Der Hauch von Skandal (German Edition)
Joanna Ware halten mochte, das alles hier musste äußerst schwierig für sie sein. Er musste sie widerstrebend dafür bewundern, mit wie viel Haltung sie diese Neuigkeit aufnahm. Die meisten anderen Frauen hätten Zustände bekommen, wenn ihnen das uneheliche Kind ihres Ehemanns vermacht worden wäre.
„Ich bin nicht so naiv, dass ich David so etwas nie zugetraut hätte“, sagte sie bedächtig. „Im Gegenteil, ich sollte wahrscheinlich dankbar sein, dass nicht noch mehr Sprösslinge von ihm die Welt bevölkern, zumindest keine, von denen ich weiß.“ Sie sah Alex an. „Kennen Sie noch weitere Seitensprünge von ihm, Lord Grant?“
„Nein.“ Alex veränderte seine Sitzhaltung. „Es tut mir aufrichtig leid.“ Wares Tendenz zum Weiberhelden war ein Charakterzug seines Freundes gewesen, den Alex nur schwer hatte akzeptieren können. Manche hatten seine Zügellosigkeit als weitere Facette seines heldenhaften, charismatischen Naturells gesehen. Für Alex hingegen war das David Wares einzige Schwäche gewesen, die er ihm jedoch hatte nachsehen können, weil Davids Ehe so kalt und lieblos gewesen war.
Er betrachtete Joanna verstohlen. Sie wirkte auf ihn nicht wie eine Frau, die sich ihrem Ehemann prüde verweigern würde. Sie strahlte Wärme aus, war verführerisch und über alle Maßen reizvoll. Was auch immer zwischen ihr und Ware vorgefallen war, es musste so bitter und tief gehend gewesen sein, dass sie ihn nachhaltig vertrieben hatte.
„Sie versuchen gar nicht erst, diesen Schlag abzumildern.“ Um Joannas Lippen spielte ein mattes Lächeln. „Von Ihnen ist kein Trost zu erwarten, nicht wahr, Lord Grant?“
„Nur wenig, fürchte ich“, gab Alex zu. „Ich bedauere allerdings, dass Ware so ein Verhalten für angemessen hielt …“
„Nun, das ist ja schon wenigstens etwas“, meldete Mr Churchward sich gereizt zu Wort.
„… denn um sein Urteilsvermögen muss es am Ende schon sehr schlecht bestellt gewesen sein, dass er die Zukunft seiner Tochter in Lady Joannas Hände gelegt hat“, vollendete Alex seinen Satz.
Joannas Augen weiteten sich entsetzt. „Sie halten mich für einen ungeeigneten Vormund?“
„Wie könnte es anders sein? Ware hat Ihnen nicht vertraut, das hat er mir selbst gesagt. Warum sollte er also die Erziehung seiner Tochter einer Frau überlassen, gegen die er eine solche Abneigung hatte?“
Joanna biss sich auf die Unterlippe. „Sie greifen immer wieder auf Davids Urteil zurück, Lord Grant. Können Sie denn gar nicht eigenständig denken?“
Alex schlug mit der flachen Hand so heftig auf den Schreibtisch, dass die juristischen Dokumente darauf durcheinander flogen. Er war wütend – auf Ware, weil er ihn in diesen unangenehmen Rachefeldzug gegen seine Frau verwickelt hatte. Auf Lady Joanna, weil sie ihn zwang, sein eigenes Urteilsvermögen zu hinterfragen. Und auf sich selbst, weil er auch nur eine Sekunde an seiner Loyalität Ware gegenüber zweifelte. Und er zweifelte tatsächlich daran. Verdächtigungen und Befürchtungen zogen sich durch seine Gedanken wie Rauchschwaden – nicht greifbar, aber doch unmöglich zu unterdrücken. „Ware war mehr als zehn Jahre lang mein Freund und Kamerad“, stieß er zähneknirschend hervor. Er fragte sich, wen er zu überzeugen versuchte – Lady Joanna oder sich selbst. „Er war ein inspirierender Anführer für seine Männer. Er hat mich nie im Stich gelassen. Er hat mir bei mehr als einer Gelegenheit das Leben gerettet! Und deshalb … Ja, ich vertraue seinem Wort und seinem Urteilsvermögen.“
Sie starrten einander aufgebracht an, bis Mr Churchward beschwichtigend die Hand hob. „Lord Grant.“ Beim Klang seiner Stimme richteten sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihn. „Vielleicht könnten wir diese Diskussion aufschieben, bis ich fertig bin?“ Er putzte seine Brille, setzte sie sich wieder auf und fuhr fort. „‚Des Weiteren bestimme ich hiermit meinen Freund und Kameraden Alexander, Lord Grant, zusammen mit meiner Frau ebenfalls zum Vormund für meine Tochter Nina. Sämtliche Verantwortung und Entscheidungen, die mit ihrer Erziehung zusammenhängen, sollen von beiden gemeinsam übernommen werden.‘“ Mr Churchward räusperte sich. „‚Darüber hinaus wird Lord Grant einziger Bevollmächtigter sein und alle finanziellen Aspekte, die sich aus der Erziehung meiner Tochter ergeben, regeln.‘“
„ Wie bitte? “, brauste Alex auf. Er fühlte sich in die Enge getrieben, verwirrt und zornig. Er konnte kaum fassen, was
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