich schmerzlich nach ihm sehnte.
Worauf die bisher träumerische Sehnsucht drängendem Verlangen wich.
Ihr Blut begann zu kochen, Hitzewellen durchzogen ihren Leib, und mit verschlungenen Gliedern rollten sie sich auf der Suche nach mehr miteinander herum.
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