Der Heilige Krieg
000 Männer, die der Scherif den Briten versprochen hatte, schlossen sich dem Aufstand nur einige tausend an. Husseins Kriegern gelang es zwar, Mekka und Medina zu erobern, aber zu größeren militärischen Unternehmungen waren sie nicht in der Lage. In Kairo war man äußerst enttäuscht.
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Aufstand in Mekka: Großscherif Husein ibn Ali (1853 – 1931) erklärt seine Unabhängigkeit vom türkischen Sultan. Aus dem Pariser Petit Journal , Juli 1916.
Im dortigen »Arab Bureau« – dem britischen Pendant zu Oppenheims Nachrichtenstelle – arbeitete seit Kriegsbeginn ein alter Bekannter des Deutschen: T. E. Lawrence. Denn wie die Strategen in Berlin hatten auch die Briten Archäologen und andere Wissenschaftler für nachrichtendienstliche Aufgaben verpflichtet. Der 1888 geborene Lawrence war wie Oppenheim ein Orientbegeisterter. Schon als Student hatte er allein eine abenteuerliche Reise durch Syrien zu den Burgen aus der Kreuzfahrerzeit unternommen, über die er eine wissenschaftliche Arbeit verfasste. Nach seinem Studium erhielt er die Gelegenheit, an einer Ausgrabung des bekannten Archäologen Leonard Woolley am Oberlauf des Euphrat teilzunehmen, wobei er Oppenheim kennenlernte. Jetzt bestand seine Aufgabe darin, die Pläne des Deutschen zu durchkreuzen.
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Archäologe und Guerillakämpfer: Der legendäre »Lawrence von Arabien«.
Lawrence wurde auf die Arabische Halbinsel geschickt, um Kontakte zu den Aufständischen aufzunehmen und die ins Stocken geratene Erhebung wieder in Gang
zu bringen. Es war der Anfang einer Karriere, die ihn bald weltberühmt machen sollte. In einem Zeltlager traf er auf Faisal, den Mann, der noch ein Jahr zuvor mit Oppenheim verhandelt hatte. Lawrence war von seinen Vorgesetzen mit Vollmachten ausgestattet worden, die ihn in den Augen des arabischen Prinzen zum weitaus attraktiveren Partner machten. Denn die Briten waren bereit, monatlich 200 000 Pfund Sterling an den Scherif zu zahlen – nach heutigen Maßstäben in Euro eine zweistellige Millionensumme.
»Geld darf keine Rolle spielen«, hatte Oppenheim 1914 in seinem Strategiepapier gefordert. Doch während sein Budget von Anfang an bescheiden ausfiel, fütterten die Briten den arabischen Aufstand mit Unsummen, lieferten Waffen und schickten Militärberater zu den Beduinen. Mit deren Hilfe machten sie sich daran, »die Wüste in Brand zu setzen«, wie Lawrence später schrieb.
Der Engländer erkannte, dass die arabischen Stammeskrieger in einer offenen Feldschlacht den Türken unterlegen waren. Aber die Männer, die in der Wüste überleben konnten, besaßen die Fähigkeit, buchstäblich aus dem Nichts aufzutauchen, einen Anschlag zu verüben und wieder in der unendlichen Weite der Landschaft zu verschwinden. Das ideale Ziel für diese Art der Kriegführung war die Trasse der Hedschasbahn – die Achillesferse der türkischen Infrastruktur. Lawrence verfolgte eine Taktik gezielter Nadelstiche und brachte damit den türkischen Nachschub immer wieder in Schwierigkeiten.
Im Juli 1917 gelang ihm mit seiner Beduinentruppe der größte Coup: die Eroberung des Hafens Akaba am Roten Meer. Die türkische Garnison wurde überrumpelt, weil man dort nicht mit einem Angriff aus der Wüste rechnete. Der Hafen war für die Briten von großem Wert. Von jetzt an gerieten die türkisch-deutschen Truppen immer mehr in die Defensive. Stück für Stück schoben die Engländer die Frontlinie immer weiter nach Norden vor. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass Lawrence mit seinen Beduinen genau das tat, was Oppenheim sich ausgemalt hatte: nämlich generische Kräfte durch Guerillaaktionen und Sabotageakte zu binden.
Durch Filmaufnahmen eines amerikanischen Kriegskorrespondenten wurde Lawrence bereits während des Krieges bekannt – ein Brite im arabischen Gewand, ein romantischer Held. Tatsächlich fühlte er sich in seiner Rolle schon seit geraumer Zeit nicht mehr wohl. Denn er wusste, dass seine Verbündeten für ein Ziel kämpften, das in Wirklichkeit gar nicht mehr existierte. Briten und Franzosen hatten sich bereits im Frühjahr 1916 bei Geheimverhandlungen darauf verständigt, nach dem Sieg die arabischen Gebiete des Osmanischen Reiches in Einflusssphären aufzuteilen. Von einem unabhängigen Königreich Arabien war nicht mehr die Rede. Der als »Sykes-Picot-Abkommen« berühmt-berüchtigte Vertrag gilt deshalb bis heute in der arabischen Welt als Inbegriff skrupelloser europäischer Kolonialpolitik.
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Wilhelm
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