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Der Hausflug

Titel: Der Hausflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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zielstrebig geradeaus. Die Sonne stand schon tief, als glühende Scheibe in einem Spalt zwischen Wolken und Meer, tauchte alles in Feuer, Wasser und Wolken. Jonas ließ sich treiben und betrachtete dieses herrliche Bild. Xindy ließ ihm Zeit.
    „ Ja, es ist schön bei euch“, sagte er, „aber für mich ist es eine fremde Schönheit. Ich habe Sehnsucht nach den violetten Sonnenuntergängen auf dem Chlm, das wirst du verstehen.“
    Xindy führte Jonas bis an die Schwelle des Hauses, er half ihm, sich emporzuziehen. Dann sah er eine Weile amüsiert zu, wie Jonas versuchte, seinen Raumanzug auszuziehen, wie er immer wieder vergeblich mit dem Finger über den Bauch strich; der Anzug öffnete sich erst, als Xindy ihn berührte.
    „Darf ich den Skaphander behalten?“ fragte Jonas, dann schlug er sich die Hand vor den Mund. „O weih, daran habe ich gar nicht gedacht – wie soll ich Vater erklären, daß meine Sachen verschwunden sind, ohne von dir zu erzählen? Soviel anzuziehen besitze ich nämlich nicht.“ Plötzlich kicherte er laut. „Gehe ich eben im Skaphander zur Schule. Mann, was meine Lehrer für Augen machen werden!“ Er knuffte Xindy an den Arm.
    „Wollen wir nicht an Land gehen und ein paar Leute erschrecken? Wir fliegen in die nächste Stadt und tauchen plötzlich in der Hauptstraße auf. Nein, wir gehen ins Kino, in einen utopischen Film, und mitten in der Vorstellung stellen wir uns vor die Leinwand und machen das Licht an…“ Jonas mußte sich ausschütten vor Lachen, er bekam einen richtigen Lachkrampf. Xindy verzog keine Miene.
    „Findest du den Gedanken nicht umwerfend komisch?“
    Xindy schüttelte den Kopf, seine Augen rotierten auf ihren Stielen.
    „Du verstehst wohl überhaupt keinen Spaß?“
    „Für mich ist hier alles todernst“, antwortete Xindy, „im wahrsten Sinn des Wortes.“
    „Entschuldige bitte“, sagte Jonas. „War wohl sehr blöde, was? Ich weiß gar nicht, warum ich mit einem Mal so albern wurde.“
    „Dein Gehirn ist überreizt“, meinte Xindy, „überanstrengt. Vergiß nicht, du mußtest heute sehr viel verarbeiten, dazu das anstrengende Schwimmen und der ungewohnte Skaphander – leg dich hin und ruhe dich aus. Ich verziehe mich auch nach oben. Selbst für einen trainierten Astronauten wie mich ist der Raumanzug nicht gerade bequem. Aber zeige mir vorher, wohin wir fliegen müssen, ich will gleich starten.“
    Südafrika war leicht auf dem Globus zu finden, wo aber lag Kongo? Dort im Knie an der Westküste Afrikas? Jonas verfluchte sich einmal mehr, daß er so wenig von Geographie wußte. Dann fiel es ihm wieder ein: weder am Atlantik noch am Indischen Ozean, sondern in der Mitte zwischen den Küsten. Er tippte mit dem Finger auf den Globus.
    „Hier. Der Kongo grenzt im Osten an den Tanganjikasee, den größten See der Erde, den werden wir wohl finden. Aber es ist ein Riesenland, und ich habe keine Ahnung, wo das Uran gefördert wird.“
    „Wenn es dort Phlochl gibt, werden wir es auch finden“, sagte Xindy. „Wir fliegen immer von der einen Seite zur anderen, bis mein Suchgerät ausschlägt. Bis bald, schlaf gut.“
    „Schlaf gut!“ sagte Jonas ärgerlich. „Ich will nicht die ganze Zeit pennen. Ich muß dir noch so viele Fragen stellen.“
    „Später“, sagte Xindy.
    „Du sagst immer ,später’!“
    „Viele Fragen beantworten sich von alleine“, meinte Xindy. „Du wolltest zum Beispiel gestern wissen, wieso das Haus fliegen und sprechen kann, jetzt weißt du es, und ich habe es dir nicht einmal erklären müssen, oder?“



 
    „Aber es gibt so vieles, was ich nie erfahren werde, wenn du es mir nicht erklärst. Und ich habe nur noch zwei Tage Zeit, dann muß ich zu Oma. Es sei denn, wir weihen Vater ein. Vater würde dir auch…“
    „Nein“, unterbrach Xindy. „Es bleibt dabei, kein Erwachsener, auch nicht Vater.“
    „Aber Vater ist prima“, sagte Jonas. „Er würde dir nie schaden, das kannst du mir glauben. Wie ist eigentlich dein Vater, auch so ein Pfundskerl?“
    „Ich weiß nicht“, sagte Xindy, „ich kenne meinen Vater nicht.“
    „Und deine Mutter?“
    „Die kenne ich auch nicht. Kein Chlmianer kennt Vater oder Mutter“, sagte Xindy. „Wir werden nicht bei unseren Eltern groß wie ihr, wir werden auch nicht geboren…“
    „Wie kommt ihr dann auf die Welt?“
    „Wir schlüpfen aus Eiern“, sagte Xindy. „Und jetzt wird geschlafen!“
     
     
     
    J a, ihr habt euch nicht verlesen: Die Chlmianer schlüpfen aus Eiern.

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