Der Hausflug
Menschen in viele Völker und Nationen zersplittert und haben sich erst durch die Jahrhunderte zu einem einzigen, einigen Planetenvolk entwickelt? Manches spricht für diese Version, daß es auch auf dem Chlm einst Krieg gegeben Hat und Geld, zum Beispiel. Dann wären sie nur weiter als wir Menschen. Wie es Xindy einmal sagte: Ihr seid ja noch jung.
Aber wie leben sie? Gibt es auch bei ihnen Liebe und Haß, Neid und öffentliche Anerkennung, hat jeder einen spezifischen Beruf oder kann jeder alles, gibt es eine Trennung zwischen Arbeit und Freizeit… wir wissen nicht einmal, wie lange sie leben, wie lang ein Tag auf dem Chlm ist, wie lang ein Jahr – vielleicht ist so etwas auch gar nicht mit den Verhältnissen auf der Erde zu vergleichen. Schlafen, das wissen wir, müssen sie auch, sonst hätten sie keine Betten. Und träumen, sonst könnten sie nicht Träume von einem Gehirn zum anderen übertragen.
Ich bin sicher, daß die Bilder vom Chlm, die Jonas im Raumschiff gesehen hat, der Wirklichkeit entsprechen, nicht so sicher bin ich bei den Traumbildern. Was davon hat Xindy in sein Gehirn gesendet, was sind nur „echte“ Träume von Jonas?
Xindy hätte, selbst wenn er es gewollt hätte, vieles nicht einmal durch Traumbilder und Gedankenübertragung mitteilen können. Ein Zwölfjähriger kann auch in Bildern nur erfassen, was er durch schon bekannte Bilder entschlüsseln und wiedergeben kann: Es ist so ähnlich wie… Erklärt ihr einmal einem Blinden, was Farben sind!
Jonas konnte nicht einmal alle Spiele und Sportarten begreifen, die Xindy ihm im Traum gezeigt hat, weil Jonas danach fragte. Schwimmen, Tauchen, Springen, Laufen – das war eindeutig, auch, so etwas wie Fliegen mit an den Armen angebrachten Flügeln und eine Art „Fingerhakeln“ mit den Schwänzen. Aber er hat auch Chlmianer auf rasend rotierenden Scheiben in den Himmel schießen sehen, andere, die im Zeitlupentempo eine Art Gymnastik vorführten, so langsam, daß Jonas zuerst glaubte, es seien Denkmäler, dann ein riesiges „Spielbrett“ aus sechseckigen Feldern, über das die Chlmianer nur auf den Schwänzen hüpften, und so etwas wie „Himmelsball“: Hunderte von Chlmianern bildeten eine in der Luft schwebende Kugel und spielten sich mit Händen und Füßen, Köpfen und Schwänzen Dutzende von Bällen zu…
Die Beschreibung der unterirdischen Stadt, die Jonas im Traum gesehen hat, ist – verständlicherweise! – so oberflächlich und lückenhaft, daß ich lieber darauf verzichte, sie hier wiederzugeben. Vielleicht erinnert er sich später einmal genauer daran. Es war halt zuviel, was in diesen drei Tagen auf ihn einstürzte.
Er könne sich „in den Arsch beißen“, daß er Xindy nicht viel mehr ausgefragt hat, sagt Jonas heute. Tragen wir es ihm nicht nach, wer weiß, wie wir uns verhalten hätten. Bedenken wir auch, daß die beiden nicht gemütlich miteinander plauderten, sondern fast ständig beschäftigt waren, vor allem standen sie unter unerhörtem Druck: Sie mußten Phlochl finden.
Das dreizehnte
Der Tod der Astronauten
Ein Menschenhirn für den Chlm Regen für die Verdurstenden
Ein erster Blick aus dem Fenster verriet Jonas, daß draußen heller Tag war, der zweite Blick, die Nase an der Scheibe plattgedrückt, daß sie sich schon über Afrika befanden: Von Horizont zu Horizont breitete sich eine sonnenüberflutete, grellgelbe Sandfläche aus. Das mußte die Sahara sein. Daß er ausgerechnet jetzt immer so lange schlief!
Das ganze Mittelmeer hatte er verpaßt und das Nildelta, die Pyramiden. Jonas blickte auf den Globus. Sicher war Xindy den kürzesten Weg geflogen, und Ägypten lag weitab von ihrem Kurs, aber Sizilien und die nordafrikanischen Gebirge hätte er sehen können. Schade. Die Wüste zeigte nichts als Sand, nirgends unter ihnen ein Strauch oder nur die Andeutung von Gras, nur Sand in Wellen. Wanderdünen?
Er war hellwach, er wunderte sich, daß er hier immer schon mit dem ersten Blinzeln munter wurde, sonst war er ein Morgenmuffel. Vater auch. Sie brauchten beide eine halbe Stunde, bevor sie sich unterhielten. Morgenstunde hat Gold im Munde, kein Gequatsche, pflegte Vater zu sagen. Und noch eines fiel Jonas auf: die Stille. Nicht der leiseste Laut war zu vernehmen, es tat richtig weh in den Ohren.
„Xindy?“ rief er.
„Ja, was ist?“
„Ich wollte nur deine Stimme hören“, sagte Jonas. „Es ist so unheimlich still im Haus, geradezu beängstigend.“
„So? Das finde ich nicht. Für mich
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