Der Heiratsspezialist
aus diesem Saloon konnte man etwas machen, trotz der Lage so weit draußen. Dagegen war ihr erster Eindruck von Jenny durchaus nicht befriedigend. Als sie sie auf sich zuschweben sah – anders konnte man Jennys Gang mit den wiegenden Hüften nicht nennen –, wußte sie sofort, daß Bob von dieser Frau nicht so einfach zu lösen war. Hinter der langen, chromblitzenden Theke mit den gläsernen Kühlaufsätzen hantierte ein sehr männlicher Typ in Cowboykleidern und stierte Sandra an, als erwarte er, sie müsse bei seinem Anblick sofort in Verzückung fallen.
Das mußte Harry, der Vetter, sein.
Sandra blieb stehen, grüßte Jenny wie einst der Ritter seinen Gegner in offener Feldschlacht und lächelte sie freundlich an.
»Es sind genug Tische frei«, sagte Jenny, der das Benehmen des neuen Gastes merkwürdig vorkam. Die erste Musterung ergab, daß dieses Rotkehlchen nicht zu der Zunft gehörte, die am späten Nachmittag bereits an die Arbeitsplätze pilgert, um die frühen Lustsucher zu ködern. Eine Touristin war sie auch nicht; Touristinnen kommen en bloc, busweise, sind lautstarke Rudel, eine geballte Masse. Sie sah auch nicht so aus, als sei sie gerade nach langer Wüstenfahrt aus einem Wagen gestiegen. Ihr fehlte jener leicht irre, flatternde Blick der Reisenden, die Nevadas Wüste durchquert haben.
»Du bist also Jenny!« sagte die Fremde.
Das war der erste Schlag in Jennys ungeschützte Seele. Die Überraschung war vollkommen, und sie verschlimmerte sich noch, als die Fremde fortfuhr:
»Ich bin Sandra!«
»Aha!« konnte Jenny nur antworten. Sie wußte, das war lahm, aber was sollte man da sagen?
»Ich werde Bob heiraten. Ich liebe ihn!« sagte Sandra ruhig. »Ich nehme an, du hast nichts dagegen.«
Wenn man Jenny angespuckt hätte, hätte sie sofort zurückgespuckt; wenn man gewagt hätte, sie zu überfallen, hätte sie mit Judo und Karate geantwortet – aber diese schlichte Mitteilung, daß sie nichts dagegen haben könne, wenn jemand Bob heiratet und liebt, entwaffnete sie völlig. So war sie nur in der Lage, zu sagen:
»Du bist verrückt, Sandra!«
»Vielleicht. Wir sind zwei Verrückte, Jenny. Komm, setz dich.« Sie zeigte auf die nächststehenden Stühle, und Jenny setzte sich tatsächlich, anstatt zum nächsten werfbaren Gegenstand zu greifen.
»Du also bist die Neue?« fragte sie und war verblüfft, daß sie sprechen konnte. Der Schock wirkte nach. »Wie kommst du überhaupt nach Amerika?«
»Mit einem Jumbo, wie sonst?«
»Ohne Paß?«
»Natürlich mit Paß!«
»Als Mrs. Brook?!«
»Als Miß Sandra Meyer.«
»Du bist noch nicht mit Bob verheiratet?«
»Nein. Das werden wir jetzt so schnell wie möglich nachholen.«
»Denkst du …« Jennys innere Maschine lief langsam an.
»Weiß ich!« sagte Sandra milde. »Und du weißt das auch. Jenny, du sollst sogar Trauzeugin sein …«
Spätestens hier wäre es sinnvoll und wohl auch gerechtfertigt gewesen, wenn Jenny zu großer Form aufgelaufen wäre. Aber sie blieb still, sah Sandra nur mit großen blauen Kulleraugen an und stülpte die Unterlippe vor. Sie sah wie eine Verwandlungspuppe aus, der man durch Druck einen beleidigten Gesichtsausdruck geben kann.
»Du bist beknackt!« sagte sie langsam. »Hat Bob dich aus 'ner Anstalt herausgeholt?«
»Du willst Bob nicht aufgeben?«
»Hab' nie daran gedacht.«
»Man soll nie ›nie‹ sagen!« Sandra lehnte sich zurück und warf einen Blick auf Vetter Harry. Der Cowboy äugte mißtrauisch herüber, kam aber hinter seiner Theke nicht hervor. Jenny würde ihn schon rufen, wenn sie ihn brauchte. »Ich weiß, wie sehr Bob an dir hängt.«
»Na also …«
»Und wie sehr es ihn treffen würde, wenn er das mit Harry wüßte.«
»Harry?« Jennys Rücken wurde steif.
»Da drüben steht doch Harry, nicht wahr? Der hilfsbereite Vetter. Bob hat mir von ihm erzählt, und nur ein so gutgläubiger Mensch, ein so lieber, argloser Junge wie Bob kann glauben, daß Harry nur Eis rührt, Töpfe spült und Limonaden kühlt.«
»Ich hau dir gleich in die Fresse!« sagte Jenny dumpf. Sie hatte ihre alte Form wiedergefunden, ohne allerdings schon zu Taten überzugehen. Innere Vorsicht mahnte sie zur Zurückhaltung.
»Was würde das ändern, Jenny? Du schläfst mit Harry, wenn Bob weg ist. Willst du das leugnen?!«
»Und ob! Hast du Zeugen?!«
»Ich bin eine Frau und brauche Harry nur anzusehen, um zu wissen, was los ist. Bob sieht so etwas nicht. Er ist ein Mann, und Männer sind in dieser Beziehung
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