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Der Heilige Krieg

Der Heilige Krieg

Titel: Der Heilige Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Knopp
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Major Friedrich Freiherr Kress von Kressenstein, einer der deutschen Offiziere, die die türkischen Militäroperationen leiteten, ritt neben einer geweihten Fahne aus Mekka in feierlichem Umzug durch die Stadt. Das Banner des Propheten war auf Veranlassung der türkischen Machthaber geholt worden. Es sollte nicht nur die türkischen Truppen beflügeln, sondern auch dazu dienen, bei der Durchquerung des Sinai Freiwillige aus der arabischen Bevölkerung und den Beduinenclans anzuwerben. Gelänge es, die Kanalzone zu besetzen, so wäre die Versorgung Englands mit Rohstoffen erheblich beeinträchtigt. Außerdem erhoffte man sich im Falle eines Erfolgs einen Dominoeffekt. Die Überlegenheit der deutschen und türkischen Waffen würde die unentschlossene ägyptische Bevölkerung zum Umschwenken auf die Seite der Mittelmächte bewegen. Die Besetzung des Kanals sollte zum Fanal des allgemeinen Aufstands werden.
    Bild 163
    Habibullah, der Emir von Afghanistan (1872 – 1919), spielte auf Zeit.
    Doch zunächst wartete die wasserlose Sinaihalbinsel. Der Marsch durch das Wüstengelände unter der Leitung des deutschen Majors gilt bis
heute unter Militärhistorikern als logistische Glanzleistung. Denn nicht nur Menschen, Geschütze und Munition mussten durch das lebensfeindliche Gebiet bewegt werden. Die Armee führte sogar Pontons zur Überquerung des Kanals mit sich. Doch trotz des gelungenen Auftakts war dem Unternehmen kein Erfolg beschieden.
    Bild 164
    Kriegsschauplatz Palästina: Major Freiherr Kress von Kressenstein (vorn auf dem schwarzen Pferd) und sein Stab auf dem Weg zur Front.
    Die Briten hatten Wind vom Anrücken feindlicher Streitkräfte bekommen und Truppen am Kanalufer konzentriert. Ohne den Überraschungseffekt war das deutsch-türkisch-arabische Kontingent dem Gegner an Truppen und Material weit unterlegen. Kress von Kressenstein sah sich gezwungen, die Kampfhandlungen abzubrechen und nach Norden auszuweichen. Etwa 20 000 Deutsche, darunter mehrere hundert Offiziere und sogar Luftwaffenpersonal, kämpften ab 1915 im Nahen Osten. Ebenfalls hatte es einige hundert Österreicher an den exotischen Kriegsschauplatz verschlagen. Nicht anders als in Europa war auch hier der Ausgang des Krieges noch lange nicht absehbar.

    Völkermord an den Armeniern
    Bild 137
    Szenen wie diese waren 1915 in den armenischen Provinzen der Türkei an der Tagesordnung. Foto aus einem Bericht des US-Botschafters Henry Morgenthau senior.
    Im Mai 1915 erließen die türkischen Generäle ein Deportationsgesetz. Überall im Osmanischen Reich wurden armenische Familien zusammengetrieben, um angeblich in entlegenen Gebieten wieder angesiedelt zu werden. Den Vorwand für diese Maßnahme lieferte das Eindringen der russischen Armee in die Kaukasusregion, das von vielen Armeniern begrüßt wurde. In Wirklichkeit wollte man die verhasste Minderheit nicht umsiedeln, sondern vernichten. Die Armenier wurden in die Wüste deportiert, wo sie zugrunde gingen. Wie viele Menschen dem Völkermord zum Opfer fielen, ist umstritten. Die Schätzungen schwanken zwischen 500 000 und 1,5 Millionen Toten.
    Auch Oppenheim wurde mit dem Verbrechen konfrontiert. Seit Frühjahr 1915 war er Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Konstantinopel. Aber der Propagandist des Dschihad ergriff keine Partei für die Opfer. Ende August erläuterte er in einem Brief an den deutschen Reichskanzler
Theobald von Bethmann-Hollweg seine Meinung über »die armenische Frage«:
    »Nach wie vor werden zweifellos bei der Vertreibung aus der Heimat, auf den Transporten und bei der Neuansiedelung des armenischen Volkes Härten, unvermeidliche Grausamkeiten, fürchterliche Familiendramen vorkommen.… Das menschliche Mitgefühl legt es dem Europäer sicherlich nahe, das Schicksal so vieler jedenfalls unschuldig Getroffener zu beklagen und an eine Abhilfe zu denken. Aus staatsmännischen Gründen muß man es jedoch verstehen, daß die Türken in diesen schweren Zeiten sich mit allen Mitteln gegen die Armeniergefahr zu schützen suchen. « Oppenheim sah allerdings auch die Konsequenzen einer Politik des Wegsehens voraus: »Gewiß werden das schwere Schicksal der Armenier und die wohl unausbleiblich vorgekommenen Grausamkeiten bei der Erfüllung desselben von den Feinden uns Deutschen mit zur Last gelegt werden …«
    Aber letztlich waren die Loyalität der türkischen Verbündeten und die damit verknüpfte Dschihad-Strategie für die deutsche Kriegführung wichtiger als das Schicksal der

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